Karl-Heinz Kolle

Seehundjäger, Büsum

>> Wir sind nicht bestrebt, Heuler von ihren Müttern zu trennen. Wir nehmen die Heuler am Priel oder im Watt eher nicht mit. Am Hauptstrand mit den ganzen Touristen schon. Aber das hängt immer von der Situation ab.<<

Meeresmenschen-Audios

Darum geht´s: Meeressäugetiere, Nationalpark, Jagd
Hört rein, was Karl-Heinz Kolle zu seinen Aufgaben als Seehundjäger, Heulerfunden im Watt und den Lebensweisen der Meeressäuger zu sagen hat:

Meeresmenschen-Talk mit Karl-Heinz Kolle: Bloß nicht anfassen!

Wer bist Du und was machst Du?
Mein Name ist Karl-Heinz Kolle. Ich bin Seehundjäger und Jagdaufseher im Nationalpark in Schleswig-Holstein. Wir kümmern uns sowohl um alle jagdbaren Tiere, als auch um alle Marinesäuger. Wobei der Seehund auch ein jagdbares Tier ist, der aber eine ganzjährige Schonzeit hat. Wir kümmern uns zudem um alle Robbenarten und um Kleinwale.

Ist Seehundjäger ein Beruf?
Der Beruf des Seehundjägers hier ist ein Ehrenamt. Wir sind ehrenamtliche Jagdaufseher des Landes Schleswig-Holstein.

Wie lange bist Du schon Seehundjäger?
Ich übe dieses Ehrenamt seit fast 30 Jahren aus.

Wie viele Seehundjäger gibt es in Schleswig-Holstein?
Wir sind so um die 40 ehrenamtliche Seehundjäger an der Nordsee und auch an der Ostsee. Denn an der Ostsee gibt es auch Seehunde, Kegelrobben und Schweinswale. Da ist es nur etwas schwieriger, weil sie dort den Jagdschutz tatsächlich erst im Wasser ausüben können. Wir haben es da einfacher an der Nordsee. Der Nationalpark ist ja ein eigener Jagdbezirk der Landesregierung und dadurch haben wir hier mehr Rechte am Strand.

Was ist eigentlich ein Heuler?
Heuler ist der Begriff für einen Seehund der noch nicht abgestillt ist. In der ersten Phase des Lebens sind das eben Heuler, und diese müssen vier bis sechs Wochen gestillt werden. Wenn sie in dieser Phase ihre Mama verlieren, ist das eigentlich ihr Todesurteil.

Sie haben ja hier jetzt einen Heuler. Wie alt ist der?
Den Heuler, den wir hier gerade haben schätze ich so auf eine Woche alt. Bei der Geburt wiegen die ungefähr acht  bis zehn Kilo, ich hatte auch schon mal einen mit etwa 13 Kilo.

Wie verlieren die Heuler ihre Mutter?
Das kommt immer auf die Jahreszeit an. Jetzt im Juni ist ja praktisch die Geburtenzeit der Seehunde. Dann hängt es mit dem Wetter zusammen. Wenn wir schlechtes Wetter wie Sturm, Gewitter oder Springtiden haben, dann werden die von der Mama getrennt, weil sie dann nicht auf den Sandbänken liegen können. Dann schwimmen die mit der Mama zusammen, und dann kommt eine hohe Welle, und wenn es dann blitzt oder donnert, dann tauchen die ab und werden durch den Strom versetzt. Wir haben hier ja einen starken Ebbstrom, der hat so acht  Knoten. Und das ist eigentlich so die Hauptursache für Heuler.

Es gibt aber auch andere Ursachen. Es gibt zum Beispiel Passanten, die das arme Tier im Watt erstmal auf den Arm nehmen müssen, und an diese Tiere geht die Mutter nicht mehr ran, weil die dann eine andere Witterung haben. Die Seehunde können nämlich auch im Wasser reichen. Und wenn die Heuler erstmal angefasst wurden, können wir sie eigentlich direkt aufnehmen.

Und es gibt natürlich auch verletzte und schwer kranke Tiere, die wir dann erschießen müssen. Das passiert auch, ist hier uns aber zum Glück nicht so häufig.

Wie viele Heuler findest Du im Jahr?
Schwierig zu sagen. Im Schnitt sind es so 15 bis 20 Heuler im Jahr. Und dann kommen die anderen Funde und manchmal noch größere Tiere dazu.

Welches Futter bekommen die Heuler?
Die Heuler bekommen in der Seehundstation keine Kuhmilch, sondern eine Lachsemulsion. Der Fettanteil von Seehundmilch liegt bei 26 Prozent Fett, da ist also richtig viel Fett drin. Das kann man nicht mit unserer 3,5 Prozent Kuhmilch vergleichen. Nach jahrzehntelanger Forschung hat man sich deshalb auf diese Emulsion verständigt, da diese der Milch am nächsten kommt.

Was ist heute Morgen passiert?
Also der Heuler lag ja nicht direkt in Büsum, sondern ziemlich weit zurück in den Salzwiesen. Am Morgen rief mich ein Schäfer an – ich war gerade im Begriff aufzustehen, und meinte, dass dort ein Heuler zwischen seinen Schafen bei der Tränke läge. Dann bin ich da gleich hingefahren.

Der Heuler muss schon echt eine große Reise hinter sich gehabt haben und war sicherlich schon ein Tag von seiner Mama getrennt und ist dann immer weiter auf Land gekrabbelt. Die suchen sich dann ja immer eine gute Position, wo sie viel Land überblicken können, um dann nach ihrer Mutter zu rufen. Dieses Heulen ist eine Kommunikation zwischen Mutter und Baby. Soll heißen, jede Seehundmama erkennt ihr Baby anhand seines Heulens.

Nimmst Du so einen Heuler dann mit?
Also an der Stelle von heute muss man gar nicht überlegen. Aber wenn sie natürlich am Priel oder im Watt liegen eher nicht. Wir sind ja nicht bestrebt Heuler von ihren Müttern zu trennen. Also wir nehmen die Heuler am Priel oder im Watt eher nicht mit. Am Hauptstrand mit den ganzen Touristen schon. Aber das hängt immer von der Situation ab.

Wenn wir sie mitnehmen, bringen wir sie in die Seehundsstation und untersuchen die Tiere. Wir haben eine Ausbildung um den Zustand mariner Säuger, insbesondere Seehunde und Kleinwale, einzuschätzen. Wie untersuchen die dann auf Verletzungen und Beeinträchtigungen. Und wenn sie schwerverletzt sind, müssen wir sie auch erschießen.

Wir sind außerdem noch Jagdschutz berechtigt. Es gibt viele Menschen, die ihre Hunde ohne Leine durchs Watt jagen. Im Nationalpark gilt aber eigentlich der Leinenzwang, wenn jetzt zum Beispiel ein Hund einen Heuler abschleckt, dann geht die Mutter dann auch nicht mehr ran. Und manchmal beißen die sich dann auch. Wir hatten auch schon Seehunde mit Bisswunden, die fast tot gebissen wurden. Also freilaufende Hunde haben im Nationalpark Wattenmeer nichts verloren. Auch gibt es da ja viele Schafe. Also ohne Leine geht es einfach nicht, auch wenn es ein Hund ist, der gut hört.

WEITERLESEN:
https://www.nationalpark-wattenmeer.de/news/was-macht-eigentlich-ein-seehundjaeger/
https://www.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/Seehundjaeger-Karl-Heinz-Kolle-war-beim-Bundespraesidenten,seehundjaegerkolle100.html

Anmerkung der Redaktion: Das Gespräch wurde aufgezeichnet am 22.06.2021. Zur besseren Lesbarkeit wurde das Interview teilweise gekürzt, strukturiert und redigiert.