Inez Linke und Levent Piker

Geschäftsführende Gesellschafter*innen Ocean Well Kiel

>> Der Gedanke war, wie können wir die Meere nachhaltig nutzen, ohne sie zu schädigen oder damit sogar einen Gewinn für das Ökosystem schaffen. <<

Meeresmenschen-Audios

Darum geht´s: nachhaltiges Start-Up, Lebensmittel

Hört rein, was Inez Linke und Levent Piker zu Algenzucht, Wirkstoffen aus dem Meer und der Marke Ocean Well zu sagen haben:

Meeresmenschen-Talk mit Inez Link und Levent Piker: Den Algen auf der Spur

Wie kam es zu Ocean Well?
Levent Piker: Ich bin in Elmshorn geboren und hatte immer mehr die Nähe zur Nordsee und zur Elbe. Zu meiner Zeit war dort die anti-AKW-Bewegung, welche mich nachhaltig prägte und mich in Bezug auf die maritime und generelle Umwelt sensibilisierte. Wattenmeer und Marschen war so die Gegend, wo ich groß geworden bin.

Später studierte ich Biologie und spezialisierte mich auf Meeresbiologie. Im Institut für Meeresbiologie hatten wir eine tolle Ausbildung, waren wir sehr privilegiert, da wir die Möglichkeiten hatten bei Forschungsfahrten mitzufahren und ganz tolle Sachen machen konnten. Aber es hat sich doch relativ schnell rausgestellt, dass das ein geschlossener Elfenbeinturm war.

Heute mag das anders sein, also dass da heute mehr mit der Gesellschaft interagiert wird. Studenten treten mehr nach außen auf und auch ist das ganze Studium der Meeresbiologe internationaler geworden. Im Gegensatz zu damals findet ein direkter Austausch zur Gesellschaft statt. Das war damals überhaupt nicht so und das hatte mich und einige meiner Gefährten gestört, zu denen auch Peter Krost gehörte, sowie Susanne Heise und Christian Koch, mit denen wir dann unser erstes Unternehmen CRM gründeten. Aber das war so etwas, wo wir sagten, wir wollen näher an die Gesellschaft ran und das Teilen, was wir wissen und machen.

Das „Machen“ bezog sich erstmal auf den Begriff des integrierten Küstenzonenmanagements, das kannte man zu der Zeit in Deutschland noch gar nicht, also dass man die ökologischen und ökonomischen Aspekte an der Küste zusammenbringt. Zu der Zeit der späten 1980er, frühen 1990er Jahre hatte man das noch gar nicht auf der Reihe. So beschlossen wir dies in die Gesellschaft zu bringen, auch wenn wir anfangs kein Geld damit verdient haben, das „Konzept zur integrierten Bewirtschaftung der Küstenzonen“ zu verfassten. Unser erstes Geld verdienten wir mit Umweltstudien wie Umweltuntersuchungen aus Baggergut aus Häfen an der Küste, welches ausgehoben wurde.

Das war der Startschuss, unsere eigene Aquakultur zu gründen, und wir wollen zeigen, dass das nachhaltig funktioniert. Und dann kamen wir dazu, eine Algenfarm zu gründen, weil es die Art von Aquakultur ist, die am wenigsten Einfluss auf die Meeresumwelt, wenn nicht sogar ein positiver Effekt auf die Meeresumwelt hat.

Im Laufe der Zeit widmeten wir uns dem Problem der Aquakulturen und der Fischerei. Wir fragten uns, welche Auswirkungen die Fischerei und Aquakultur auf die Meeresumwelt hat. Da hatten wir auch eine Studie fürs Bundesumweltamt gemacht und kamen dadurch sehr intensiv mit dem Thema in Kontakt. Danach konnten wir an einem Forschungsprojekt der EU teilnehmen. Dort ging es um intensives Lachsfarming in Chile, weswegen wir die Auswirkungen der industriellen Aquakultur auch sehr gut kennen. Diese industriellen Aquakulturen haben uns sehr erschreckt.

Wir haben Wasserproben entnommen und Bilder gemacht und erkannten, dass es eine enorme Belastung für die Meeresumwelt ist. Auch konzeptionell ist es ebenfalls totaler Schwachsinn. Man fischt wertvolle Fische zu hunderttausenden Tonnen aus den Weltmeeren ab und verarbeitet sie zu Fischfutter und bringt sie zu den Küsten. Diese Ansammlung aus organischem Material an der Küste belastet die Umwelt irrsinnig. Auch die Gabe von Antibiotika gehört dazu.

Das war ein Punkt, wo wir uns entschlossen hatten, nicht nur Wissenschaft und Gutachten zu machen, sondern auch etwas zu verändern. Das war der Startschuss, unsere eigene Aquakultur zu gründen, und wir wollen zeigen, dass das nachhaltig funktioniert. Und dann kamen wir dazu, eine Algenfarm zu gründen, weil es die Art von Aquakultur ist, die am wenigsten Einfluss auf die Meeresumwelt, wenn nicht sogar ein positiver Effekt auf die Meeresumwelt hat. Der Gedanke war, wie können wir die Meere nachhaltig nutzen, ohne sie zu schädigen oder damit sogar einen Gewinn für das Ökosystem schaffen.

Also, wie man zum Beispiel einen Lebensraum für Fische schafft indem man dem System – im Falle der Ostsee ist das ja insbesondere überdüngung ein Problem – durch Düngemittel eingeführte Nährsalze entzieht und indem man CO2 bindet und 02 produziert. Das sind so Sachen, die damals mit unserer Algenfarm im Kleinen angegangen wurden, aber was sich zum Glück allmählich durchgesetzt hat.

In vielen Anreinerstaaten der Ostsee finden jetzt Algenkulturen statt, viele gibt es in Schweden. Es gibt auch einige in den Baltischen Staaten, die keine Aquakulturen sind, sondern die sich damit befassen, Rotalgen, die dort in Massen auftreten, den Systemen entnommen und nutzen diese nachhaltig, um daraus carrageen zu extrahieren und Kosmetik herzustellen.

Nachdem wir die Algen Aquakultur etabliert hatten, merkten wir, dass das schon Sinn macht, das zu Produkten zu verarbeiten.

Was ist eine Polykultur?
Levent Piker: In Polykulturen bildet man Ökosysteme nach, wo mehrere trophische Stufen drin sind. Diese bestärken sich gegenseitig. Also Muscheln scheiden im Meer Stoffe aus, diese nehmen die Algen auf und diese schaffen den Muscheln eine gute Umgebung, durch Sauerstoff und Aufnahme dieser Nährsalze.

Kann das eine Perspektive für Aquakultur sein?
Levent Piker: Aquakulturen sind nicht von sich aus schlecht, man muss sie nur richtig managen, wie in Norwegen zum Beispiel. In Chile ist das nicht so, da gleicht man nicht die Nährstoffe aus, die man dort hineinbringt. Man muss genauso viele Nährstoffe, die man durch die Fischzucht einbringt, kompensieren durch die Schaffung von Algen und Muschelfarmen.

Importiert Ihr Algen?
Levent Piker: Als noch vor zehn Jahren gab es noch fast gar nichts an Algen zu kaufen. Wir kauften dann zum Teil aus Irland wild geerntete Algen. Wildsammlungen sind, solange sie nachhaltig sind und es nicht übermäßig ist, vollkommen okay. Der Nachweis muss eben erbracht werden und das setzt sich erst jetzt so langsam durch. Also zertifizierter, dokumentierter Abbau, wo man sich sicher sein kann, dass es nachwächst.

Wenn man Algen vom Felsen abreißt, wachsen sie nicht nochmal nach. Somit ist ein gewisses biologisches Verständnis gefragt. Das ist auch bis heute unser Ansatz vorsichtig und nachhaltig zu arbeiten. Ich bin sehr froh drum, dass sich unsere Kosmetik gut verkauft und sich zu dem die Algenfarmen vermehrt haben, somit sind die vielen Algen, die wir nutzen auch weiterhin nachhaltig.

Wie verpackt Ihr Eure Produkte?
Levent Piker: Jede wirtschaftliche Aktivität ist erstmal mit der Frage verbunden: „Wie mache ich es nachhaltig? Wie mache ich es richtig?“ Wir sind jetzt gerade dabei, mit einem Partner aus der Verpackungsindustrie Möglichkeiten zu skizzieren, um nachhaltige Verpackungen zu nutzen.

Bei Öl-Wasseremulsionen sind auch viele Ansprüche an den Verpackungsrohstoff gestellt, damit es eben nicht durchweicht. Und auch der ausgewählte Rohstoff sollte nachwachsend sein. Mit Landpflanzen zu konkurrieren ist häufig schwer, da es die Lebensmittelkonkurrenz gibt. Es ist ein Balanceakt, mineralölbasierter Kunststoff ist nicht immer parse schlecht. Wenn man es recycelt, kann es auch gut sein. Leider gibt es zurzeit keine zufriedenstellenden Lösungen beider Möglichkeiten.

Könnte man Verpackung aus Algen verwenden?
Levent Piker: Algen für Verpackungen zu verwenden wäre Perlen für die Säue. Das ist so ein wertvoller Rohstoff mit so wertvollen Inhaltsstoffen, den man nicht so verwerten sollte, wenn man nicht genügend davon hat. Für solche Vorhaben sollte man meiner Meinung nach weniger wertvolle Reststoffe verwerten.

Wir dachten eher an sowas wie Treibsel, das eben von Natur aus an die Küsten treibt. Wobei auch das eine ökologische Funktion hat, und ein Biotop für Insekten, Vögel und viele weitere Tiere darstellt. Aber wenn man das mit den wirtschaftlichen Interessen abgleicht und die touristisch genutzten Strände anschaut, wo das Treibsel sowieso entfernt wird, dann wird es entweder verbrannt oder kompostiert. Die Möglichkeit dieses Treibel zu verarbeiten ist meiner Meinung nach sinnvoller als Algen zu nutzen.

Was ist Nanoplankton?
Levent Piker: Anfang der 1990er, als ich gerade noch am Institut für Meereskunde war, und sich dieses gerade in der Umfirmierung zum GEOMAR befand, entdeckte man das Nanoplankton. Also photosynthetische Mikroalgen, die am meisten an der CO2-Bindung im freien Wasser beteiligt waren. Noch viel mehr als das Phytoplankton, welches man unter den gröberen Mikroskopen gesehen hatte. Dieses Nanoplankton war so klein aber zahlreich in den Ozeanen vorhanden, dass es heutzutage als die Hauptaktiven in der CO2-Bindung in der Wassersäule gelten.

Als wir also von dem Projekt hörten gaben wir dem Olaf Geld, damit er das Geld vor Ort sinnstiftend unterstützend einsetzen konnte. Wir haben den Strand-Rangern zum Beispiel Handys finanziert, damit sie besser kommunizieren können.

Erzählt uns einmal mehr über Eure Marke OceanWell.
Inez Linke: Die Marke OceanWell haben wir zunehmend weiter aufgebaut. Dadurch dass wir auf einer Messe entdeckt wurden und so den Vertrieb weiter aufbauen konnten, funktioniert die Marke auch ohne dass wir externen Investoren hinzu ziehen mussten, die uns von Außen reinreden.

Das schöne ist, dass wir, als vor bald sechs Jahren aus roten Zahlen so langsam schwarze Zahlen wurden, ein Projekt gründeten, welches Protect the Ocean heißt. Just in diesem Zeitraum stieß ein befreundeter Biologe, der seinen Cousin in Westafrika besuchte, auf ein selbst errichtetes Meeresschutzgebiet nahe an einem Dorf. Nach Recherchen fand er heraus, dass es dort vier Schildkrötenarten gab, eine davon war die Lederschildkröte. Dortige Biologen haben mit einem Verein im Rücken und Bewohner*innen der anliegenden Dörfer aus Eigeninitiative ein Schutzgebiet aufgebaut. Mit Strand-Rangern aus den Dörfern.

Die Menschen im Dorf blieben also dort wohnen und aufgrund der Aufklärung schützte man die Schildkröten, anstatt sie zu jagen. Die Infrastruktur von dem Dorf war vorher schon gut. Es gab Schulen und die Menschen mussten kein Hunger leiden. Als wir also von dem Projekt hörten gaben wir dem Olaf Geld, damit er das Geld vor Ort sinnstiftend unterstützend einsetzen konnte. Wir haben den Strand-Rangern zum Beispiel Handys finanziert, damit sie besser kommunizieren können.

Es ist eine sehr schöne Initiative, die wir natürlich auch für PR und Marketing nutzen. Es ist ja auch nicht verwerflich, wenn eine echte Leidenschaft dahintersteckt. Darüber hinaus haben wir letztes Jahr den Verein One Earth One Ocean unterstützt. Die haben verschiedenste Projekte wie zum Beispiel die Seekuh, die Müll und Geisternetzte aus dem Meer fischt und an Bord sortiert.

WEITERLESEN:
www.oceanwell.de
www.meeresgarten.com

Anmerkung der Redaktion: Das Gespräch wurde aufgezeichnet am 23.04.2021. Zur besseren Lesbarkeit wurde das Interview teilweise gekürzt, strukturiert und redigiert. Das Gespräch wurde geführt mit Inez Linke und Levent Piker. Zur Ocean Well Geschäftsführung zählen darüber hinaus Christian Koch und Peter Krost.