OceanUp SH: Nachhaltige Produkte aus Seegras von „rematter“
Unter dem Motto OceanUp SH stellt Euch der Ocean Summit Kiel regelmäßig StartUps und Projekte aus Schleswig-Holstein vor, die sich mit ihren Ideen, Aktionen und Innovationen für die Meere engagieren. Heute geht es gemeinsam mit der Crew von „rematter“ an die Kieler Ostseestrände: Dort genießen die sieben Kieler Studenten allerdings nicht bloß das Meeresrauschen, stattdessen haben sie vor allem Augen für die angeschwemmten braunen Halme, die im Spülsaum liegen. Ihr ahnt vielleicht schon, dass es sich dabei um Seegras handelt. Mit kreativen und innovativen Nutzungsideen will rematter diesen Reststoff neu erfinden und daraus tolle Produkte, wie etwa Postkarten oder Seegras-Kartons herstellen. Ihr könnt kaum glauben, dass man das unscheinbare Unterwassergewächs so vielfältig nutzen kann? Dann lasst euch überraschen und lest rein in unser Interview mit rematter:
Moin liebe Rematter-Crew, ihr seid ja richtig viele kreative Köpfe auf einem Haufen. Bitte stellt euch alle einmal vor und erzählt uns kurz, wer in eurer Gruppe für was den Hut aufhat…
Moin, wir sind Dorothee, Magdalena, Bogdan, Lena, Helene, Luzie und Christina! Sieben Studierende mit den verschiedensten Hintergründen: Geographie, Psychologie, Ernährungswissenschaft, Change Management und Environmental Protection. Was uns jedoch alle verbindet, ist unsere Liebe für die Natur und das Meer (besonders die Kieler Strände) und Spaß am handwerklichen Arbeiten. Außerdem bringen wir alle Neugier und Kreativität beim Umdenken von und Experimentieren mit Reststoffen und nachhaltigen Materialien mit. Denn wir teilen den Wunsch zu einer nachhaltigen Zukunft beizutragen! Kein Wunder also, dass wir uns alle im Masterstudiengang ‘Sustainability, Society and the Environment’ an der CAU Kiel kennengelernt haben. Für die unterschiedlichen Aufgaben im Team haben wir Arbeitsgruppen nach Erfahrungen und Interessen gebildet, da es uns allen wichtig ist, an dem Projekt zu wachsen.
Ihr nutzt angeschwemmtes Seegras, bereitet dieses auf und stellt daraus innovative, biologisch abbaubare Produkte her. Was ist so toll an Seegras und wieso unterscheidet es sich so sehr von anderem Treibsel, das an unseren Stränden landet?
Seegras ist neben Algen der Hauptbestandteil des Treibsels, das an den Stränden hier in der Region angespült wird. Es gibt auf der Welt über 400.000 Algenarten, aber nur eine Handvoll Arten von Seegras. Und da ist es wichtig zu unterscheiden, denn Seegras ist eine Blütenpflanzen und keine Alge. Die hierzulande am weitesten verbreitete Art heißt Zostera marina. Die Pflanzenstruktur ist eine der wichtigsten Unterschiede zwischen Algen und Seegras: Im Gegensatz zu Algen hat Seegras Wurzeln und bildet riesige Seegraswiesen unter Wasser, die übrigens ein wertvoller CO2-Speicher sind. Außerdem enthalten die Zellwände des Seegrases Zellulose und Lignin, also pflanzliche Fasern, die uns nützen, indem sie unseren (zukünftigen) Produkten Stabilität und Halt geben. Weitere Besonderheiten von Seegras sind dessen antibakterielle Eigenschaften, dass es nicht entflammbar ist und auch nicht schimmelt, wenn man es einmal gereinigt und getrocknet hat.
Und wie gewinnt ihr euer Seegras? Kann man das etwa in der Ostsee anbauen?
Wir sammeln unser Seegras per Hand an den Stränden in und um Kiel. Aus Gründen der Nachhaltigkeit und des Umweltschutzes ist es uns wichtig nur Material, das bereits angespült wurde zu verwenden, und dabei auch nur Mengen, die dem Ökosystem Strand nicht schaden. Seegras direkt aus dem Meer ernten wir nicht – das ist in Deutschland übrigens auch verboten, da Seegraswiesen als gefährdete Biotope der Roten Liste gesetzlich geschützt sind. Das Sammeln von Seegras geht auch nur in kleineren Mengen problemlos, bei größeren Mengen sollte man sich mit den Gemeinden absprechen. Die lassen das Treibsel übrigens jedes Jahr in der Sommersaison für viel Geld sammeln und entsorgen, da Textur und Geruch die Badegäste stört. Allein in Laboe kostet die Entsorgung 60.000 € jährlich – wirklich schade, angesichts dessen, was man alles aus Seegras machen kann.
So ganz neu ist die Idee ja nicht, Seegras für mehr als nur Möwennester nutzbar zu machen. Könnt ihr uns erklären, wann und warum dieses Wissen überhaupt in Vergessenheit geraten ist?
Das stimmt! Bereits früher wurde Seegras wegen der besonderen Eigenschaften vielfältig genutzt etwa als Dämmung, Dünger oder Kissenfüllung. Mit der Entwicklung des Kunststoffes kamen jedoch irgendwann günstigere Materialien auf den Markt, wie Styropor oder Mineralwolle und synthetische Dünger und Kaltschaum verdrängten die doch eher aufwendig herzustellenden Seegras-Produkte.
In der heutigen Zeit ist es jedoch vor dem Hintergrund von Klimawandel und Biodiversitätsverlust wieder ein Trend zu natürlichen und lokalen Materialien zurückzukehren. So gibt es mittlerweile wieder einige kleine und lokale Projekte die sich dem Seegras widmen, etwa die Seegraskissen von der Strand-Manufaktur oder der Seegraserei. Mit rematter wollen wir allerdings nicht nur zu den ursprünglichen Nutzungen zurückkehren, sondern die Produktpalette um moderne und innovative Produkte wie etwa Postkarten, Boxen und Lampenschirmen erweitern.
Bisher habt ihr schon Papier aus Seegras herstellen können, was sind denn eure weiteren Seegrasvisionen? Und habt ihr auch noch andere Materialien ins Auge gefasst, die ihr upcyclen wollt?
Wir möchten Seegras und anderen Reststoffen (wieder) mehr Wertschätzung zukommen lassen und zeigen, wie man lokale Materialien nachhaltig nutzen kann. Unser Ziel ist es, natürliche Reststoffe in Zukunftsmaterialien zu verwandeln – und den Anfang macht Seegras. Das Papier aus Seegras herzustellen war der erste wichtige Schritt dahin. Denn wenn es für uns möglich ist, Papier herzustellen, dann können wir auch weitere Papierprodukte wie Postkarten, Seegras-Kartons oder Papp-Hocker anzufertigen.
Aber wir wollen auch weitere Materialkompositionen erfinden, mit einem besonderen Augenmerk auf solchen, die sich für künstlerische Handwerksarbeiten eignen. Dazu motivieren uns einzelne Versuche von Designer*innen, die aus Seegras und Algen bereits so etwas haltbares wie Handyhüllen hergestellt haben. Später wollen wir außerdem mit Kaffeesatz, Orangenschalen, Brauresten oder Laub arbeiten. Insgesamt ist es uns wichtig, individuelle und besondere Produkte herzustellen. Und dies natürlich nicht in Massenproduktion, sondern per Materialrevolution!
Kann man bei euch eigentlich mitmachen oder wie können Begeisterte Leser*innen euch unterstützen?
Auf jeden Fall! Wir freuen uns über Jede und Jeden, der oder die Teil unserer #materialrevolution werden will! Wir möchten möglichst viele Menschen dazu anregen mit natürlichen Reststoffen aus ihrer Umgebung zu experimentieren. Daher werden wir in Zukunft unser Wissen in Workshops und online frei zur Verfügung stellen. Folgt uns gerne auf unseren Social Media Kanälen, um dabei zu sein! Gerade läuft außerdem das Online-Voting des Yooweedoo Ideenwettbewerbs, von dem wir uns eine wichtige Startfinanzierung für das Projekt erhoffen. Ihr würdet uns daher sehr helfen, wenn ihr bis zum 26.03. auf der Website von Yooweedoo für uns abstimmt!
Und zu guter Letzt möchten wir natürlich von jedem unserer Gäste wissen: Was macht das Meer für euch so besonders?
Das Meer ist einfach einzigartig! Es hat etwas Wildes, aber Beruhigendes zugleich. Bei einem Besuch am Strand tanken wir Energie und wenn der norddeutsche Wind uns die Haare zerzaust, können wir für einen Moment den Stress und die Sorgen des Alltags hinter uns lassen. Es ist außerdem einer der wenigen Orte, die nicht vom Menschen dominiert werden und noch viele Geheimnisse und Wunder birgt. Besonders faszinierend am Meer finden wir dabei natürlich das Seegras, das, obwohl so unscheinbar, einen immens wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leistet. Danke Seegras, dass es dich gibt!
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Zur Abstimmung beim Yooweedoo Ideenwettbewerb: www.yooweedoo.org/de/projekt/rematter