Jan Rabeler
Oberdeichgraf, Eiderstedt
>> Klimaanpassung ist die Baustelle schlechthin, die auf uns hier zurollt, weil es eben jetzt auch so schnell geht mit dem Meeresspiegelanstieg. Allein bei uns auf Eiderstedt müssen die Deiche auf einer Länge von 25 Kilometer erhöht werden. <<
Foto © Barbara Dombrowski
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Meeresmenschen-Audios
Darum geht´s: Wattenmeer, traditioneller Posten, Küstenschutz, Klimawandel
Hört rein was Jan Rabeler zu den Aufgaben eines Oberdeichgrafen und zu Küstenschutz in Zeiten des Klimawandels zu sagen hat:
Meeresmenschen Talk mit Jan Rabeler: Von Deichgrafen und Deichkronen
Wer bist Du und was machst Du?
Mein Name ist Jan Rabeler, ich bin Oberdeichgraf von Eiderstädt. Das Amt des Oberdeichgrafen ist ein Ehrenamt und wird von den Verbandsvorstehern gewählt.
Ist Oberdeichgraf ein Beruf und was sind Deine Aufgaben?
Der Oberdeichgraf ist eigentlich immer ein Ehrenamt gewesen. Die Deichgrafen haben ihr Geld meistens in der Landwirtschaft verdient. Der erste Oberdeichgraf wurde vom König von Dänemark ernannt. Dieser war zum Beispiel für den Deichbau auf Eiderstedt zuständig.
Also die zentrale Aufgabe ist es, sich um das Wasser zu kümmern – zum einen das Wasser, was von der Nordsee hier reinkommt, zum anderen um das Regenwasser im Winter, was hier raus muss. Wir kümmern uns um die Pflege der Deiche und gelegentlich auch deren Neubau oder Umbau.
Und wir kümmern uns um die Grabensysteme. Eiderstedt hat 900 Kilometer Verbandsgewässer, das sind die Gräben, um die wir uns vom Deich- und Hauptsielverband Eiderstedt kümmern, und dazu 4 500 Kilometer private Gräben. Und dieses Grabensystem muss funktionieren wie ein Blutkreislauf, nur wenn die Adern in Ordnung sind, läuft das Wasser auch schnell genug ab, und die Bauwerke, die man dazu braucht, sind auch sehr wichtig.
Auf Eiderstedt kommt dazu, dass das Wasser nicht nur raus muss, die Wasserstände müssen auch so sein, dass man die Flächen gut bewirtschaften kann. Auch müssen wir die Wasserstände sehr individuell regulieren. Die Bauer benötigen auf ihrem Land einen anderen Wasserstand zur Bewirtschaftung als die Naturschützer für die 7 500 Hektar Vogelschutzgebiet. Da versuchen wir auch dann zu vermitteln und eine gute Lösung zu finden.
Wer ist für die Deiche zuständig?
Die Landesschutzdeiche werden vom Land verwaltet, da bin ich nur im Katastrophenfall dafür zuständig bzw. sitze dann im Katastrophenstab dabei als Berater. Und ich habe die Deichgänger, die stammen aus unseren Sielverbänden und die organisiere ich, die gehen dann im Sturmflutfall die Deiche ab.
Der Deich hier ist für uns das wichtigste. Ohne Deich würden wir hier bei Hochwasser 1,5 Meter unter Wasser stehen. Deswegen ist die Deichpflege enorm wichtig, das macht aber wie gesagt das Land Schleswig-Holstein, genauer gesagt der Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz.
Gibt es Anpassungen an den steigenden Meeresspiegelanstieg?
Klimaanpassung ist die Baustelle schlechthin, die auf uns hier zurollt, weil es eben jetzt auch so schnell geht mit dem Meeresspiegelanstieg. Allein bei uns auf Eiderstedt müssen die Deiche auf einer Länge von 25 Kilometern erhöht werden. Das wird bestenfalls in den nächsten 15 Jahren passieren, damit sie gegen die höheren Sturmfluten wegen höheren Wasserständen wehrhaft sind.
Das heißt der Deich wird um einen Meter bis 1,5 Meter erhöht. Wobei die Höhe dabei nicht ausschlaggebend ist, sondern die Neigung des Deiches. Man hat berechnet, dass es besser ist, wenn außen eine komplett flache Neigung von eins zu zehn besteht. Dadurch wird der Deichkörper wesentlich größer.
Wir schießen voll an den Klimazielen vorbei. Die Menschheit fängt halt erst an zu denken, wenn ihr das Wasser bis zum Halse steht oder noch höher.
Ein Deich, wie wir den hier gerade sehen, hat etwa 100 Meter Grundfläche von der Außen- zur Innenkante und der Neue hätte 130 Meter. So in etwa kann man sich das vorstellen. Da passt dann wesentlich mehr Masse rein. Auch die Deichkrone ist dann breiter – bis zu fünf Meter breit, damit man später idealerweise nochmal eine Kappe draufsetzen könnte, falls wir Menschen das nicht hinbekommen, CO2 einzusparen und so dem Anstieg des Meereswasserspiegels entgegenzuwirken. So könnten die Deiche dann also nochmals um 1,5 Meter erhöht werden. Die Prognose für die nächsten 100 Jahre ist ein Wasseranstieg um einen Meter, wobei 100 Jahre eigentlich nichts sind.
Was wird außer den Deichen noch angepasst?
Wir versuchen unsere Gräben in der nächsten Zeit größer zu machen, da aufgrund der vermehrt starken Regenfälle in kurzer Zeit große Wassermengen in unsere Systeme gelangen, die wir sonst nicht loswerden. So können wir das Wasser besser speichern. Zudem haben größere Adern eine größere hydraulische Leistung und lassen das Wasser dann schneller abfließen.
Dazu kommt ein weiteres großes Projekt: mit dem Boden, den wir ausheben beim Ausweiten der Gräben, wollen wir dann auch den Deich ausbauen. So können wir den Boden von hier direkt weiter nutzen und müssen ihn nicht mit LKWs oder Schiffen von Weitem hertransportieren lassen.
Der Ausbau und die Materialgewinnung, die wir für die Deiche dann nutzen, ist zurzeit unsere Hauptaufgabe. Damit arbeiten wir auch sehr umweltbewusst, da wir unsere Deiche mit lokaler Erde aufschütten und diese nicht von außen kaufen.
Für diese Weiterverwendung muss man natürlich eine gute Logistik erstellen, denn man buddelt hier ja nicht alle Erde mit einem Mal aus einem großen Loch. Aber wenn sich da alle anstrengen, ist das kein Problem.
Erreichen wir die Klimaziele?
Nein. Wir schießen voll an den Klimazielen vorbei. Die Menschheit fängt halt erst an zu denken, wenn ihr das Wasser bis zum Halse steht oder noch höher. Die meisten Menschen wohnen zu hoch, der Mensch kann sich ja immer irgendwie anpassen, findet immer eine Möglichkeit sich doch zu ernähren oder wie auch immer… Wenn wir so weitermachen wie bisher, wird das nichts. Auch wir hier in Deutschland reden viel, aber machen nichts.
WEITERLESEN:
Deich- und Hauptsielverband Eiderstedt: https://www.dhsv-eiderstedt.de/
https://www.schleswig-holstein.de/DE/landesregierung/ministerien-behoerden/LKN/_documents/lkn.html?nn=def37aee-535e-432e-a2bd-faf361c2d49e
Anmerkung der Redaktion: Das Gespräch wurde aufgezeichnet am 28.07.2022. Zur besseren Lesbarkeit wurde das Interview teilweise gekürzt, strukturiert und redigiert.