Meerspektive: Marine Umweltwissenschaftlerin Svea Vollstedt
Innerhalb der Reihe „Meerspektiven“ stellen wir Euch vielseitige Berufe und Berufungen rund um die Meere vor. Egal ob eine Ausbildung, ein Studium oder ein Quereinstieg den Weg dorthin ermöglichen kann, egal ob große Karriere oder nebenberufliches Engagement, Ehrenamt oder Hauptjob. Wer möchte, findet viele Wege zu Meer. Dazu möchten wir Euch mit unseren Interviews und Infos inspirieren. Im folgenden Interview lernt Ihr die Marine Umweltwissenschaftlerin Svea Vollstedt kennen. Viel Spaß mit dieser Meerspektive!
Moin liebe Svea, schön dass du Zeit hast uns im Rahmen der Meerspektiven einen Einblick in dein Masterstudium marine Umweltwissenschaften und die Zeit bei dem Programm GAME zu geben. Aber stell dich doch erstmal den Leser*innen vor: Wer bist du, woher kommst du, was machst du zurzeit?
Moin, ich bin Svea, komme ursprünglich aus der Nähe von Kiel und bin für mein Studium nach Bremen gezogen. Rückblickend genau die richtige Entscheidung, da ich vor zwei Wochen meine Masterarbeit abgegeben habe und eine unvergessliche Studienzeit hier hatte. Im April werde ich anfangen in der Arbeitsgruppe Marine Ökologie an der Universität Bremen zu arbeiten. Ich freue mich riesig auf den Start und bin gespannt auf die neuen Herausforderungen.
Erzähl uns doch mal, woher eigentlich deine Liebe zum Meer kommt?
Es gibt kein bestimmtes Ereignis, das meine Liebe zum Meer ausmacht. Vielmehr ist es ein Gefühl, dass sich jedes Mal in mir ausbreitet, wenn ich in die Wellen springe oder einfach aufs Wasser blicke. Ruhe, Gelassenheit und Zufriedenheit. Dadurch, dass ich am Wasser groß geworden bin, ist dieses Gefühl auch ein Gefühl von Heimat und das Schöne daran ist, dass ich dieses Gefühl auf der ganzen Welt haben kann.
Wie bist du auf die Idee gekommen marine Umweltwissenschaften zu studieren? Was hat dich besonders fasziniert an deinem Studium und welche Hürden gab es für dich?
Bevor ich den Master in marinen Umweltwissenschaften an der Universität Oldenburg anfing, habe ich einen Bachelor in Biologie mit Schwerpunkt Meeresbiologie in Bremen gemacht. Ich wusste schon früh, dass ich unbedingt am Meer arbeiten möchte. Den Masterstudiengang habe ich aufgrund der flexiblen Wahlmöglichkeiten der Kurse und der Möglichkeit eines kombinierten Auslandsaufenthalts ausgewählt. Der Start wurde mir durch die Pandemie erschwert, denn ich musste mit zwei Onlinesemestern beginnen. Doch in dieser Zeit waren die großen Wahlmöglichkeiten an Kursen aus verschiedenen Fachbereichen, wie z.B. regionale Ozeanographie oder ökologische Meeresgenetik, sehr hilfreich, aus denen ich völlig neue Themenbereiche für mich entdecken konnte. Nach der langen Zeit vor dem Bildschirm war ich umso glücklicher, als ich auf das Abschlussprojekt GAME vom GEOMAR gestoßen bin. Dort durfte ich für ein halbes Jahr in den wunderschönen Norden Spaniens, in die traditionell geprägte Stadt Vigo. Besonders dankbar bin ich für die Praxiserfahrung, die ich dort sammeln durfte und das Netzwerk an tollen Menschen, denen ich in meiner beruflichen Zukunft hoffentlich noch ein zweites Mal begegnen werde.
Würdest du rückblickend einige Dinge anders machen?
Ja, ich würde früher anfangen mich mit anderen Wissenschaftler*innen zu vernetzen. Während meines Bachelors, hatte ich großen Respekt vor Dozierenden und habe mich selten getraut in den Austausch zu gehen. Das Problem hat sich, während der Onlinesemester in Oldenburg noch verschärft, da ich keine direkten Kontakte nach einer Vorlesung hatte. Im GAME Programm hat uns unser Betreuer Mark Lenz vorgelebt, den direkten Kontakt zu suchen und uns gegenseitig auf Augenhöhe zu begegnen. Das hat mir Mut gegeben offener in den Diskurs zu gehen und so konnte ich in Vigo ein großes Netzwerk aufbauen und effektiv mit meinen Vorgesetzten zusammenarbeiten. Heute weiß ich, dass gerade der Austausch mit erfahrenen Kolleg*innen wertvoll ist und das man sich nur trauen muss, den Kontakt aufzubauen.
Wie wurde der Meeresschutz in deinem Studium integriert?
Leider wurde der Meeres- und Küstennaturschutz nicht sehr intensiv in meinem Studium behandelt und ich habe nur einen spezifischen Kurs „Naturschutzbiologie und Naturschutz“ an der Universität Bremen belegen können. Darin habe ich unter anderem die Basics über Naturschutzgebiete und bedrohte Arten gelernt, allerdings habe ich mir einen tieferen Einstieg in den Naturschutz gewünscht. Daher habe ich im Sommer 2020 ein Praktikum beim BUND Meeresschutzbüro in Bremen gemacht und engagiere mich ehrenamtlich im Arbeitskreis Meer und Küste. Hier kann ich aktiv Küsten- und Naturschutz diskutieren und betreiben. Mir macht es besonders Spaß mich mit anderen Meeresbegeisterten aus verschiedenen Bereichen auszutauschen und gemeinsam Aktionen zu planen. Ich finde es wichtig auch außerhalb der Arbeit engagiert zu sein und mein Wissen nicht nur mit anderen Wissenschaftler*innen sondern auch mit der Öffentlichkeit zu teilen.
>> Das hat mir Mut gegeben offener in den Diskurs zu gehen und so konnte ich in Vigo ein großes Netzwerk aufbauen und effektiv mit meinen Vorgesetzten zusammenarbeiten. Heute weiß ich, dass gerade der Austausch mit erfahrenen Kolleg*innen wertvoll ist und das man sich nur trauen muss, den Kontakt aufzubauen. <<
Stell uns doch noch einmal das Programm GAME vor, bei dem du im Rahmen deines Masters teilgenommen hast. Was macht GAME so besonders und wie hast du die Zeit erlebt?
GAME (Globaler Ansatz durch Modulare Experimente) ist ein internationales Forschungs- und Ausbildungsprogramm für Studierende der Biologie und der Umweltwissenschaften. Es wurde 2002 am damaligen Vorgängerinstitut des GEOMAR gegründet und ermöglicht es jungen Wissenschaftler*innen die Auswirkungen des Globalen Wandels auf Küstenmeere zu untersuchen. Bei GAME geschieht dies auf eine sehr umfassende Weise: alle Fragestellungen werden vergleichend über geographische und klimatische Grenzen hinweg untersucht. Hierzu werden jedes Jahr – zu einem bestimmten Thema – zeitgleich identische Experimente an bis zu 10 Standorten weltweit durchgeführt. Dieser modulare Ansatz, der in der Meeresforschung bislang einzigartig ist, führt zu besonders aussagekräftigen Forschungsergebnissen. Denn die gewonnenen Daten beschränken sich nicht nur auf ein einziges Ökosystem, sondern zeichnen ein allgemeines Bild – von den Tropen bis in die hohen Breiten.
Ganz besonders spannend war für mich der Teamaspekt den GAME in den Mittelpunkt stellt. Insgesamt können bis zu 8 deutsche Studierende in einem Projektjahr an GAME teilnehmen und bekommen jeweils eine Partnerin, oder in meinem Fall einen Partner, aus dem Ausland zugeteilt.
Ich hatte einen zuverlässigen spanischen Gamie an meiner Seite, mit dem nicht nur die Arbeit an den Experimenten leichter war, sondern der mir auch die Sprache und Kultur nähergebracht hat. Auch mit den Gamie’s aus ehemaligen Jahrgängen habe ich den Kontakt gesucht und so schnell ein tolles Netzwerk an Freunden geknüpft. Insgesamt habe ich die Zeit sehr genossen und bin davon überzeugt, dass vor allem der Netzwerkgedanke von GAME mein Leben auch in Zukunft positiv beeinflussen wird.
>> Auch mit den Gamie’s aus ehemaligen Jahrgängen habe ich den Kontakt gesucht und so schnell ein tolles Netzwerk an Freunden geknüpft. Insgesamt habe ich die Zeit sehr genossen und bin davon überzeugt, dass vor allem der Netzwerkgedanke von GAME mein Leben auch in Zukunft positiv beeinflussen wird. <<
Was war dein schönstes Erlebnis in der Zeit in Spanien?
Es gab unglaublich viele schöne Erlebnisse in dem halben Jahr, doch ganz besonders gefallen hat es mir nach der Arbeit direkt an den Strand zufahren und die Nachmittage am Meer zu genießen. Die langen und warmen Abende, das (sehr) späte Abendessen und die bis spät in die Nacht belebten Straßen haben mir auch an Arbeitstagen ein Urlaubsgefühl gegeben. Darüber hinaus hat die Feldarbeit an der Küste, bei der wir Seeigel in Gezeitenpools gesammelt haben, sehr viel Spaß gemacht.
Hast du nach der Zeit bei GAME noch einmal überdacht, in welchem „Arbeitsfeld“ und wo du später arbeiten möchtest?
GAME hat mich in meiner Liebe zum Meer und seinen Lebewesen bestärkt, da die Praxisarbeit am Meer mich erfüllt und glücklich macht. Die wichtigste Erkenntnis, die ich für meine berufliche Zukunft aus dieser Zeit mitnehme, ist, dass ich unabhängig arbeiten möchte. Im GAME Programm hatte ich wenig Vorgaben und konnte Entscheidungen eigenständig treffen. Diese Arbeitsweise gefällt mir und ermöglicht mir effektives und effizientes Arbeiten. Außerdem bietet der Freiraum die Gelegenheit eigene Schwerpunkte zu setzen und ein Schwerpunkt sollte aus meiner Sicht noch häufiger die Wissenschaftskommunikation sein.
Wie könnte man deiner Meinung nach Wissenschaft besser mit der Öffentlichkeit kommunizieren?
Wissenschaftskommunikation ist ein weites Feld, in der es unzählige Möglichkeiten, wie zum Beispiel Printmedien, Fernsehbeiträge, Aktionstage oder Social Media Plattformen, gibt, um Wissen an die Öffentlichkeit zu vermitteln. Leider habe ich während meines Studiums erfahren, dass die Kompetenzen, die man für diese wichtige Arbeit braucht, kein Bestandteil des Studiums sind. Erst während der begleitenden Kurse des GAME Programms wurde ich für die Kommunikation mit fachfremdem Publikum geschult.
>> Wissenschaftskommunikation ist ein weites Feld, in der es unzählige Möglichkeiten […] gibt, um Wissen an die Öffentlichkeit zu vermitteln. Leider habe ich während meines Studiums erfahren, dass die Kompetenzen, die man für diese wichtige Arbeit braucht, kein Bestandteil des Studiums sind. Erst während der begleitenden Kurse des GAME Programms wurde ich für die Kommunikation mit fachfremdem Publikum geschult. <<
Wir haben die Bedeutung von Wissenschaftskommunikation diskutiert und hands-on Blogbeiträge geschrieben, Social Media Beiträge gestaltet und Vorträge gehalten. Aus meiner Sicht sollte diese wichtige Arbeit, einen höheren Stellenwert in der Ausbildung junger Wissenschaftler*innen und auch der wissenschaftlichen Arbeit haben. Nicht jede Ozeanographin oder jeder Meeresbiologe muss ihre oder seine Experimente in TikTok-Videos erklären, aber die übergeordneten Arbeitsgruppen sollten dem Thema, meiner Meinung nach, noch mehr Aufmerksamkeit widmen. Gerade junge Menschen können über Social Media Plattformen angesprochen und begeistert werden. Und am besten funktioniert das, wenn man es einfach macht.
Was planst du nun für deine Zukunft?
Mein nächster Schritt in die erste befristete Anstellung an der Universität Bremen steht schon fest. Dort werde ich im Sekretariat für das internationale Korallenriff Symposium (ICRS) arbeiten und freue mich darauf die weltweit bedeutendste Konferenz über die Ökosysteme der Korallenriffe mitzugestalten. Gern würde ich nach dem Sommer eine Doktorandenstelle beginnen und eine wissenschaftliche Karriere starten.
Was würdest du den Leser*innen mit auf den Weg geben, die sich für ein Studium in marinen Umweltwissenschaften interessieren oder sich für das GAME Programm bewerben wollen?
Für ein Studium an der Uni Oldenburg kann ich alle Bachelorabsolvent*innen bestärken, die Lust haben Kurse aus verschiedenen Bereichen zu wählen und so ihren eigenen Schwerpunkt zu setzen. Falls ihr Fernweh habt und gern einen Auslandsaufenthalt in euren Master integrieren wollt, dann ist GAME genau das richtige. Ihr bekommt nicht nur die Möglichkeit ins Ausland zu gehen, sondern auch am Vorbereitungs- und Nachbereitungskurs teilzunehmen und von einem großen Netzwerk an ehemaligen GAME Studierenden zu profitieren.
Ich habe schon häufiger gehört, dass Interessierte vor einer Bewerbung zurückschrecken, weil sie denken, sie seien nicht qualifiziert genug… mein Rat ist: bewerbt euch einfach. GAME ist kein überlaufenes Programm und ich bin an den Aufgaben gewachsen und das könnt ihr auch.
Vielen Dank, Svea!
Ein Interview von Saskia Wall, Studierende am GEOMAR Kiel und Praktikatin des Ocean Summit
Ihr wollt mehr über Svea und ihre Zeit bei GAME erfahren?
Am 05.04.2022 um 19 Uhr haben Svea und drei weitere Gamie’s über Zoom einen Vortrag über ihr Projekt Lichtverschmutzung gehalten.
Das Video dazu findet ihr hier!
Wenn ihr mehr über GAME erfahren wollt, dann schaut doch mal bei der Seite vom GEOMAR vorbei. Falls ihr auch so begeistert von dem Projekt seid: Für 2023 könnt ihr euch jetzt bewerben!
Euer Interesse für einen Master in der marinen Umweltwissenschaft wurde geweckt? Dann könnt ihr euch hier nähere Infos zu dem Studiengang an der Universität in Oldenburg anschauen.