Meerspektive: Biologin und Politikerin Silke Backsen

Innerhalb der Reihe „Meerspektiven“ stellen wir Euch vielseitige Berufe und Berufungen rund um die Meere vor. Egal ob eine Ausbildung, ein Studium oder ein Quereinstieg den Weg dorthin ermöglichen kann, egal ob große Karriere oder nebenberufliches Engagement, Ehrenamt oder Hauptjob. Wer möchte, findet viele Wege zu Meer. Dazu möchten wir Euch mit unseren Interviews und Infos inspirieren. Im folgenden Interview lernt Ihr die Biologin und Politikerin Silke Backsen kennen. Silke Backsen ist seit Juni 2022 Landtagsabgeordnete für die Wahlkreise Nordfriesland und Schleswig-Flensburg und stellvertretende Vorsitzende der Grünen Fraktion. Viel Spaß mit dieser Meerspektive!

Moin liebe Silke, magst du dich einmal vorstellen und uns sagen, wo wir uns hier gerade befinden?
Mein Name ist Silke Backsen. Ich bin Biologin und wohne auf der Nordseeinsel Pellworm. Dort sitzen wir auch gerade und schauen auf den kleinen Yachthafen. Gebürtig komme ich aus Dortmund, habe vier Kinder und bin jetzt Abgeordnete für die Grünen im Landtag in Schleswig-Holstein.

Weißt Du noch was dein schönster Meeresmoment war?
Also den schönste Meeresmoment gibt es bei mir gar nicht, aber ich finde es unglaublich faszinierend, wenn man jetzt in dieser Zeit, nachts  baden geht. Bei Sonnenuntergang ist das Meeresleuchten so faszinierend und unglaublich schön.

Wenn Du aufs Meer schaust, siehst Du eher die Probleme oder kannst Du auch mal abschalten und den Moment genießen?
Man muss abschalten können, weil sonst würde man in der heutigen Zeit oder in den gegenwärtigen Krisen grenzwertig krank werden. Das ist die große Ambivalenz, in der wir uns alle befinden, dass man die Gefahren immer sieht, aber trotzdem das Schöne genießen möchte. Ich finde es halt immer schön in der Natur zu sein.

>>Ich würde mir wünschen, dass in beiden Meeren die Bewirtschaftung besser funktionieren würde. Dass man einfach deutlich mehr Rückzugsraum für die Arten hat, die in diesen Meeren leben und dass die Einträge der Landwirtschaft wie Düngemittel oder Schadstoffe aus den Flüssen einfach schlagartig aufhören würden.>>

Könnte man drei Probleme der Nordsee und Ostsee direkt mit einem Fingerschnipsen beheben, welche würdest Du auswählen?
Wow, das ist das finde ich echt sehr schwierig! Mit einem Fingerschnipsen also. Ich würde mir wünschen, dass in beiden Meeren die Bewirtschaftung besser funktionieren würde. Dass man einfach deutlich mehr Rückzugsraum für die Arten hat, die in diesen Meeren leben und dass die Einträge der Landwirtschaft wie Düngemittel oder Schadstoffe aus den Flüssen einfach schlagartig aufhören würden.

Silke Backsen und ihre Tochter Sophie im Interview im Yachthafen auf der Insel Pellworm. 

Was hat Dich dazu bewegt in die Politik zu gehen und ist der Beruf auch gleichzeitig für Dich Berufung?
Der Grund, warum ich in die Politik ging war der, dass ich richtig Lust hatte, etwas zu bewegen und zu verändern.  Zumal ich auch noch gar nicht so lange in der Politik bin und so als normaler Mensch in die Politik schlitterte.  Meiner Meinung nach sollte jeder Beruf Berufung sein. Das glaube ich zumindest wirklich, dass man immer in sich hören muss und sich fragen sollte: „Mache ich das richtige und ist das meine Berufung?”. Das ist schon ein bisschen bei mir so.

War Politikerin zu sein schon immer Dein Traumberuf?
Mein Traumberuf, den habe ich. Ich bin Biologin. Das ist mein Traumberuf. Ich liebe es in der Natur zu sein, und ich liebe es auch Naturschützerin zu sein und vor allem die Meere zu schützen.  Aber für mich ist Politikerin zu sein schon so eine Berufung zu sagen: “So, das ist jetzt für mich ein neuer Abschnitt, und jetzt versuche ich eben an anderen Stellschrauben etwas zu bewegen.”

[…]Ich liebe es in der Natur zu sein und ich liebe es auch Naturschützerin zu sein und auch die Meere zu schützen.[…]


Wie sieht ein typischer Berufstag von Dir aus?
Wir haben da schon einen strukturierten Zeitplan. Es gibt Plenarwochen, Facharbeitskreise und gemeinsame Arbeitskreise mit dem Koalitionspartner. Das sind dann drei bis vier Tage in der Woche in denen man quasi im Landtag oder im Landeshaus sein muss, da viele Sitzungen und Ausschüsse anstehen.  Ansonsten kann man sich das Drumherum relativ freigestalten. Das ist eigentlich auch das Schöne an dem Beruf.

In der verbleibenden Zeit bin ich dann in den Wahlkreisen oder im Land unterwegs. Man lernt unglaublich viele Menschen kennen und kann viele Projekte eben auch begleiten. Es ist viel Input, man vernetzt sich mit Menschen, man macht Anderen Mut und versucht dann politische Lösungen zu finden oder einen anderen Weg aufzuzeigen.  Das finde ich tatsächlich gerade sehr großartig.

Fotoquelle: Facebook

Quelle: www.gruene-nf.de

Was würdest Du jungen Menschen raten, die sich politisch engagieren wollen?
Es ist wichtig, dass sich gerade junge Menschen engagieren, aktiv werden und sich politisieren. Das kann auf so vielen unterschiedlichen Ebenen passieren. Eine Art von Politisierung ist, dass man eben auf die Straße geht und aktiv bleibt. ”So, wir sind hier! Wir sind laut und es muss sich was ändern!”, das ist die Mentalität, die damit einhergeht.

Also einfach klare harte Forderungen stellen. In den Städten gibt es schon viele junge Menschen, die politisch aktiv sind. Es gibt aber eben auch viele junge Menschen denen es mehr oder weniger egal ist. Das Wichtige ist, dass jede und jeder auf seine Weise politisch aktiv werden kann. Egal was man macht. Es gibt, egal wo man lebt, 1000 Möglichkeiten und Schritte politisch aktiv zu werden. Ich glaube, junge Menschen müssen aufstehen, wach werden und für ihre eigene Zukunft kämpfen. Das ist das Wichtigste!

[…] Es gibt, egal wo man lebt, 1000 Möglichkeiten und Schritte politisch aktiv zu werden. Ich glaube, junge Menschen müssen aufstehen, wach werden und für ihre eigene Zukunft kämpfen. Das ist das Wichtigste!

Gibt es aus Sicht der Grünen seit Bildung der neuen Landesregierung Schleswig-Holsteins im Juni 2022 schon konkrete Erfolge in Sache Klima- und Meeresschutz und für welche Themen setzt Du Dich am meisten ein?
So schnell ändert sich in der Politik nichts. Aber was wir in den Koalitionsvertrag geschrieben haben, ist der Nationalpark Ostsee, der auf den Weg gebracht werden soll. Mit der Legislaturperiode soll dann weiter evaluiert werden, ob das Projekt möglich ist oder nicht.  Das hört sich jetzt so nach vielen Phrasen an, aber für mich ist es sehr konkret, weil ich einfach in der Sommerpause auch gemerkt habe, dass es mein Herzensprojekt ist.

>> So schnell ändert sich in der Politik nichts. Aber was wir in den Koalitionsvertrag geschrieben haben, ist der Nationalpark Ostsee, der auf den Weg gebracht werden soll. (…) für mich ist es sehr konkret, weil ich einfach in der Sommerpause auch gemerkt habe, dass es mein Herzensprojekt ist.>>

Vor allem ist es extrem wichtig wirklich alle Beteiligte miteinzubeziehen. Das haben wir ja gerade hier an der Westküste gemerkt. Hier wo der Nationalpark entsteht bzw. ein Biosphärenreservat schon entstanden ist. Es kann eben nur mit den Menschen vor Ort gehen. Das ist mein großes Ziel! Gerade auch jetzt in der Energiekrise und in der Klimakrise.  Wir sehen wir brauchen überall Windkraft, dann muss es eben ein Miteinander mit der Natur und den lokalen Menschen geben.

Die Ziele sind natürlich gigantisch, vor allem wenn man überlegt, wo die Mühlen alle stehen sollen. Diese verrückten Zeiten und das jahrzehntelange Verschleppen bringen uns in diese Lage. Ich will nicht immer nur zurückschauen, da ich eigentlich ein optimistischer Mensch bin, der nach vorne schaut.  Die Grundlage oder die Realität, in der wir uns jetzt befinden, ist eben ein Ergebnis der letzten Jahrzehnte, in denen das vernachlässigt worden ist und umso dringender muss es jetzt angegangen werden!

Welche Bedingungen müssen geschaffen werden, damit Landwirtschaft und Fischerei nicht nur wirtschaftlich, sondern auch nachhaltig betrieben werden können?
Die Stellschrauben was Landwirtschaft und Fischerei anbelangt werden in der EU gestellt. Da können wir im Landtag nicht so viel machen.  In Brüssel werden die ausschlaggebenden Entscheidungen der Bereiche getroffen.  Meiner Meinung nach ist es jedoch dringend notwendig, dass es eine deutlich nachhaltigere und ökologischere Landwirtschaft gibt, da man eben schon jetzt in der Krise viele Probleme sieht.  Leider wurden vor einem Jahr viele ökologische Maßnahmen ausgesetzt. Flächenstilllegungen als Beispiel sind weiterhin im Gespräch.  Fakt ist, dass wir eine zukunftsfähige Landwirtschaft brauchen und dass diese ökologischer sein muss.

Vom Bund müssen ebenso bessere Vorgaben kommen und auch die  Konsumenten müssen sich fragen: „Was esse ich?  Wie ernähre ich mich? Wie lebe ich?“. Wenn ich viel Geld verdiene,  kann ich auch viel Geld ausgeben und wenn ich eben ohnehin schon ganz knapp bin, dann dürfen Lebensmittel eben nicht Luxusgut sein. Die Biolebensmittel sind zu teuer, der Rest ist zu billig und das muss anders gesteuert bzw. anders gestaltet werden, Fernab davon, muss meiner Meinung nach, der weltweit immer noch unverminderte Einsatz von Pestiziden aufhören. Wir rotten damit unsere Arten aus, wie nichts anderes!

Die Fischerei ist nochmal ein ganz anderes Thema. Da gibt es, wenn ich jetzt hier den Hafen gucke, die Familienbetriebe, die eben Krabben fischen und die großen Troller mit größeren Fangeinheiten. Die Fischerei mit ihren Trollern rottet, wie sie es momentan betreibt, die Meere aus und das darf es eben nicht sein. Wir gehen in Restaurants und essen Fischarten, die hier überhaupt nicht heimisch sind oder die eben aus Fisch-Farmen kommen. Diese Farmen verfüttern wild gefangenen Fisch, um die Farm-Fische zu ernähren.

>> […] Wir übernutzen unseren Planeten ja komplett. Es ist einfach zu viel Mensch und zu wenig Planet. Alle Ressourcen werden momentan über die Grenzen hinaus ausgeschöpft.>>

Dieses Verfahren ist komplett ineffizient und zerstört zudem noch die Artenvielfalt der Meere. Wir Menschen müssen einfach anfangen ein bisschen aufmerksamer zu konsumieren in dem man sagt: „Sowas darf nicht mehr passieren! Dem muss Einhalt geboten werden!“ Nachhaltig heißt auch, dass man letztendlich immer so viel aus Systemen wegnimmt wie selbst nachkommt. Wir übernutzen unseren Planeten ja komplett. Es ist einfach zu viel Mensch und zu wenig Planet. Alle Ressourcen werden momentan über die Grenzen hinaus ausgeschöpft.

VIELEN DANK FÜR DEINE ZEIT UND DEINE MEERSPEKTIVE, SILKE BACKSEN!

Interview und Titelfoto: Niklas Hähnlein, Praktikant beim Ocean Summit

Mehr zu Silke Backsen:
Homepage: www.silkebacksen.de
Instagram: www.instagram.com/silkebacksen

Du möchtest mehr Meerspektiven entdecken?
Hier haben wir Euch unser Interview mit der Meeresschützerin Jennifer Timrott verlinkt.