Julia Schnetzer im Interview: Das Meer rückt mehr und mehr in den Fokus

Oft wird darüber gesprochen, wie faszinierend und nützlich, doch zugleich weitestgehend unerforscht und rätselhaft unsere Meere sind. Wichtige Erkenntnisse der Meeresforschung scheinen oftmals reines Expert*innenwissen zu bleiben. Doch wie lässt sich das ändern? Wie verbreitet man mehr Meereswissen unter unser Landratten, den Menschen?  Die Meeresbiologin Julia Schnetzer ist eine derer, die die Meere nicht nur erforscht, sondern es beherrscht und Spaß daran hat, ihre Erkenntnisse und ihr Wissen über die Meere nachvollziehbar und spannend mit Nicht-Expert*innen zu teilen.

Ob als Science Slammerin, Meereswissensvermittlerin in Kneipen („Plötzlich Wissen!„) oder, nun auch als Autorin ihres brandneuen Buches „Wenn Haie leuchten“ – Julia Schnetzer nimmt Euch mit ins Meer! Bevor Julia Schnetzer beim Ocean Summit LeseMeer am 22. April 2021 ab 18 Uhr ihre Lesepremiere von „Wenn Haie leuchten“ feiert, haben wir mit Julia im Interview über ihr Buch, Wissenschaftskommunikation und beeindruckende Meeresphänomene gesprochen. Sie verrät Euch außerdem etwas über ihren neuen Podcast!

DU UND DAS MEER

Du bist in München geboren und hast die Berge direkt vor der Haustür. Woher kommt deine Liebe zum Meer?
Vielleicht genau daher. Man will das was man nicht hat. Aber das Mittelmeer war ja nicht weit und wir waren in meine Kindheit fast jedes Jahr auf Sardinien. Das Meer war mir also nie fremd und ich habe es schon immer geliebt, zu schnorcheln und mir das Leben unter Wasser anzugucken.

Du hast an verschiedenen Universitäten studiert, geforscht und promoviert. Wie bist du aus dem Labor auf die „Science Slam“ Bühne gekommen und was genau zeichnet den „Science Slam“ aus?
Ich habe während meiner Doktorarbeit ein sogenanntes Bürgerwissenschaftsprojekt (Anm. d. Red. Forschungsprojekte werden unter Mithilfe von oder komplett durch interessierte Laien gestützt) entwickelt. Wenn man Menschen dazu animieren will die Wissenschaft zu unterstützen, dann muss man ihnen auch erklären können, warum das wichtig ist und wie es funktioniert. Science Slam war dafür das perfekte Format, denn junge WissenschaftlerInnen erzählen verständlich und unterhaltsam über ihre Forschung.

>> Wenn man Menschen dazu animieren will die Wissenschaft zu unterstützen, dann muss man ihnen auch erklären können, warum das wichtig ist und wie es funktioniert. Science Slam war dafür das perfekte Format, denn junge WissenschaftlerInnen erzählen verständlich und unterhaltsam über ihre Forschung. <<

Gemeinsam mit deinen Wissenschaftskolleg*innen Inga und André hast du die Reihe „Plötzlich Wissen“ gegründet – hier geht ihr in Kneipen und vermittelt Meereswissen. Wie kamt ihr auf die Idee und wie verfahrt ihr mit dem Projekt während der Pandemie?
Die Idee entstand tatsächlich bei Kneipentouren. Es passierte oft, dass ich mit Leute ins Gespräch kam und die mehr über meine Forschung hören wollten. Da merkte ich, die lockere Kneipensituation schafft einen guten Rahmen für eine etwas andere Wissenschaftskommunikation und so haben wir Plötzlich Wissen! ins Leben gerufen.

Da Kneipe aktuell nicht geht, sind wir auf Streaming umgestiegen. Wir senden alle zwei Wochen live auf twitch.tv, zocken Computerspiele mit Meeresinhalten, machen Experimente und unterhalten uns über Geschichten und Entdeckungen aus der Meeresforschung. Im Chat können alle mitreden, Fragen stellen oder eigenen Geschichten erzählen. Auch wir lernen immer wieder Neues von unseren Viewern.

Gute und mitreißende Wissenschaftskommunikation, die auf Augenhöhe mit Nichtexpert*innen spricht, scheint noch immer eine Wissenschaft für sich zu sein. Was glaubst Du, warum fällt es der Wissenschaft oft so schwer mit ihrem Wissen zu „klotzen“, zu informieren und zu begeistern?
Die Wissenschaftswelt honoriert es selten, wenn man das ExpertInnenwissen außerhalb dieser Gemeinschaft kommuniziert. Manche KollegInnen sehen darin keinen Mehrwert, andere haben kein Interesse daran. Das ist ja auch okay, nicht jede:r WissenschaftlerIn muss auf der Bühne stehen. Aber ich finde es enorm wichtig, dass die Wissenschaft die Kommunikation mit der Öffentlichkeit ernster nehmen sollte. Junge WissenschaftlerInnen sollten die Möglichkeit haben, sich in die Richtung fortzubilden.

Woran forschst du zurzeit und was beschäftigt dich momentan am meisten im Meer?
Corona hat leider auch meine Pläne für das Jahr zerschlagen. Daher sitze ich momentan zuhause, freue mich auf die Veröffentlichung meines Buches, konzentriere mich auf Plötzlich Wissen! und den neuen Audible Original P.M.-Podcast „Sag mal, du als BiologIn“, den ich mit meinem Science-Slam-Kollegen Sebastian Lotzka und dem Journalisten York Pijahn mache. Dadurch beschäftige ich mich natürlich mit allen Themen der aktuellen Meeresforschung und da gibt reichlich spannende Themen.

In deinem Buch „Wenn Haie leuchten“ berichtest du über viele spannende Begegnungen mit Meereslebewesen. Was war für dich die spannendste Erfahrung als Meeresbiologin?
Ich konnte einmal live dabei sein, als Korallen ihre Eier und Spermien ins Wasser abgaben. Das passiert nur einmal im Jahr und auch nur an einem bestimmten Tag und ist ein ganz besonderes Naturspektakel. Es sieht so aus, als ob es unter Wasser schneien würde und alle Tiere drehen durch.

Am 22. April 2021 liest du im Kieler Aquarium zum ersten Mal live und für die (digitale) Öffentlichkeit aus deinem Buch – warst du schon mal in Kiel – und wenn ja, was verbindest du mit Kiel?
Ich war in Kiel zu einer CIESM-Konferenz (Anm.d.Red. Mediterranean Science Commission). Ich erinnere mich noch gut, es war Ende September und unerwartet extrem heiß. Deswegen kam ich zu meinem Vortrag in kurzer Hose und mein Doktorvater fand mein Outfit nicht so passend. Leider hab ich kaum was von der Stadt gesehen, das ist leider oft so, wenn man auf Dienstreisen ist.

DU UND DEIN BUCH „WENN HAIE LEUCHTEN“

Delfinsprache, unsterbliche Quallen oder leuchtende Haie – was genau war deine Inspiration das Buch zu schreiben?
Ich hatte Lust über Themen zu schreiben, die ich selber extrem spannend finde und die vielleicht auch andere Menschen begeistern. Das Buch gab mir die Chance tiefer ins Thema „Meeresforschung“ einzutauchen und nicht nur über Ergebnisse zu schreiben, sondern auch einmal zu erzählen wie man überhaupt in der Meeresbiologie forscht.

Einige Meeresbewohner nutzen Fluoreszenz für sich. Was können wir Menschen noch aus den Tiefen der Meere und deren Lebewesen lernen und/oder diese Methoden auch für uns nutzbar machen?
Das Meer rückt mehr und mehr in den Fokus. Wissenschaftler*innen vermuten, dass in unseren Ozeanen viele bioaktive Stoffe zu entdecken sind, die für die Pharmazie oder biotechnologische Anwendungen von enormen Wert sein können. Auch Algen werden als Nahrungsmittel immer wichtiger. Es gibt auch Ideen, das Potenzial des Meeres als CO2 Speicher auszubauen.

>> Das Meer rückt mehr und mehr in den Fokus. Wissenschaftler*innen vermuten, dass in unseren Ozeanen viele bioaktive Stoffe zu entdecken sind, die für die Pharmazie oder biotechnologische Anwendungen von enormen Wert sein können. Auch Algen werden als Nahrungsmittel immer wichtiger. Es gibt auch Ideen, das Potenzial des Meeres als CO2 Speicher auszubauen.<<  Julia Schnetzer

Das Alter der Haie kann daran gemessen werden, wie viel sie durchschnittlich im Jahr wachsen. Haben äußere Faktoren darauf gar keinen Einfluss?
Sicherlich spielt das Nahrungsangebot eine Rolle, deswegen bewegt man sich bei diesen Messungen oft in einem Plus-Minus-Bereich. Das ist aber in der Biologie ganz normal.

In deinem Buch geht es auch um den Lebensraum der Tiefseevulkane, und dass Haie dort bei Wassertemperaturen von 42 Grad im Durchschnitt leben. Wie kann eine dort lebende Art in anderen Umgebungen überleben und wie kommt es, dass Arten sich dort überhaupt ansiedeln?
Wir gehen davon aus, dass die dort nicht permanent leben, sondern sich dort nur für eine gewisse Zeit aufhalten. Aber wie sie die Temperaturen und Bedingungen aushalten und warum sie sich das überhaupt antun, weiß man schlicht und ergreifend noch nicht.

Viele Lebewesen haben im Gegensatz zu uns Menschen eine sehr lange Lebensdauer. Eine Quallenart ist sogar unsterblich, wie schafft sie das und kann so etwas den Menschen in einer fernen Zukunft unsterblich machen?
Die Quallen sind in der Lage ihren Zellaufbau komplett rückgängig zu machen und sich wieder in ihre „jüngere“ Form umzubauen und das immer wieder. Somit altern sie nicht und sind quasi unsterblich, also zumindest solange sie nicht in einem gefräßigen Maul landen. Ob wir Menschen irgendwann auch dazu in der Lage sein werden, bezweifle ich allerdings sehr.

Du schreibst in deinem Buch, dass Delfine bis zu 1 Billionen „Wörter“ ausdrücken können. Könnten wir Menschen lernen, die Sprache zu verstehen oder sogar selbst mit den Tieren zu kommunizieren?
Ja, ich denke, dass das theoretisch möglich sein könnte. Aber dafür braucht es noch sehr viel Forschungsarbeit. Und wahrscheinlich können wir die Delfinsprache dann nicht einfach bei Duolingo lernen.

Durch die Corona-Pandemie sehen wir Viren als etwas durchweg Schlechtes an. Doch welche positiven Effekte können Viren auf unsere Ökosysteme haben?
Viren gehören in diese Welt wie auch wir. Sie sind ein wichtiger Teil der Stoffkreisläufe im Meer. Sie zerstören Bakterien oder Einzeller und geben sie so als Nahrung für andere frei, fungieren aber auch selber als Nahrung für Tiere, wie z.B. Schwämme. Sie sind enorm wichtig für die Balance der Artenvielfalt in der mikrobiellen Welt der Meere.

DANKE FÜR DEINE ZEIT JULIA, wir freuen uns auf Deine Lesung am 22. April 2021 aus dem Aquarium GEOMAR in Kiel!