OceanUp SH: Fair Fashion vom Kieler Label sea it clothing

Unter dem Motto OceanUp SH stellt Euch der Ocean Summit Kiel regelmäßig StartUps und Projekte aus Schleswig-Holstein vor, die sich mit ihren Ideen, Aktionen und Innovationen für die Meere engagieren. Heute geht es gemeinsam mit den beiden Kielern Leo (Bild oben rechts) und Jonas (o.l.) in die Fashionbranche. Gemeinsam haben die Yooweedoo-Gewinner das nachhaltige Klamottenlabel „sea it clothing“ gegründet. Im Interview verraten die 23-Jährigen Euch, wie sie auf die Idee kamen, warum sie in der Fast Fashion Welt von Kiel aus ein Statement setzen wollen, was die beiden und ihr Label mit dem Meer verbindet und welche Ziele sie sich für die Zukunft gesteckt haben.

Moin Jonas, hey Leo, erzählt uns doch erst einmal kurz wer ihr eigentlich seid, was Ihr so macht und was euch miteinander verbindet.
Hallo zusammen! Wir sind Leo und Jonas, zwei Geographie-Studenten der CAU Kiel. Zusammen sind wir die Gründer von sea it clothing, unserem kleinen Fair-Fashion-Label. Wir kannten uns aber schon vor der Gründung gut. Über die Uni haben wir uns angefreundet und so ist es keine Seltenheit, dass wir zusammen Sport machen, kochen, gemeinsam neue Ecken mit dem Fahrrad erkunden oder uns ein Bierchen bei einem Spiel von Holstein Kiel genehmigen. Also kurz gesagt: Uns verbindet weitaus mehr als unser kleines Modelabel und durch unsere gute Freundschaft ist die Zusammenarbeit sehr eng und persönlich.

Was bedeutet das Meer für Euch?
Da wissen wir gar nicht, wo wir anfangen sollen. Wir fühlen uns sehr verbunden mit dem Meer! Dies liegt unter anderem daran, dass wir direkt am Wasser wohnen, es nahezu täglich sehen und es damit für uns ein Teil von Heimat bedeutet. Grade nach stressigen Tagen in der Uni sind wir gerne an der Ostsee, um neue Energie zu tanken. Zudem sind wir auch gerne aktiv auf dem Wasser. In diesen Momenten merken wir, wie mächtig und kraftvoll das Meer sein kann. Wir empfinden dem Meer gegenüber daher auch eine gewisse Art von Ehrfurcht, mit einem großen Maß an Bewunderung. All dies, wie wir das Meer nutzen, ja fast schon abhängig davon sind, sehen wir als Anlass genug, das Meer mit Respekt zu behandeln und als Teil unserer Umwelt zu schützen.

Jonas von sea it clothing sichtlich zufrieden mit frischer Hoodie-Ware in der Werkstatt von No Collar Siebdruck Kiel.

Was denkt Ihr inwiefern Meeresschutz und Wassersport, wie etwa Kiten, ganz natürlich im Einklang stehen – oder gibt es da in euren Augen auch Widersprüche?
Das ist ein wichtiger Punkt, über den viele Wassersportler eventuell noch gar nicht nachgedacht haben. Fakt ist, dass Wassersport wie zum Beispiel Kitesurfen negative Auswirkungen auf maritime Ökosysteme haben kann. Beispielsweise sind in bestimmten Gebieten (Meeres-) Vögel von verschiedenen Störeffekten betroffen. Wir denken, dass Kommunikation ein wichtiges Werkzeug ist, um Wassersport und Meeresschutz zu verbinden. Es müssen klare Regeln kommuniziert und beachtet werden, die klar machen wo und wann Wassersport erlaubt ist. Ist diese Grundbedingung gegeben, können Wassersport und Meeresschutz unserer Meinung nach auch nebeneinander funktionieren.

Vom Geographie-Studium zum Fair-Fashion Label „sea it clothing“ klingt erst einmal nach einem ganz schönen Gedankensprung – bitte erklärt einmal die Besonderheiten Eures Labels und wie Ihr auf die Idee gekommen seid?
Begonnen hat eigentlich alles innerhalb des Studiums. In einem vertiefenden Modul, dem „Changemaker Kurs“, sollten wir eine nachhaltige Projektidee entwickeln. Leo hatte bereits in der Schulzeit ein kleines Modelabel geführt, welches jedoch keine Nachhaltigkeitsaspekte enthielt. Schnell kam die Idee auf, einen nachhaltigen Hoodie zu produzieren. Diesen wollten wir nicht nur ökologisch und unter fairen Arbeitsbedingungen produzieren lassen, sondern wir wollten ihn mit dem besonderen Etwas ausstatten.

Durch unsere Verbundenheit zum Wasser(-sport) kam uns der Gedanke, bunte Kitestoffelemente in den Hoodie einzugliedern. Mit der Nutzung gebrauchter Kitesegel sahen wir die Möglichkeit, unserem Produkt einen einzigartigen Look zu verpassen, unsere Wasserverbundenheit auszudrücken und gleichzeitig gegen die Wegwerfgesellschaft vorzugehen. Mit dieser Idee schrieben wir unser erstes Projektkonzept, auf dessen Basis wir immer noch agieren.

Handarbeit: Bei sea it clothing wird jeder einzelne Print per Siebdruckverfahren auf die Shirts und Hoodies gedruckt.

Wie lang hat es vom Einfall bis zum ersten fertigen Hoodie gedauert? Und was war dabei die größte Hürde?
Puh, damals haben wir uns alles ein bisschen anders und vor allem deutlich einfacher vorgestellt. Bis wir den ersten fertigen Hoodie in den Händen halten konnten, hat es über anderthalb Jahre gedauert. Besonders lang hat uns das Kombinieren der Baumwolle und den Kitesegeln beschäftigt. Wir mussten sehr viel ausprobieren und sind gefühlt von jedem Problem ins Nächste gestolpert. Dank des yooweedoo Ideenwettbewerbs, den wir in der Anfangsphase des Projekts gewonnen haben, waren wir dabei aber keinem allzu starken finanziellen Druck ausgesetzt, wofür wir sehr dankbar sind. Diese Zeit war wirklich lehrreich und wichtig für uns und die Zukunft von sea it clothing.

Wie kommt Ihr an die ausgedienten Kite-Segel, die Ihr zur Veredelung nutzt?
Unsere Kitesegel kommen von Point of Sail. Dies ist eine Reparaturwerkstatt in Kiel, welche Kites, Bars, Segel und Bladder reparieren. Vor Ort haben sie eine Menge Kitestoff in verschiedensten Farben, den sie nur begrenzt selbst nutzen können. Insbesondere kleinere Stoffreste können sie zum Teil nicht mehr verwerten. Für uns sind diese Stücke ideal und wir können sie gegen eine Spende für unsere Kleidung nutzen.

Mit der Produktion eurer Hoodies wollt ihr ein Statement gegen widrige Arbeitsbedingungen, hohe CO2-Emissionen und die Wegwerfkultur von Fast-Fashion setzen. Auf welche Aspekte habt ihr besonders geachtet, damit eure Kleidung zu einer faireren Kleidungsproduktion beitragen kann?
Wir haben versucht, breit anzusetzen. Für uns bedeutet Nachhaltigkeit Konsequenz bis zum letzten Handgriff. Daher haben wir bereits bei der Suche nach Zulieferern sehr scharf aussortiert. Besonders wichtig waren uns entsprechende Siegel, mit denen eine ökologische und faire Produktion nachweisbar sind. Ohne Siegel ist dies in der Textilindustrie fast unmöglich zu garantieren. Der Zulieferer, für den wir uns letztendlich entschieden haben, hat die bedeutendsten Zertifikate der Textilbranche: Das GOTS-Siegel (Global Organic Textile Standard) und das FWF-Siegel (Fair Wear Foundation). Diese stellen unter anderem sicher, dass beim Anbau auf Biobaumwolle gesetzt wird, keine chemischen Zusätze genutzt werden und die Arbeiter überdurchschnittliche soziale und ethische Standards genießen.

Das bedeutet beispielsweise auch eine Lohnzahlung über dem Branchendurchschnitt, die nicht einfach nur den minimalen Lebensstandard sichert, sondern andere Investitionen in etwa Bildung erlaubt. Auch unsere weiteren Schritte bei Produktion und Versand haben wir optimiert: Wir nutzen gebrauchte Segelstoffe, bedrucken unsere Produkte ausschließlich mit ökologischer Farbe auf Wasserbasis und versenden unsere Bestellungen ausnahmslos in Versandtaschen und Kartons aus umweltverträglichen Graspapier. Auf unnötigen Verpackungsmüll verzichten wir ganz und wer aus Kiel kommt, kann sich seine Bestellung auch direkt bei uns abholen, um so Transportemissionen einzusparen.

Die sea it Klamotten tragen den GOTS sowie das FWF-Siegel, und zudem quasi ihren eigenen, markanten Siegel aus Kitesegel – oder sollten wir besser sagen: SeaGel?

Und wieso haltet ihr das für besonders wichtig in der heutigen Zeit?
Wir leben im Jahr 2021 und Fast Fashion dominiert weiterhin mit Abstand den Textilmarkt. Im Hinblick auf den fortschreitenden Klimawandel kann es einfach nicht so weitergehen. Riesige Mengen an Müll und eine schreckliche CO₂-Bilanz treiben diese Entwicklung nur noch weiter voran. Gleichzeitig sollten wir uns alle fragen (uns eingeschlossen), wie es überhaupt sein kann, dass Menschen im Jahr 2021 unter unwürdigsten Bedingungen für einen Hungerlohn unsere Kleidung nähen. Wir denken, dass es für die Zukunft elementar ist, dass alle Menschen, die es sich leisten können, Verantwortung für ihr Handeln übernehmen sollten. Es muss ein gesamtgesellschaftliches Umdenken stattfinden – auch beim Kauf von Kleidung.

>>Wir denken, dass es für die Zukunft elementar ist, dass alle Menschen, die es sich leisten können, Verantwortung für ihr Handeln übernehmen sollten. Es muss ein gesamtgesellschaftliches Umdenken stattfinden – auch beim Kauf von Kleidung.>> Leo & Jonas von sea it clothing

In einem Projekt- und Produktionsentwicklungsprozess gibt es ja stetig Luft nach oben und neue Ideen – gibt es Punkte, wo Ihr sea it gerne noch verbessern würdet?
Ein Punkt wäre, die Produktion nach Deutschland oder Europa zu verlegen. Momentan beziehen wir unsere Rohlinge von Continental Clothing, welche in Indien produzieren. Obwohl die Produkte eine hohe Qualität haben, nachhaltig sind und gute Arbeitsbedingungen vor Ort schaffen, würden wir dennoch gerne lokaler produzieren. Darüber hinaus wollen wir in Zukunft eigene Schnitte der Kleidungen entwerfen, um insbesondere Segelstoffe und andere Elemente direkt in die Kleidung einzuarbeiten. Momentan sind unsere Stückzahlen jedoch noch so gering, dass eine Produktion in Deutschland nicht wirtschaftlich wäre. Mit wachsender Größer unseres Unternehmens würden sich für uns neue Möglichkeiten ergeben.

Das klingt ja richtig cool. Erzählt uns mehr von euren Zukunftsplänen: Wo soll es für euch mit Sea it clothing noch hingehen? Und auf welches neue Teil in eurem Shop dürfen wir uns schon freuen?
Wir sind grade dabei unsere erste T-Shirt Kollektion nach zu produzieren. Im April kommt dann eine kleine Special-Edition unserer T-Shirts raus, bei denen auch Segelstoff wieder eine Rolle spielen wird. Gerne möchten wir unsere Kollektion darüber hinaus erweitern. Wir könnten uns in diesem Zusammenhang auch vorstellen, alte Fischernetze als Element zu verwenden, welche bereits aus den Meeren geborgen wurden. Für die nächste Zeit gilt es jetzt erstmal, unser noch etwas unbekanntes Label bekannter zu machen und die Menschen von unserer Idee für eine nachhaltige Zukunft zu überzeugen.

Welchen (Geheim-) Tipp könnt ihr anderen jungen Menschen mitgeben könnt, die mit einer Start-Up-Idee vielleicht sogar in einem so umkämpften Sektor wie der Modewelt loslegen möchten.
Einfach machen. Klingt nicht grade wie ein Geheimtipp, aber wir denken, dass viele Leute gute Ideen haben, sie sich jedoch einreden, die Umsetzung sei zu schwierig oder sie wüssten nicht genau, wo sie anfangen sollen. Oftmals ist dies die größte Hürde. Wir haben gemerkt, dass viele Dinge nicht so kompliziert sind, wie sie am Anfang erscheinen. Man muss sich nur trauen etwas zu wagen, hin und wieder auch mal ein bisschen freche Fragen stellen und natürlich bereit sein, viel Herzblut in das Projekt zu stecken. Speziell für den Modesektor ist es sicherlich ein Vorteil, wenn man seine Nische findet und ein Alleinstellungsmerkmal hat.

Wenn das jetzt jemand gelesen hat und Euch super findet: Kann man Euch irgendwie unterstützen? Braucht Ihr Segelstoffspenden? Räume zum Produzieren? Crew-Support…?
Über Unterstützung jeglicher Art sind wir sehr dankbar. Unter anderem kann man in unseren Onlineshop (www.seaitclothing.de/product/) stöbern und mit einem Kauf uns als nachhaltiges Modellabel unterstützen. Zeitgleich trägt jeder Käufer unserer Produkte einen kleinen Teil zum Meeresschutz bei, da pro verkauften Kleidungsstück ein Teil des Erlöses an die Meeresschutzorganisation One Earth – One Ocean gespendet wird.

Über zusätzlichen Crew-Support würden wir uns auch sehr freuen, denn aktuell sind wir nur wir zwei im sea it-Team. Mit zusätzlicher Unterstützung könnten wir definitiv noch mehr erreichen! Also falls du Lust hast bei einem jungen Team mitzumachen, mit uns in entspannter Atmosphäre neue Ideen einbringen willst und gemeinsam mit uns zum Umdenken beim Klamottenkauf anregen willst, schreib uns gerne unter kontaktseaitclothing.de.

Vielen Dank für das Interview!

Ihr wollt Jonas und Leo auf Instagram folgen? Hier findet ihr sie.
Website: www.seaitclothing.de

Fair Fashion vs. Fast Fashion

Fast Fashion ist leider ein gängiges Geschäftsmodell in der Textilbranche: Durch laufend neue Kollektionen, Massenproduktion und eine oft geringe Qualität der Kleidung, die zu einer verkürzten Lebensdauer führt, sollen Kunden zum ständigen Neukauf animiert werden. Dies führt nicht nur zu einem übermäßigen Ressourcenverbrauch, sondern sorgt dank langer Transportwege für hohe Treibhausgas-Emissionen und aufgrund von Dumping-Preisen zu einer Ausbeutung der Arbeiter*innen. Fair Fashion (oder auch Slow Fashion) ist ein Begriff, der sich erst vor wenigen Jahren etabliert hat und eine Gegenbewegung zu dem hohen Durchsatz von ethisch und ökologisch unter bedenklichen Bedingungen produzierter Mode darstellt. Stattdessen liegt das Augenmerk auf umweltschonender, nachhaltiger Produktion, bei der Kleidung unter humanen Bedingungen produziert und die Arbeit fair vergütet wird.

Mehr Klick-Tipps zum Thema:
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