Projekt GAME: Wie beeinflusst Lichtverschmutzung die Ökosysteme unserer Küsten?
Anlässlich unserer Ocean Summit Wissenschaftskommunikations-Wochen öffnen wir unsere Website sowie unsere Social Media Kanäle für das Team von GAME – ein internationales GEOMAR Austausch-Programm für junge Meeresforscher*innen. Im folgenden Beitrag berichtet Euch die marine Umweltwissenschaftlerin Svea Vollstedt von GAME über mögliche ökologische Folgen mariner Lichtverschmutzung, ein Phäomen das im Fokus des GAME-Jahres 2021 / 2022 stand:
Es ist Nacht, die Sterne sind kaum sichtbar und trotzdem ist der Himmel hell erleuchtet. Die Erklärung für dieses Phänomen liefert die weltweite Lichtverschmutzung. Definieren kann man sie als Aufhellung des natürlichen Nachthimmels durch übermäßigen Einsatz von künstlichem Licht. Besonders auffällig ist dieses Phänomen in Ballungsräumen, Großstädten und Küstenlinien, die durch Innen- und Außenbeleuchtung, Infrastruktur und Verkehr während der Nacht besonders betroffen sind.
Momentan sind ca. 25 % der weltweiten Küsten von Lichtverschmutzung betroffen. Forschende gehen davon aus, dass durch das Bevölkerungswachstum und die weitere Erschließung der Küsten, die Prozentzahl betroffener Gebiete weiter ansteigen wird. Vergnügungsorte wie Strandbars, Restaurants, Promenaden oder industriell genutzte Bereiche und Häfen erhellen jede Nacht die Lebensräume von unzähligen Organismen.
Doch warum ist Licht in der Nacht ein Problem? Bislang gibt es nur sehr wenige ökologische Forschungsarbeiten zu dieser Art der Verschmutzung, die Ökosysteme an vielen Küsten weltweit beeinträchtigt. Die Tageslänge (und ihre jährlich wiederkehrenden Schwankungen außerhalb der Tropen) ist eine der wenigen Umweltvariablen, die seit der Entstehung der Erde stabil ist. Mit der Erfindung moderner Lichtquellen und der Verfügbarkeit von Elektrizität hat der Mensch diese natürlichen Muster verändert. Während Pflanzen Licht für Photosynthese und die Bildung von Biomasse nutzen, sind viele Tiere auf Licht als Informationsquelle angewiesen. Ihre internen Rhythmen, Aktivitätsmuster und Verhaltensweisen werden vom Tag – Nacht – Rhythmus (von hell und dunkel, Sonne und Mond) gesteuert.
Die bekanntesten Beispiele von Lichtverschmutzung sind bisher an Land zu beobachten. So nutzen zum Beispiel nachtaktive Insekten und Fledermäuse Licht als Orientierungshilfe und werden durch künstliche Lichtquellen in ihrem Verhalten beeinträchtigt. In Küstengebieten orientieren sich Babyschildkröten an den Reflektionen des Mondlichts auf der Meeresoberfläche, um den Weg ins Wasser zu finden. Auch Haie, Korallen oder winziges Zooplankton nutzen die Tag-Nacht-Rhythmen, oder leichte Veränderungen des Mondlichts, um ihr Verhalten, ihre Fortpflanzung oder Bewegungsmuster zu synchronisieren. All diese Anpassungen an einen natürlichen Lichtzyklus werden von Lichtverschmutzung gestört und könnten dramatische Folgen haben: Babyschildkröten finden den Weg ins Meer nicht mehr, Haie beginnen in der Nacht zu jagen, Korallen verpassen den Zeitpunkt für synchronisierte Fortpflanzung und Zooplanktonschwärme wandern nicht mehr gemeinsam in der Wassersäule auf und ab.
GAME
GAME (Globaler Ansatz durch Modulare Experimente) ist ein internationales Forschungs- und Ausbildungsprogramm für Studierende der Biologie und der Umweltwissenschaften. Es wurde 2002 am damaligen Vorgängerinstitut des GEOMAR gegründet und ermöglicht es jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die Auswirkungen des Globalen Wandels auf Küstenmeere zu untersuchen. Bei GAME geschieht dies auf eine sehr umfassende Weise: alle Fragestellungen werden vergleichend über geographische und klimatische Grenzen hinweg untersucht. Hierzu werden jedes Jahr – zu einem bestimmten Thema – zeitgleich identische Experimente an bis zu 10 Standorten weltweit durchgeführt. Dieser modulare Ansatz, der in der Meeresforschung bislang einzigartig ist, führt zu besonders aussagekräftigen Forschungsergebnissen. Denn die gewonnenen Daten beschränken sich nicht nur auf ein einziges Ökosystem, sondern zeichnen ein allgemeines Bild – von den Tropen bis in die hohen Breiten.
Hier kommt ihr zu den Projektseiten & Social Media Kanälen von GAME:
https://www.oceanblogs.org/game/
Im Jahr 2021 haben Studierende des GAME Programms zum ersten Mal untersucht, ob künstliches Licht die Aktivitätsmuster von wirbellosen Meeresweidetieren wie Schnecken, Krabben oder Seeigeln beeinflusst. Diese Tiere leben auf dem Meeresgrund und sind Pflanzenfresser. Die Studierenden wollten wissen, ob der Einfluss von Licht in der Nacht das Fressverhalten der Tiere verändert. Je nachdem, ob die Tiere mit Licht in der Nacht aktiver werden, oder ihre Aktivität einschränken, nimmt der Fressdruck auf die Pflanzen zu oder ab. Beide Effekte könnten weitreichende Folgen für die Meeresökosysteme haben, da die Pflanzenfresser das Vorkommen von Algen kontrollieren und damit die Struktur des Lebensraums bestimmen. Algen sind wichtig für Nährstoffkreisläufe, sie bieten Versteckmöglichkeiten und eine Kinderstube für unzählige andere Arten. All diese Funktionen gehen verloren, wenn durch großen Fressdruck aus einer bunten Algengemeinschaft ein kahler Sand- oder Steinboden entsteht. Die Balance zwischen Pflanzenfressern und Algen ist unabdingbar für ein funktionierendes Ökosystem und kann von externen Faktoren, wie Lichtverschmutzung, gestört werden.
Corona zum Trotz: GAME 2021
Trotz der schwierigen Umstände durch die Covid-19 Pandemie ist das GAME Programm 2021 erfolgreich durchgeführt worden und alle 12 Teilnehmer*innen haben ihre standardisierten Experimente an sechs Orten auf der Welt abgeschlossen (Finnland, Spanien, Portugal, Kroatien, Malaysia und Japan). In zwei Laborexperimenten haben sie die Auswirkungen von Lichtverschmutzung auf Seeigel, Krabben und Co. untersucht. Dabei haben die GAME Teilnehmer*innen bei vier der sieben untersuchten Arten verschieden ausgeprägte Einflüsse von Lichtverschmutzung festgestellt. Die global angelegte GAME-Studie liefert damit Erkenntnisse darüber, dass Lichtverschmutzung ein Stressfaktor für marine Weidegänger sein kann und infolgedessen auch eine relevante Komponente des globalen Wandels in Küstengebieten darstellt.
Einladung zum Online-Event
Wenn ihr mehr über das interessante Projekt der GAME Studierenden aus dem letzten Jahr erfahren wollt, dann schaut gern auch Instagram vorbei oder nehmt an unserer Online Veranstaltung am 05.04.2022 ab 19 Uhr teil und stellt uns eure Fragen.
Ausblick Projekt GAME 2022
Wie beeinflusst Lichtverschmutzung die ökologische Funktion von Muscheln? Auch in den nächsten zwei Jahren wird sich das GAME Programm mit dem Thema Lichtverschmutzung beschäftigen. Finanziert werden diese Projekte von der Klaus Tschira Stiftung. Im Jahr 2022 werden die Nachwuchswissenschaftler*innen untersuchen, ob Lichtverschmutzung die Aktivitätsmuster von Filtrieren wie Muscheln beeinflussen kann. Viele Muscheln kommen weltweit in Küstenregionen vor, wo sie eine wichtige ökologische Komponente darstellen. Sie tragen zur Selbstreinigung der Meere bei und entfernen durch ihre Filtertätigkeit Schwebstoffe aus der Wassersäule und transportieren organische Stoffe (und damit Energie) aus der Wassersäule an den Meeresboden. Darüber hinaus stabilisieren die Arten, die große Muschelbänke bilden, wie die gemeine Miesmuschel oder die Mittelmeer-Miesmuschel, die Küsten und bieten Lebensraum für zahlreiche Arten. Nicht zuletzt sind Muscheln eine Nahrungsquelle nicht nur für viele Vögel und wirbellose Tierarten, sondern auch für den Menschen. Daher ist es wichtig zu wissen, ob die Lichtverschmutzung auch ihre Leistung beeinflusst. Die GAME-Teams werden dies im Jahr 2022 in Laborexperimenten untersuchen, die denen ähneln werden, die 2021 durchgeführt wurden.
Text: Svea Vollstedt / GAME-Teilnehmerin 2021