Lauschen zwischen ruhigen Riesen: LeseMeer mit Dagmar Röhrlich und Till Hein

Lauschen und Staunen: Am Freitag, den 22. April, fand im Zoologischen Museum Kiel die vom Ocean Summit organisierte LeseMeer Duolesung „Wunderwesen im Meer“ statt. Zu Gast waren die mare-Autor*innen und Wissenschaftsjournalist*innen Dagmar Röhrlich, die aus „Tiefsee“ vorlas, und Till Hein, der sein Buch „Crazy Horse“ mitbrachte. Die rund 50 Zuhörer*innen durften in der großen Walhalle des Zoologischen Museums, zwischen kleinen und großen Walskeletten Platz nehmen und den beiden Vortragenden für neunzig Minuten gebannt lauschen. Die ruhigen Riesen untermalten mit ihrer Aura den Verlauf eines entspannten Abends.

Den Anfang machte Dagmar Röhrlich (Dagmar Röhrlich im Interview >). Sie nahm das Publikum mit auf eine Reise, tief unter die Wasseroberfläche. In ihrem Sachbuch „Tiefsee“ beschreibt sie die Arbeit von Tiefseeforscher*innen der Vergangenheit und Gegenwart, die in tausenden Meter Tiefe erstaunliche Entdeckungen machen: In der Dunkelheit, wo Sonnenstrahlen schon lange nicht mehr hinreichen, wimmelt es vor Lebewesen. Forscher*innen kamen zu der Erkenntnis, dass bis zu neunzig Prozent der Lebewesen, davon sind die Mehrheit Bakterien und Mikroorganismen, in den Tiefen der Ozeane und Meere eigene Leuchtkörper haben. Eins der bekanntesten Beispiele ist der Anglerfisch, der seinen Leuchtkörper als Köder an einer Antenne trägt. So dunkel ist es dortunten also gar nicht!

Dagmar Röhrlich liest aus einem Buch in der Walhalle des Zooglogischen Museums Kiel, in der Walskelette ausgestellt sind.

Dagamar Röhrlich liest aus ihrem Buch „Tiefsee“ in der Walhalle des Zoologischen Museum. © Elias Tetzlaff

Einen größeren Abschnitt der Lesung widmete Dagmar Röhrlich der sogenannten „Lost City“ (verlorene Stadt). Inmitten des Nordatlantiks türmt sich das Manhattan der Tiefsee auf. Durch tektonische Kräfte wurde ein Stück Erdmantelgestein an die Oberfläche gezerrt. Im ersten Moment ein ruhiges Bild von langen Steinkaminen. Beim zweiten Hinschauen, so Röhrlich, sieht man, wie es um die Lost City herum anfängt zu schneien. Natürlich ist das kein echter Schnee. Dagmar Röhrlich beschrieb mit ihren detaillierten und fesselnden Sätzen eine chemische Reaktion zwischen einer heißen Mixtur aus Methan, Schwefelwasserstoff, Wasserstoff und Kohlendioxid und dem kalten Meerwasser. Es entstehen weiße Flocken aus Kalk und Magnesiummineral. Dagmar Röhrlich führte das Publikum im nächsten Abschnitt mit ihren Worten, wie durch eine Lupe, näher an die heißen Quellen heran. Was von weitem wie eine Geisterstadt mit kargen Türmen aussah, verwandelt sich in eine viel bewohnte Großstadt. Die Zuhörer*innen erfuhren, dass sich an den Kaminen der „Lost City“ Kolonien von Mikroorganismen angesiedelt haben und sie mit der Stadt (den Hydrothermalquellen) in einer Art Symbiose leben und sich somit gegenseitig am Leben halten.

Im zweiten Teil der Lesung las Till Hein (Till Hein im Interview >) aus seinem Buch „Crazy Horse“ vor und nahm Publikum mit in die bunte, lustige und teilweise doch recht verrückte Welt der Seepferdchen. Seepferdchen gehen auf Fernreisen, Seepferdchen kommen in China auf den Grill, Seepferdchen wurden schon in Pulverform als Potenzmittel verkauft, und Seepferdchen sind eigentlich Fische. Bei den Zuhörer*innen löste es den einen oder anderen Lacher aus. Die Tiere stecken voller Überraschungen. Till Hein verriet, dass das Seepferdchen uns historisch längst begleitet. Schon in griechischen Sagen spielen die kleinen Meeresbewohner eine Rolle. Der Autor erzählte auch, dass Seepferdchen möglicherweise die Vorgänger des Springerpferds beim Schachspiel waren. Bei dem Gedanken darab, dass die kleinen Unterwasserwesen auch als Glücksbringer für Seeleute gelten, konnte man als Zuhörer*in nur schmunzeln: das passt einfach.

Till Hein las bei der Duolesung aus seinem Buch „Crazy Horses“ vor. © Elias Tetzlaff

Till Hein las bei der Duolesung aus seinem Buch „Crazy Horses“ vor. © Elias Tetzlaff

Nach der Lesung lud das Zoologische Museum zusammen mit dem Ocean Summit alle Gäste dazu ein, einen Rundgang durch die Räumlichkeiten des wunderschönen Gropius-Baus zu machen. Die Zuhörer*innen konnten sich bei dieser Gelegenheit noch mit den Autor*innen austauschen und Fragen stellen. Passend dazu stand Dagmar Röhrlich dazu in der Tiefseeausstellung bereit. Till Hein positionierte sich neben dem Mondfisch, denn eine Seepferdchenausstellung besitzt das Museum noch nicht. Zurück in die Eingangshalle des Museums bestand die Möglichkeit am Büchertisch Halt zu machen, der in Zusammenarbeit mit dem Zapata Buchladen aus Kiel aufgestellt wurde. Es konnten die Bücher der Lesung erworben werden, um sich dann auch noch eine Signierung der Autor*innen zu holen. Beim Blick ins Buch „Tiefsee“ fanden die Gäste die detaillierten und farbigen Illustrationen von Jan Feindt, die Röhrlichs sachlichen Inhalt visuell unterstreichen. Das Kinderbuch „Die Tiefseetaucherin“ (Katapult Verlag), das Teil der LeseMeer Lesung für Kinder, am Freitag, dem 29. April sein wird, wurde auch ausgestellt, und man konnte einen ersten Blick auf Julis Tiefseereise im U-Boot Ulf werfen.

Das Team vom Ocean Summit bedankt sich beim Team des Zoologischen Museum, bei dem tollen Publikum und allen voran bei Dagmar Röhrlich und Till Hein für ein wunderbares LeseMeer!

Text: Rebekka Olschewski / Praktikantin Ocean Summit