Jan Orth

Krabbenfischer, Pellworm

>> Wir fühlen uns genauso zugehörig zum Nationalpark, wir waren vor der Gründung des Parks da und der Nationalpark ist mit uns gegründet worden. Dementsprechend wollen wir unsere Fischerei auch weiterhin hier ausleben.  <<

Meeresmenschen-Audios

Darum geht´s: traditionelles Handwerk, Fischerei, Inselleben, (traditionelle) Nutzung der Meere

Hört rein, was Jan Orth über Fangzeiten und -mengen, Konkurrenz und nachhaltiges Krabbenfischen zu sagen hat:

Meeresmenschen-Talk mit Jan Orth: Leben im Rhythmus der Nordsee-Garnelen

Zum Anfang: Wer bist Du und was machst Du?

Ich bin Jan Orth, Krabbenfischer, wohne auf Pellworm und bin mit meinem Bruder ganzjährig auf Krabbenfang.

Wem gehört der Betrieb?
Der Betrieb ist nun in vierter Generation. Ich habe den Betrieb von meinem Vater übernommen und mit meinem Bruder ein weiteres Boot gekauft. Mein Vater ist nun Rentner und fährt hobbymäßig mal fischen. Aufgrund der Krise haben mein Bruder und ich in den letzten Jahren niemanden eingestellt und fahren zu zweit raus. So sparen wir uns die Lohnkosten.

Wann fahrt Ihr zum Fischen raus?
Es ist schon so, dass wir ganzjährig fahren könnten. Jedoch fahren wir im Januar und Februar eher nicht raus. Da stehen dann Reparaturen am Schiff an oder wir fahren mal weg. Es kann jedoch auch mal sein, dass wir auch in den Monaten fischen gehen, das hängt aber meist vom Wetter ab. Wenn es mild ist, fahren wir aber schon mal raus, grundsätzlich kann man das nicht sagen. In dem Moment, wo es kalt ist, Schnee fällt, sich Eis bildet und das Wattenmeer gefroren ist, ziehen die Krabben ab in tieferes Gewässer, so Richtung Helgoland die Ecke, das ist eher nicht unser Gebiet. Das ist für Wattenkutter uninteressant.

Unsere Fanggebiete sind im Wattenmeer. Wir weichen im Sommer gern auch in Richtung Elbe aus, Elbe bis Sylt ist unser Fanggebiet. Wir sind immer da, wo die Krabben sind. Wobei man sagen muss, dass um so älter man wird, man auch immer heimischer wird und um die Insel herum fischt.

Legt Ihr beim Fischen zwischendurch an?
Wenn eine Tour losgeht, nicht, dann legt man sich fest. Als Beispiel, wenn wir um Pellworm rumfahren, dann tun wir dies im Abstand von 15 bis 20 Kilometer um die Insel herum und dann sind wir zwei bis drei Tage am Stück Fischen. Wenn das Wasser, wie jetzt im Sommer, recht klar ist, verlagern wir jedoch unsere Tour auf nachts, fahren also abends los und kommen morgens wieder.

Welche Mengen fangt Ihr?
Von 10 Kilo bis 500 Kilo ist alles möglich. Die großen Fänge sind eher im Frühjahr, da gibt es einen Peak, da die Krabben im April meistens an die Küste ziehen. Das ist jedoch nur ein kurzer Zeitraum, gute Monate sind August, September, und vor allem Oktober. Das sind so die Spitzenmonate. Normalerweise.

Wie kommen die Preise für Krabben zustande?
Bei der Preisbildung spielen häufig noch Faktoren der letzten Jahre eine große Rolle. Sollte der Herbst des Vorjahres zu gut gewesen sein, zu viel Menge, die Firmen zu viel auf Lager haben, das spielt die eigentliche Rolle. Also gar nicht direkt die aktuelle Fanglage, sondern wieviel irgendwo noch rum liegt im Froster. Und das macht es zeitlich dann manchmal etwas schwierig, wenn im Frühjahr keine gute Fischerei ist, aber noch eine große Menge im Lager liegt.

Aktuell ist es gerade umgekehrt, es liegt nicht mehr soviel im Lager, die Fischerei ist zwar auch nicht so dolle, aber wir haben auskömmliche Erzeugerpreise. Aber das kann sehr schnell gehen, sobald im Juli, August wieder Mengen auftaucht, fallen auch die Preise wieder.

Wie ist das Verhältnis der Fischer zum Nationalpark Wattenmeer?
Es gibt schon Reibungsflächen.  Die Forderung nach Nullnutzungszonen schwebt über allem, also dass man die Fischerei aus Gebieten ausschließen will. Damit sind wir natürlich nicht unbedingt einverstanden, weil wir natürlich da fischen wollen, wo wir schon immer gefischt haben.

Wir fühlen uns genauso zugehörig zum Nationalpark, wir waren vor der Gründung des Parks da und der Nationalpark ist mit uns gegründet worden. Dementsprechend wollen wir unsere Fischerei auch weiterhin hier ausleben. Wenn man sieht, dass die Flotte seit Gründung des Nationalparks deutlich runter gegangen ist, ist der Aufwand natürlich auch reduziert.

Wir sehen uns im Nationalpark eigentlich mit dabei. Die kleinen Kutter, die hier liegen, die sind auch angewiesen auf den Schutz des Nationalparks, auf den Schutz der Inseln, der Watten und der Strände, vor schlechtem Wetter. Wir haben nicht die Schiffe um vor den Inseln zu fischen bei schlechtem Wetter, wir sind darauf angewiesen, im Nationalpark zu fischen.

Gibt es die Möglichkeit, Krabbenfischerei nachhaltiger zu gestalten?
Also unser Fanggeschirr, das darf ein gewisses Gewicht nicht überschreiten. Wir haben gewisse Seetage, die wir auf See sein dürfen, welche nicht überschritten werden dürfen.  Die Maschen unserer Netze sind über der Verordnung für Maschenweiten genormt, sodass mehr kleine Krabben durchkommen können. Wir fahren mit Siebnetzten, sodass Fische heraus geleitet werden aus dem Netz. Die Größe des Netzes ist ebenfalls festgeschrieben, 20 Meter dürfen wir fahren, also 10 Meter pro Seite. Es gibt also viele Regeln und Auflagen, die wir haben und die auch kontrolliert werden. Damit leben und arbeiten wir.

Habt Ihr Probleme mit Überfischung?
Unser großes Glück ist, dass die Nordseekrabben, eigentlich sind es ja Garnelen, einen sehr kurzen Zyklus haben. Also in dem Jahr, wo sie gelaicht werden, können sie auch schon wieder Nachwuchs produzieren. Das heißt, nach einem Jahr mit kaum Fischerei und schlechter Fänge, kann es dann sein, dass der Bestand im Herbst plötzlich explodiert. Somit kann man den Bestand, überspitzt gesagt, nicht überfischen.

Es ist tatsächlich möglich, dass aus einem kleinen Bestand ein paar Monate später plötzlich eine riesige Masse da ist. Das hat man bei keinem anderen Fisch, das gibt es nicht. Das ist unser Glück bei Garnelen. Außerdem ist die Flottengröße, wie sie jetzt, begrenzt. Es können keine weiteren Schiffe einfach so dazukommen. Auch durch MSC und Lizenzen ist es gedeckelt. Es gibt keine offiziellen Fangquoten, weil eine offizielle Bestandsschätzung unmöglich ist.

Wie sind die Fangmengen dann limitiert?
Die Fangdeckelung erfolgt einmal durch den MSC, zudem durch staatliche Fanglizenzen pro Schiff. Hier gibt es nur eine gewisse Anzahl.

Gibt es viel Konkurrenzdruck?
Wir haben schon Probleme mit Niederländern, da sie uns mit ihren hochmotorisierten Flotten den Rang abgelaufen haben. Gerade im Winter fischt diese Flotte die Krabben im tieferen Gewässer, wo sich die Tiere wegen der Kälte hin zurückziehen – wir aber nicht fischen können. Die Krabben, die im Frühjahr dann zu uns an die Küste ziehen würden, werden im Winter schon massiv abgefischt.

Die Niederländer sind sehr aktiv und nutzen den Gewässerabstand von drei Seemeilen maximal aus. Im Winter sind die hier sehr aktiv vor unserer Küste. Die haben große, leistungsstarke Schiffe, da können wir nicht mithalten. Die Niederländer sind genauso MSC zertifiziert wie wir, der Bestand ist nicht gefährdet.

Wir haben einen Mechanismus, wenn die Fänge dann unter einen bestimmten Jahresschnitt fallen der greift, so eine Stundenregelung, die zählt dann für die genauso wie für uns. Aber innerhalb der Flotten von Dänemark, Deutschland und Niederlande bestehen einfach erhebliche Unterschiede in der betriebswirtschaftlichen Konkurrenz, weil die eben so groß sind.

Wann laichen die Garnelen?
Es gibt nicht die eine Laichzeit. Die Laichzeit im Winter ist für uns sehr wichtig, da wir die Krabben, die im Winter/Frühjahr gelaicht werden, dann im Herbst fischen können. Ein dreiviertel Jahr dauert in etwa der Wachstumsprozess. Darum ist es so wichtig für uns, dass die Winterfischerei nicht zu intensiv wird, weil es den Bestand für den Herbst beeinflussen könnte.

Aber da ist alles nur eine Vermutung. Das kann keiner so genau festlegen, weil die so schnelllebig sind, weil die sich manchmal so schlecht fangen lassen, weil wie immer noch nicht wissen, wo im Herbst die Mengen plötzlich herkommen. Fischschwärme kann man orten und einschätzen, wie groß die sind, bei Krabben ist das einfach nicht möglich.

WEITERLESEN:

https://www.ezdk.de/index.php/presse/nachrichten/48-krabbenfischer-ein-toller-beruf

Anmerkung der Redaktion: Das Gespräch wurde aufgezeichnet am 14.07.2021. Zur besseren Lesbarkeit wurde das Interview teilweise gekürzt, strukturiert und redigiert.