Till Hein über Unterwasser-Kosmetiksalons und die Liebe zu Zwergseepferdchen

Am Freitag, 22. April, ab 19 Uhr lädt der Ocean Summit ein, zur LeseMeer Duolesung „Wunderwesen im Meer“. Neben Dagmar Röhrlich („Tiefsee“) wird der Autor Till Hein mit seinem Buch „Crazy Horse“ zu Gast sein. Im Interview erzählt der Wissenschaftsautor und Journalist dem Ocean Summit, wie unterschiedlich Seepferdchen sind, welche kleinen Meerestiere mit Vorliebe Größere putzen und mit welchen Herausforderungen ein Wissenschaftsjournalist konfrontiert ist.

Herr Hein, herzlichen Glückwunsch – Sie dürfen einen Tag lang selbst ein Seepferdchen sein. Als welches Seepferdchen würden Sie gerne abtauchen und warum ?
Da muss ich ein bisschen überlegen, denn es gibt ja über 40 Seepferdchenarten – von winzig klein bis zu 35 Zentimeter groß. Manche sind für ihre Fernreisen bekannt, andere für besonders elegante Hochzeitstänze, bei wieder anderen veranstalten die Männchen eine Art Ringkämpfe, um Weibchen zu beeindrucken. Aber am liebsten wäre ich, glaub ich, ein Zwergseepferchen (Hippocampus zosterae). Diese Seepferdchen kennen keinerlei Hektik, sind die langsamsten Fische der Welt – und schaffen es Dank einer besonderen Jagdtechnik dennoch, immer genügend leckeres Futter zu kriegen.

„Putzerlippenfische erkennen ihre unzähligen Kunden individuell“

 

Ein bisschen Pferd ein bisschen Wurm, eigentlich aber ein Fisch …. Mit den Seepferdchen haben Sie eine erstaunlichen Meeresbewohner zum Thema ihres Buches „Crazy Horse“ gemacht – welchem (Meeres-)Tier würden Sie gerne auch ein Buch widmen und warum?
Sehr faszinierend sind auch die Putzerlippfische, die an Riffen eine Art Unterwasser-Kosmetiksalons betreiben. Sie leben davon, größere Fische von Parasiten zu befreien. Manchmal beißen sie ihre Klienten dabei aber auch ins Schuppenkleid, denn dieses schmeckt ihnen insgeheim sogar besser als die darin hausenden Parasiten. Um aufgebrachte Kunden nach einer solchen Entgleisung wieder zu beruhigen, lassen sie ihnen mit den Flossen oft eine Massage zukommen.

Diese zarten Berührungen sind offenbar so angenehm, dass die Klienten von ihrem Ärger ablassen und die Putzer nicht verputzen. Forscher haben zudem festgestellt, dass Putzerlippfische enorm geschäftstüchtig sind: Sie erkennen ihre unzähligen Kunden individuell – und wer erstmals in den Unterwasser-Kosmetiksalon kommt, wird ganz besonders gut bedient. Denn er soll ja wieder kommen.

Sie sind Wissenschaftsjournalist, es Ihr täglich Brot wissenschaftliches Erkenntnisse verständlich aufzuarbeiten. Was sind dabei heutzutage die größten Herausforderungen?
Das Thema Corona nahm und nimmt halt unheimlich viel Platz ein. Und nun auch noch Krieg in Europa. Da ist es natürlich schwer, Redaktionen auch für andere spannende Themen zu begeistern. Unerfreulich ist auch, dass es an Universitäten und Forschungsinstituten üblicher wird, alles über Pressestellen abzuwickeln. Man kann also zum Beispiel oft nicht mehr einfach eine Professorin zu ihrer neurowissenschaftlichen Forschung interviewen und ihr das Gespräch nachher zur Autorisierung schicken.

Wenn alles eigentlich fertig ist, wollen Pressesprecher noch überprüfen, ob die Professorin auch alles so gesagt hat, dass es den eigenen Laden in einem guten Licht erscheinen lässt und so. Und es kann sogar passieren, dass die Professorin schliesslich manches nicht gesagt haben darf. Vor allem bei Medizin-Themen fällt mir das in letzter Zeit auf. Aber der Job bleibt trotzdem spannend.

Till Hein ist am 22.04.2022 gemeinsam mit Dagmar Röhrlich in der Duo-Lesung „Wunderwesen aus dem Meer“ zu Gast und liest aus seinem Buch „Crazy Horse“. Die Veranstaltung kann kostenlos besucht werden.