Kristian Dittmann

Seegrashandwerker und Meeresbiologe, Kappeln

>> Ich mache nichts kaputt, ich brauche kaum Ressourcen, ich tue keinem weh, es ist alles lieb bei mir. Weil das sehr selten geworden ist, würde ich sagen, dass diese vorindustrielle Produktion wie vor 200 Jahren, diese Handarbeit, eine Möglichkeit ist, in die Zukunft zu gehen. <<

Meeresmenschen-Audios

Darum geht´s: traditionelles Handwerk, Seegras, (traditionelle) Nutzung der Meere, nachhaltiges Unternehmen

Hört rein, was Kristian Dittmann zum Arbeiten mit Seegras, Seegrasernte und zukunftsfähigen Lebensmodellen zu sagen hat:

Meeresmenschen-Talk mit Kristian Dittmann: Im Einklang mit dem, was das Meer gibt

Wer bist Du und was machst Du?
Ich bin Kristian Dittmann aus Kappeln, selbstständiger Meeresbiologe und Betreiber einer kleinen Firma namens „Die Strandmanufaktur“, die Seegraskopfkissen produziert.

Welche Aufgaben hast Du in der Seegrasmanufaktur?
Als selbstständiger Ein-Mann-Betrieb macht man zunächst einmal alles. Die tatsächliche Arbeit besteht aber darin, in der zweiten Jahreshälfte nach Ostwind nach Eckernförde an den Strand zu fahren und dort dann mit Schubkarre und Forke Seegras zu ernten. Das wird dann auf einen Laster geladen und zu mir nach Hause nach Kappeln gefahren. Dort wird es mit Süßwasser gewaschen, getrocknet und schließlich in Kopfkissenhüllen gestopft. Damit ist das Produkt fertig. Insgesamt ernte ich im Jahr ungefähr 20 Kubikmeter Seegras, also so 20 Big Bags.

Plötzlich war ein Gedanke da: „Seegras ist Rohstoff“. Daraufhin habe ich eine Probe mitgenommen, diese gewaschen und dachte mir: „Ja ok, ist halt Seegras“.

Wie kam Dir die Idee, mit Seegras zu arbeiten?
Tatsächlich war die Initialzündung bei einem Strandspaziergang vor zehn Jahren an der Flensburger Außenförde, wo ganz viel Seegras lag. Plötzlich war ein Gedanke da: „Seegras ist Rohstoff“. Daraufhin habe ich eine Probe mitgenommen, diese gewaschen und dachte mir: „Ja ok, ist halt Seegras“. Damit bin ich dann aber zu einem Polsterer gegangen, der mir erzählt hat, dass Seegras die klassische Stopfwolle der Küste ist. Sie wurde immer benutzt, sie war immer gut und ist auch heute nicht schlecht. Dann habe ich angefangen, darauf alles aufzubauen.

Gerade weil es so traditionell ist, ist es in unserer Zeit höchst innovativ. Mein Betrieb funktioniert nach allen Regeln die Fridays For Future gut finden: Ich mache nicht kaputt, ich brauche kaum Ressourcen, ich tue keinem weh, es ist alles lieb bei mir. Weil das sehr selten geworden ist, würde ich sagen, dass diese vorindustrielle Produktion wie vor 200 Jahren, diese Handarbeit, eine Möglichkeit ist, in die Zukunft zu gehen. Vielleicht nicht als Automobilhersteller, aber für viele kleinere Betriebe, die das genauso machen können wie ich.

Was sind die Besonderheiten von Seegras?
Das Besondere am Seegras, so wie ich es verwende, ist, dass es die einzige Stopfwolle aus dem Meer ist und damit auch allen anderen Naturstopfwollen überlegen ist, denn die kommen alle vom Land. Was im Meer gewachsen ist, ist erstens ein Wasserprofi, Thema schwitzen, lüften, etc. und ist voller Bor und Iod. Das soll dazu führen, dass die Milben rausbleiben und es nicht schimmelt.

Also wenn man Beschwerden hat, niest, schwitzt, Nackenschmerzen oder Allergien hat, dann ist Seegras oftmals die Alternative mit der die Symptome abnehmen und die Leute tatsächlich besser schlafen.

Dazu ist Seegras als Blatt so dünn wie Kassettenband, wird also ganz schnell warm. Darauf zu liegen ist unglaublich angenehm und für viele Menschen sogar gesundheitserleichternd. Also wenn man Beschwerden hat, niest, schwitzt, Nackenschmerzen oder Allergien hat, dann ist Seegras oftmals die Alternative mit der die Symptome abnehmen und die Leute tatsächlich besser schlafen.

Wer könnte den Strand bewirtschaften?
An der deutschen Ostseeküste werden zwischen Flensburg und Usedom mehrere hunderttausende Tonnen Seegras im Jahr angespült. Manche Leute kriegen da jetzt die Dollarzeichen und denken, dass man da viel verdienen kann. Tatsächlich ist aber der Strand Gemeineigentum, gehört also jedem und niemandem.

Foto © Barbara Dombrowski

Zudem ist die Ernte auch total schwierig, weil sie vom Wind und der Küstenformation abhängt, sodass es sich vor allem für kleine Betriebe, junge Familien, Leute, die Bock haben am Strand zu arbeiten, eignen würde, sich ihren Strand zu suchen und den dann auf diese ganz alte Art zu bewirtschaften: Schauen, was er gibt der Strand und davon leben.

Das ist so im Einklang mit der Natur, dass ich mich freuen würde, wenn es in der nächsten Zeit vielleicht 25 Betriebe gibt, wo sich gerade die Fridays For Future Leute plus drum herum, mit dem Gedankengut und ihrem ganzen Leben vor sich, sich ihren Küstenabschnitt suchen, dort siedeln und arbeiten. Man braucht dafür keine Genehmigung und hat dann ein gesundes, einfaches und damit, in dieser Zeit, super zukunftsträchtiges Leben.

Findest Du immer Seegras?
Wenn ich in dritter Generation die Strandmanufaktur wäre und von meinem Großvater gelernt hätte, dann wäre ich vielleicht so schlau wie ein Fischer aus einer Fischerfamilie. Wo steht der Hering wann. Aber für mich ist es nach zehn Jahren noch immer so, dass ich zwar weiß, welche Faktoren eine Rolle spielen, also Ostwind, Jahreshälfte, Temperatur, Licht, wann laubt die Seegraswiese ab… – aber ob ich dann am Strand tatsächlich brauchbares Seegras finde, ist immer offen.

Das ist so im Einklang mit der Natur, dass ich mich freuen würde, wenn es in der nächsten Zeit vielleicht 25 Betriebe gibt, wo sich gerade die Fridays For Future Leute plus drum herum, mit dem Gedankengut und ihrem ganzen Leben vor sich, sich ihren Küstenabschnitt suchen, dort siedeln und arbeiten.

Ich bin oft genug mit leerem Laster frustriert wieder nach Hause gefahren. Bei einem kräftigen, auflandigen Sturm zum Beispiel, wollen die Leute mir am Strand immer auf die Schulter klopfen: „Ja, für dich ist heute ja ordentlich was dabei.“ Das Gegenteil ist der Fall. Wegen der großen Wellen versandet alles was angeworfen wird sofort, es wird eingespült und aufeinander geschmissen. Damit kann man dann überhaupt nicht arbeiten. Ein Sturm ist für mich also eine Vollkatastrophe.

WEITERLESEN:
https://strand-manufaktur.de/
https://ocean-summit.de/bildung/seegraswiesen-wunderwiesen/
Hier geht es zur Meerspektive mit Kristian Dittmann

Anmerkung der Redaktion: Das Gespräch wurde aufgezeichnet am 31.03.2021. Zur besseren Lesbarkeit wurde das Interview teilweise gekürzt, strukturiert und redigiert.