Kommt mit, zu unserem Tiefsee Tauchgang

Der Ocean Summit taucht tieeef ab – das hatten wir zumindest so angekündigt. Doch vier Vorträge, drei Videos und 90 Minuten später stellen wir fest, für einen echten Tiefseetauchgang  mit so vielen tollen Expert*innen an Bord braucht es mehr Zeit. So sind wir gemeinsam mit den teilnehmenden Schüler*innen und Studierenden gefühlt lediglich mit dem kleinen Zeh an der Wasseroberfläche gewesen – aber  unsere Neugier auf mehr wurde geweckt, und die Eure hoffentlich auch. Bevor wir in unseren Rückblick einsteigen, noch eine tolle Neuigkeit: Gemeinsam mit verschiedenen Partner*innen plant der Ocean Summit auch in Zukunft verschiedene digitale  Meeres- und Klimaschutz-Bildungsveranstaltungen – seid gespannt und vor allem: dabei!

Anne-Marie Melster, unsere Partnerin in der Summit School Gestaltung, hat am 21. August professionell und charmant durch den frühen Abend geführt und wir saßen mit 20 anderen virtuellen Tiefeetauchern staunend vor dem Bildschirm. Mit Anne-Marie von ARTPORT_making waves ist eine Frau an Bord, die in ihrem Projekt WE ARE OCEAN Fürsprecherin fürs Meer ist. Ihre Botschaft an junge Leute, wie sie sagt, ist: „Sie haben eine Stimme, sie können etwas bewegen“. Mit dem interdisziplinären Projekt WE ARE OCEAN reist sie dafür zur Ozeandekade um die Welt und vermittelt Schüler*innen eine Mischung aus Meinung, Wissen und Empowerment mit Hilfe lokaler Akteure.

Für unseren Tiefsee Tauchgang hat Anne-Marie Kunstvideos ausgewählt, die jeweils die Themen unserer vier Gäste aufgreifen: Martin Visbeck spricht über den digitalen Zwilling des Ozeans, 5D. Michelle-Marie Letelier erzählt von ihrer künstlerischen Auseinandersetzung mit Zuchtlachsen. Torsten Thiele berichtet kritisch über den Tiefseebergbau und Antje Boetius nimmt uns tatsächlich mit auf einen Tiefseetauchgang vor die Küste der Azoren.

Zu Martin Visbeck sagt Anne Marie: „Sie bereisen die Weltmeere, sprechen auf internationalen Konferenzen, gehen gern mit ihrem Thema auf Tuchfühlung mit der Gesellschaft, sitzen nicht im Silo“, weswegen er für sie und uns der perfekte Gast ist, um mit Leidenschaft und nahbar über seine Forschung zu sprechen: „Wie sieht das mit dem Ozean 5D aus, was ist das, wie sieht das aus und was müssen wir uns darunter vorstellen?“, fragen wir ihn einleitend. Er erklärt uns, wie er den Ozean digital erlebbar macht und quasi einen digitalen Zwilling gewinnt: „Da kann man tatsächlich spannende Sachen entdecken, man kann aber auch besser verstehen, wie die Biologie, Physik und Dynamik zusammenarbeiten und man kann vor allem Wissen generieren für die Entscheidungsträger, die den Ozean entweder wirtschaftlich nutzen wollen, Regelwerke und Gesetze um den Ozean definieren und auch sonst einen besseren, nachhaltigeren Umgang mit den Meeren voranbringen wollen.“ Mit der digitalen Abbildung des Ozeans wird es möglich, den Ozean besser zu entdecken und zu zeigen, wie der Ozean in Zukunft aussieht. „Die Zukünfte digital erlebbar macht, über dem Meer und unter dem Meer – und das bewegt mich momentan ziemlich doll“, schließt er seinen Vortrag ab.

Im Video könnt ihr euch seinen ganzen Vortrag ansehen, den digitalen Zwilling genauer kennenlernen und hören, was Martin Visbeck daran begeistert:

Darauf folgt eine Vorstellung von Michelle-Marie Letelier, einer Chilenischen Künstlerin, die in Berlin lebt und hauptsächlich zu Zuchtlachsen arbeitet. Anne-Marie Melster fragt sie einleitend: „Was essen wir tatsächlich, was ist das auf unserem Teller. Was bewegt dich an diesem Thema, und wie bist du darauf gekommen?“ Dazu spricht die Künstlerin mit bewegenden Worten in ihrem Kurzbeitrag. Unter anderem erzählt sie uns, wie sie mit Lachsen skypen kann. Ja, skypen! Denn ein Teil ihrer Arbeit zielt darauf ab, mit Zuchtlachsen eine Beziehung aufzubauen.

Michelle-Marie Letelier erklärt: „Dieses Projekt – eine Beziehung zu versuchen zwischen mir und einer Gruppe von Lachsen. Ich habe mit 100 Eiern angefangen, jetzt sind es 15. Sie sind in Norwegen, ich bin in Berlin. (…) Ich schreibe auch gerade ein Tagebuch mit Reflexionen zu diesen Beziehungen: was kann ich, ein Mensch, mit einem genetisch modifizierten Lebewesen aufbauen? Es ist nicht nur unsere Beziehung, sondern der ganze Prozess mit den Wissenschaftler*innen.“ Neben der kritischen und emotional-feinfühligen Auseinandersetzung mit Ressourcen bewegt sie dabei die Frage: „ (…) was können wir als Künstlerinnen in diesem wissenschaftlicheren, diesem rationalen, empirischen Prozess bewegen?“ Schaut euch das ganze Video mit Michelle-Marie Letelier hier an, um einen ersten Einblick in diese Auseinandersetzung zu bekommen:

Vom Zuchtlachs machen wir einen Sprung und tauchen tatsächlich ganz tief ab: in die Tiefen der Tiefsee. Anne-Marie und Torsten Thiele kennen sich aus früheren Projekten. Sein heutiges Thema, den Tiefseebergbau, führt sie mit der Frage ein: „Du kommst aus er Finanzwelt, setzt dich für den Ozean im Global Ocean Trust ein – eines deiner Spezialthemen ist der Tiefseebergbau. Was ist das und was hat Tiefseebergbau mit unseren Zuschauern zu tun?“

Thiele antwortet, indem er zunächst einmal die Tiefsee veranschaulicht: „Der Tiefseeboden, um den es hier geht, das sind 2/3 unserer Erde. Wir reden also von einem riesigen Gebiet. Wir müssen uns also Gedanken machen darüber, wie dieses Gebiet wie die Systeme, rund um dieses Gebiet herum, Einfluss auf uns haben.“

In seinen Ausführungen zu der Herausforderung, die mit der Frage nach dem Abbau einhergehen, wird er deutlich: „Sollen wir einfach hingehen, und diese Tiefseeregion abbauen? Abbauen heißt zerstören.“ In diesem Kontext verweist Thiele auch auf die Kreislaufwirtschaft und die Gewinne, die wir daraus ziehen könnten: „Wenn wir unseren Kupfer Müll richtig nutzen und zurückbringen würden, (…) dann hätten wir vielleicht nicht die Notwendigkeit des Abbaus.“ Er schließt mit einem Plädoyer an uns alle: „All dies sind extrem offene Fragen und daher ist es so wichtig, dass wir uns das technisch aber auch sozialwissenschaftlich anschauen. Da ist es so wichtig, dass die Sprache der Kunst, aber auch der Gesellschaft ein Teil dieser Entscheidung ist. Dies ist eine Entscheidung, die ist nicht rein technisch. Es ist eine Entscheidung darüber, wie wir leben wollen, wo es hingehen soll und wie wir diese Natur und dieses wesentliche Ozean System nutzen wollen“.  Den gesamten Beitrag von Torsten Thiele seht ihr hier:

Zuletzt nimmt uns Antje Boetius mit auf das UBoot LULA1000, in dem sie mit Joachim Jakobsen (Pilot und Erfinder des Ubootes) vor den Azoren getaucht ist. Für sie ist das Tiefseetauchen wie eine Art Weltraumreise – eine Reise zu 60% der Erdoberfläche, die größtenteils unerforscht und voller Geheimnisse ist.

In einem kleinen Film, der während eines Tauchgangs gedreht wurde, sehen wir Anglerfischen bei der Paarung zu und erkennen direkt, dass das Männchen hierbei kaum dem Weibchen gleicht. Als keines Wese dockt es an dem strahlenden Weibchen an und löst sich nach dem Paarungsprozess auf. Würden wir die zwei abhängig voneinander sehen, wir würden sie nicht für eine Art halten. „Es wird so effizient, auch in der Fortpflanzung gearbeitet, dass die Anglerfischinnen, wenn sie dann befruchtet sind, Verdauungsenzyme ausschütten und das Männchen verdauen“, erklärt Boetius dieses erstmals auf Film gebrachte Phänomen genauer und sagt, „das ist nur ein Beispiel von tausenden von Geschichten die wir Tiefseeforscher*innen sammeln, wenn wir dort unterwegs sind.

Mit Leidenschaft in der Stimmt beschreibt Boetius ihren Job und seine Herausforderungen. Sie versucht zu vermitteln, wie selten die Arten der Tiefsee sind und führt aus: „Wir müssen davon ausgehen, dass es 1. Mio unbekannte Arten in der Tiefsee gibt. Und dass wir auch davon ausgehen, dass diese Arten in der Tiefsee grundsätzlich gefährdet sind.“ Für ihre Forschungsarbeit und die Funde der Tauchgänge bedeutet das: „Wir Tiefseetaucher, wenn wir abtauchen, begegnen wir einer Beobachtung – sogar einer Art – nur ein einziges Mal. Und niemals wird irgendjemand wieder dieser Art begegnen, so selten sind die Individuen und so wenig wissen wir. Deswegen ist es so wichtig, dass wir hinschauen.“

Boetius erklärt, dass wir die Tiefsee nur durchs Abtauchen erforschen können, denn dann können wir wenn wir selber hinschauen, können wir diese Tiere verstehen und Fragen wie diese stellen: „Was bedeutet es, in diesem Raum zu leuchten? Warum haben Tiefseetiere Farben, wenn sie eigentlich keiner sehen kann. Wie finden sie sich, wie kommunizieren sie?“

Es ist, so Boetius, ein „gigantisches Projekt“, unseren Planeten zu verstehen. Wir nehmen mit: wenn wir nicht mehr verantwortlich sein wollen, dass Arten aussterben, müssen wir behutsam weiter forschen und neugierig bleiben auf das, was in der Tiefsee wohnt. Das ganze Video mit Antje Boetius inklusive Tauchgang sehr ihr hier: