Im Meeresgespräch: Tropic Ice Fotografin Barbara Dombrowski

Wer steckt eigentlich hinter den Kooperationspartnern und Institutionen vom Ocean Summit? Lernt in unseren Interviews die Hintergründe und Missionen der Ocean Summit Meeresmenschen näher kennen. Heute mit Barbara Dombrowski.

Die Fotografin und Künsterlin aus Hamburg dokumentiert mit ihrer Arbeit „Tropic Ice“ seit bereits zehn Jahren Menschen des Klimawandels. Innerhalb des Ocean Summit stellt sie im August einige ihrer Bilder in Kiel aus und ist zudem Teil einer Ocean Summit Podiumsdiskussion zum Thema Klimawandel und Migration. In unserem Interview erzählt Barbara Dombrowski mehr über ihr langjähriges Klima-Projekt, über die Begegnung mit Menschen aus entlegenen Regionen dieser Welt, über Einflüsse der intensiven, künstlersichen Arbeit auf ihren Lebensstil und über ihre zukünftigen Arbeiten.

Moin Barbara, Du arbeitest seit zehn Jahren an Deiner Reihe Tropic Ice. Wie und wo ist die Fotografie von dem Eisberg (Anm. d. Red. viertes Bild in obiger Galerie) entstanden und was genau hat es damit auf sich?
Der Eisberg ist entstanden in Ostgrönland, welches eine Region meiner Arbeit Tropic Ice­, Dialog between places affected by climate changeist. Ich war in den ersten Jahren hauptsächlich in Ostgrönland und im Amazonas Regenwald. Weil ich meine Arbeit über den Klimawandel zuerst an, für meine Begriffe, sehr wichtigen Kipppunkten auf dem Globus machen wollte. Ein weiterer sehr wichtiger Kipppunkt ist der Südpazifik Raum, den ich zuletzt besuchte. Dass ich jetzt für den Ocean Summit die beiden Regionen Arktis und Kirabati in einen Dialog bringen kann, ist besonders schön. Hier treffen sich Anfang und Ende meiner Klimawandel-Arbeit Tropic Ice.

Wie gelangst Du denn im wahrsten Sinne des Wortes an deine Klimawandel-Ziele wie Kiribati? Nimmst Du einfach deine Kamera und fliegst los oder wie funktioniert die Reise und die Arbeit in diesen fernen Regionen?
Es war von Anfang an klar, dass ich in den Südpazifik gehen werde, doch, weil das so weit weg und teuer ist, stand die Region an letzter Stelle bei der Umsetztung meiner Idee auf jedem Kontinent eine Stellvertreterregion für die Arbeit Tropic Ice zu besuchen. Dann ergab sich die Zusammenarbeit mit der Uni Kiel, bzw. mit Silja Klepp. Das war ein sehr glücklicher Zustand, denn Silja hat über Kiribati geforscht und wir bereichern uns sehr in unserer Arbeit. Silja hatte schon Kontakte vor Ort und das hilft natürlich sehr. Und dann ist es tatsächlich so: Flüge buchen, hinfliegen, ankommen, Kontaktpersonen treffen und alles weitere ergibt sich vor Ort. Nachdem ich in Kiribatis Hauptstadt Tarawa Pelenise Alofa von KiriCAN, getroffen habe, bin ich mit dem Boot und einem jungen Mann aus Kiribati – Akamatang, der mir als Dolmetscher half, auf eine Outer Island, also raus aufs Dorf, und lebte dort mit den Leuten.

Wie sprichst Du die Menschen vor Ort an und erklärst ihnen Deine Arbeit? Wie kommt es zu solch offenen und scheinbar sehr intimen Momenten, die wir auf Deinen Bildern sehen können?
Es ist die grundsätzliche Art und Weise wie ich auf Menschen zugehe, mit ihnen rede und was ich ihnen von mir gebe. Egal was ich mache, ich versuche immer, nie Dinge heimlich zu machen oder einfach mal schnell aus der Hüfte ein Portrait zu schießen. Das mache ich wirklich nur in ganz situativen Situationen, bei denen man nicht vorher fragen kann. Bei jeder Form von Portrait gehe ich in Kontakt mit den Menschen. Ich versuche mit ihnen zu leben, das geht in manchen Regionen mehr, in anderen weniger. In Grönland und im Amazonas war ich mehrfach in den gleichen Dörfern und habe wirklich mit den Leuten länger Zeit verbracht und gelebt. In Kiribati war ich nicht so lange, aber mein Dolmetscher Atamatang war aus dem Dorf und damit ist es dann meistens einfach, weil man vorgestellt und eingeführt wird. Man begegnet den Menschen, die sich interessieren, die offen und neugierig sind, so wie man selbst neugierig ist. Es ist immer sehr spannend, wenn man sich auf Augenhöhe trifft. Und ja, ich denke schon, dass man das auf den Bildern auch sieht.

Wie ist denn die Geschichte zu diesen Gesichtern? Wie heißt beispielsweise der Fischer auf unserem Plakat und wie alt ist er?
Der Fischer ist der Vater meines Dolmetschers Akamatang und heißt Bateiti. Er ist 64 Jahre alt, stammt aus dem Dorf Tabonibava, hat immer dort gelebt und fischt vor allem in der Lagune. Auf einem Atoll haben sie ja beide Seiten, die Lagunenseite und das offene Meer. In der Regel fischt er in der Lagune und am äußeren Riff, das das Atoll vor der offenen See schützt. Er hat ein Boot mit einem schwarzen Segel, das man auch auf einem meinen Bilder sehen wird. Als ich das Foto machte, das nun das Ocean Summit Veranstaltungsplakat ziert, zog gerade ein Gewitter auf und ich sah den Fischer und dachte: Wow, da muss ich hin, ich muss ein Foto machen.Also bin ich in die flache Lagune gewatet. Dann habe ich ohne Sprachkenntnisse und ohne Dolmetscher einfach signalisiert: Ich bin hier mit einer Kamera, dürfte ich vielleicht ein Foto machen?. Er war total entspannt, im Hintergrund zog dieses Gewitter auf und er fische in Ruhe weiter und das Licht war toll! Als ich zurück an Land ging, war dort auch wieder Akamatang und sagte: Ach, das da draußen ist übrigens mein Vater. Und dann dachte ich: es gibt einfach keine Zufälle! Es war einfach schön, dass der Fischer, der symbolische Fischer, Akamatangs Vater ist. Ich habe später bei ihm daheim auch nochmal ein längeres Interview mit ihm geführt, dafür zog er sich extra schick an mit so einem Blütenhemd. Das fand ich irgendwie schön.

Was erzählt er? Hat sich sein Leben als Fischer und die Situation vor Ort für die Menschen im Laufe der Jahre durch den Klimawandel verändert?
Also er sagt schon, dass es sich verändert hat. Doch es ist oft ein bisschen schwierig, denn wenn du draußen auf den Dörfern bist mit den, sage ich jetzt mal, “einfacheren Leuten”, verorten diese gewisse Veränderungen oft ersteinmal nicht als Klimawandel. Für sie ist das zuerst einmal, es verändert sich etwas, irgendwie. Die Lagune wird wärmer, die Fische kommen weniger. Die Menschen wissen dann oft nicht, was hier eigentlich los ist und warum das passiert. Liegt es an den großen Schiffen, die in die Lagune fahren? Liegt es daran, dass die Lagune zunehmend verschmutzt wird? Oder am Klimawandel? Wenn man sich aber länger drüber unterhält, dann ist es schon oft so, dass die Bewohner erzählen: ‚Ja, das und das Wetterphänomen passiert.‘ Kiribati liegt genau auf dem Äquator, genau auf der Datumsgrenze. Da gibt es normalerweise gar nicht so viele Wirbelstürme, wie auf anderen Inseln im Südpazifik, in Kiribati ziehen diese Stürme durch die Lage eher vorbei. Doch mittlerweile hat sich das geändert. Das ist ein Phänomen, das die Menschen nicht wirklich einordnen können. Warum gibt es jetzt hier plötzlich solche Stürme, die es nie gab?

Deine Bilder wurden unter anderem in einer spektakulären Installation an einem Eisberg ausgestellt und 2019 Jahr am Hambacher Wald, wie kam es dazu?
Nach mehreren Jahren mit dieser Arbeit, brachten mich zwei Gedanken dazu, die Bilder auch auf andere Art und Weise zu zeigen als „nur“ in einer normalenAusstellung oder in einem Buch. Der eine war, dass ich nachdem ich so oft in Grönland und in Amazonien war, das dringende Bedürfnis hatte, den Menschen dort etwas zurückzugeben und den jeweiligen Bewohnern dort die Bewohner der anderen Regionen zeigen zu können. Zudem stellte ich fest, dass das, was ich erzählen wollte, nämlich keine Klimakatastrophenbilder, sich darum drehte, Menschen zu zeigen, Menschen zu besuchen und Menschen zu verbinden.

Das ist das, was ich erzählen will: Alles ist miteinander verbunden. Egal, was wir machen auf diesem Planeten, es hat Auswirkungen auf einen anderen weit, weit, weit entfernten Ort. Überall leben Menschen mit Geschichten. Ich wollte diese Menschen zeigen und reduzierte meine Arbeit auf die Portraits und die dazugehörigen Landschaften, um zu sagen: Diese Person kommt aus Grönland, in Grönland sieht es so aus.Und auch um nochmal diese Schönheit unseres Planeten zu zeigen, zu sagen: Schaut euch an, was wir hier aufs Spiel setzen.

Dann kam ich auf die Idee die Bilder in einer Größe zu zeigen, die einem kleinen, aufrecht stehenden Menschen entspricht, und druckte die Bilder auf Textilbanner-Material. Diese Drucke nahm ich mit auf Reise, ich nahm die Bilder aus Grönland und dem Amazonas mit in den Regenwald und umgekehrt. Und es war total schön, die Reaktionen zu beobachten. Ich meine, im Regenwald haben die Bewohner noch nie einen Eisberg gesehen. Spätestens mit meiner Foto-Installation am Eisberg hat sich meine Arbeit dann zum Kunstprojekt entwickelt. Und 2019 folgte dann diese für mich wahnsinnig wichtige Installation am Hambacher Wald. Auf dem Vorfeld des Braunkohletagebaus habe ich die Porträtbilder aller fünf Kontinente zusammengebracht. Und in den Installationen steckt inhaltlich noch mehr. Ich lasse die Bilder symbolisch durch Wind und Wetter zerstören, um diesen Aspekt noch einmal anschaulich herauszuarbeiten. Des weiteren steckt in dieser, als Kreis angelegten, Installation, die animistische Weltsicht der indigenen Völker, sich als Teil eines Kreises zu begreifen. Jedes Element, jede Pflanze, jedes Tier, jeder Mensch, alles hat seinen Platz und alles ist gleichberechtigt. Und deshalb ist meine aktuelle Installation mit den fünf Kontinenten eben auch ein Kreis, aufgebaut in Anlehnung an ein indianisches Medizinrad.

Du hast 2019 gemeinsam mit der Uni Hamburg das Buch Alltagswelten des Klimawandelsherausgebracht. Ob durch dieses Buch, oder durch deine Arbeit generell: Wie hat deine intensive, künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema Klimawandel Dein eigenes Alltagsverhalten verändert?
Gute Frage. Bei mir hat sich ganz viel geändert. Das bleibt gar nicht aus, wenn du dich so intensiv mit einem Thema auseinandersetzt, das so viele andere Themen bündelt, Klimawandel ist so abstrakt und so komplex. In dem Alltagswelten-Buch haben wir uns an den Themen Mobilität, Energie und Ernährung orientiert. Ich habe meine Ernährung umgestellt, bin inzwischen nahezu vegetarisch. Wir haben Ökostrom, Ökogas und eine kleine Photovoltaikanlage auf dem Dach. Ich versuche das Auto so wenig wie möglich zu nutzen. Wir machen Foodsaving, ich baue an, ich mache selber.

Ich versuche in jedem Lebensbereich Dinge zu hinterfragen, Plastikmüll zu vermeiden und vieles mehr. Das geht einfach sozusagen parallel mit meiner Arbeit einher, weil ich nichts mache, ohne zu hinterfragen. Was nicht heißt, dass nicht ganz viele Dinge trotzdem misslingen, z.B. wenn ich im Supermarkt doch wieder ein abgepacktes Lebensmittel kaufe und mich darüber ärgere. Doch was ich eben auch zu mir selbst, wie auch zu allen anderen sage ist: Jeder muss seinen eigenen Weg finden und es ist wichtig, dass wir anfangen, irgendwas zu verändern. Wir haben eine unglaubliche Macht, die müssen wir nutzen. Wenn wir uns alle zusammentun, dann können wir Dinge verändern. Das müssen wir, das ist unsere Verantwortung.

Inwiefern kann die Kunst – in Deinem Fall eine Mischung aus Fotojournalismus und Kunst – der Wissenschaft und Politik behilflich sein?
Mein Medium ist visuell, ich mache Kunst, das möchte ich nutzen um den Menschen das abstrakte Thema Klimawandel nahe zu bringen und ihnen zu veranschaulichen, dass es uns alle betrifft. Das mache ich jetzt seit zehn Jahren. Ich finde es ausgesprochen bereichernd, mit der Wissenschaft zu kooperieren. Wir können sehr voneinander profitieren. Die wissenschaftlichen Daten, die der Politik als Entscheidungshilfen zu Grunde liegen sind, ihrer Natur entsprechend an Fakten orientiert. Das ist das Dilemma der Wissenschaft. Damit erreicht man die Menschen nicht. Kunst kann und soll berühren, emotional sein, aufrütteln. Ich versuche durch Empathie Menschen zu erreichen, wissenschaftliche Erkenntnisse in eine emotionale Sprache zu übersetzen. Auch für die Politik ist das interessant, wenn man es schafft, gesellschaftliche Themen in einer Art und Weise zu erzählen, die die Menschen erreicht. Und es ist tatsächlich so, dass diese Arbeit inzwischen lebensbestimmend für mich ist. Direkt oder indirekt dreht sich Alles um Klimawandel. Ich versuche die Kunst bewusst aus dem Elfenbeinturm herauszulösen und Ausstellungen zu machen, die nicht zwingend in Museen oder Galerien stattfinden, sondern draußen in Städten, im Park, auch in Fußngerzonen, Einkaufszentren oder an anderen öffentlichen Orten, um die Menschen möglichst breit anzusprechen. Denn der Grundgedanke der Installationen, alle Menschen miteinander zu verbinden und der Gedanke dass Alles mit Allem zusammen hängt, sollte und kann damit nicht nur in einem elitären Raum stattfinden, sondern muss nach draußen, ins Leben. Der Klimawandel ist ein Thema, das uns wirklich alle, alle, alle angeht.

Wie geht es weiter mit deiner Arbeit?
Ich werden meinen Schwerpunkt in den nächsten Jahren nach Europa legen. Ich werde europäischen Länder und Menschen besuchen und Dinge beleuchten, die hier in Europa stattfinden. Als ich angefangen habe mit Tropic Ice war das noch eine ganz andere Situation. Kein Mensch hat sich für Klimawandel interessiert und es war für die allermeisten so abstrakt, dass sie das gar nicht mit sich und ihrer Lebensrealität in Deckung gebracht haben. Das ist jetzt anders. Und deshalb finde ich es einfach extrem wichtig, jetzt auch in Europa zu arbeiten.

Klimwandel bleibt ein abstraktes Thema, die Veränderungen in fernen Ländern sind für Menschen hier schwer greifbar wie wichtig ist es, deine Arbeit an für uns näheren Orten, wie beispielsweise auf unseren Nordseeinseln, fortzuführen?

Die Halligen in der Nordsee verbindet ein ähnliches Schicksal mit den Atollstaaten im Südpazifik, darum habe ich, sozusagen als Prolog der kommenden Arbeit, den ehemaligen Postschifffahrer Fide Nissen der Hallig Langeneß, der Teil der ständigen Ausstellung des Klimahauses in Bremerhaven, in Bildform nach Rarotonga/Cook Inseln, mitgenommen und dort installiert. Nordsee vs. Südsee, sozusagen!

Ich möchte mich mit meiner Anschlussarbeit, die ich mit Silja Klepp im Oktober in Sizilien beginnen werde und in der ich mich in der nächsten Zeit intensiv mit dem Thema Europa, Auswirkungen des Klimawandels in europäischen Regionen und Lebensrealitäten der Menschen bei uns, beschäftigen.

Natürlich interessiert es mich sehr, welche Auswirkungen des Klimawandels inzwischen in unseren europäischen Gesellschaften unübersehbare Spuren hinterlassen haben und welche Lösungswege aus der Krise es aus der Politik und der Gesellschaft gibt.

Es muss uns klar sein, dass wir im globalen Norden mit unserer Lebensweise die Verursacher der Klimakrise sind und dadurch und durch die finanziellen, wissenschaftlichen und politischen Möglichkeiten unserer Staaten nicht nur die Verantwortung, sondern noch die Möglichkeit haben zur Lösung des Problems beizutragen, bevor wir die Chance verspielt haben. Ich möchte auf zukunftsträchtige, nachhaltige, kreative, innovative Lösungen und die Menschen dahinter schauen, aber mir auch die bereits vorliegenden zerstörerischen Auswirkungen der Landschaften und damit der Lebensgrundlage von uns allen anschauen.

Vielen Dank für das Interview, Barbara!

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