Christian Piening
Nationalpark Ranger im Nationalpark Wattenmeer Schleswig-Holstein, Dithmarschen
>> Der Nationalpark Wattenmeer ist (…) ein unglaublich einzigartiger Lebensraum ist, den es so auf der Welt nicht häufig gibt, nämlich immer nur da, wo man ein flaches Meer hat und wo die Gezeiten dafür sorgen, dass bei Niedrigwasser unglaublich große Flächen trockenfallen. Daraus ergibt sich eine ganz besondere Lebenswelt. Wir haben hier sehr stark spezialisierte und relativ einzigartige Tiere und Pflanzenarten. <<
Meeresmenschen-Audios
Darum geht´s: Nationalpark Wattenmeer, Bildungsarbeit, Biodiversität, Zugvögel, Klimawandel, Tourismus, Schleswig-Holstein
Lernt Christian Pienings Arbeit als Nationalpark Ranger nächer kennen und bekommt im kurzen Interview einen Einblick in den faszinierenden Lebensraum Wattenmeer:
Meeresmenschen Talk mit Christian Piening
Was sind die Aufgaben eines Nationalpark Rangers?
Das schwankt natürlich ein bisschen von Jahreszeit zu Jahreszeit. Aber im Prinzip geht es darum, dass wir Ansprechpartner sind, sowohl für Einheimische als auch für Touristen oder auch für Schulklassen.
Wir machen inzwischen eine Menge Bildungsarbeit, das heißt, wir gehen teilweise sogar in die Schulen und sprechen dort mit den Schülern und mit den Lehrern über den Nationalpark und über das Wattenmeer.
Macht ihr Monitoring?
Ja, wir übernehmen eine Menge Monitoring Aufgaben. Wir arbeiten der Wissenschaft zu und erheben Brutvogeldaten, Bruterfolgsdaten und zählen die Rastvögel. Das machen wir immer zu Springtide alle zwei Wochen, das ganze Jahr über. Im Winterhalbjahr führen wir außerdem Gänsezählungen durch.
Des weiteren gehören Spülsaumkontrollen dazu. Das heißt, wir kontrollieren das, was das Meer an den Deich spült. Das kann Plastikmüll sein oder Paraffin, Ölverschmutzung oder Anderes sein. Das wird das ganze Jahr über dokumentiert. Den Nationalpark gibt es seit 1985, da kommt schon ein ganz ordentlicher Datensatz zusammen über die vielen Jahre, die wir das inzwischen schon machen, und natürlich auch interessante Ergebnisse.
Foto © Barbara Dombrowski
Was ist so wichtig am Nationalpark Wattenmeer?
Der Nationalpark Wattenmeer ist zum einen aus sich selbst heraus wichtig. Das liegt daran, dass es ein unglaublich einzigartiger Lebensraum ist, den es so auf der Welt nicht häufig gibt, nämlich immer nur da, wo man ein flaches Meer hat und wo die Gezeiten dafür sorgen, dass bei Niedrigwasser unglaublich große Flächen trockenfallen.
Daraus ergibt sich eine ganz besondere Lebenswelt. Wir haben hier sehr stark spezialisierte und relativ einzigartige Tiere und Pflanzenarten. Zum anderen ist es eben die schiere Größe, es ist das größte Wattenmeer, das es in gemäßigten Breiten gibt.
Was bedeutet das Wattenmeer für die Zugvögel?
Es ist einfach unglaublich, wie viele Millionen Vögel hier im Laufe des Jahres entlang kommen. Sowohl natürlich als Brutvogel in der Brutsaison, aber hauptsächlich zu den Zugzeiten, das heißt im Frühling und im Herbst, wenn die Vögel hier auf der Durchreise sind und diesen besonderen Lebensraum nutzen, um sich Fettreserven anzufressen, damit sie diese unglaublich weiten Zugwege überhaupt bewältigen können, denn die sind ja viele tausend Kilometer lang und da braucht man schon ein ordentliches Polster.
Gibt es Auswirkungen des Klimawandels hier im Wattenmeer?
Was man langsam zu erfassen beginnt ist, dass die Vögel plötzlich zu unterschiedlichen Zeiten ziehen. Der Vogelzug beginnt im Frühjahr eventuell früher wenn sich das Klima wandelt. Die Vögel kommen dann auch früher in den Brutgebieten an und dann gibt es die sogenannte Missmatches, das heißt, die Vögel kommen an, aber die Nahrung, von der sie abhängig sind oder von denen die Jungvögel, die sie aufziehen wollen, abhängig sind, sind zu der entsprechenden Zeit noch nicht verfügbar. Deswegen haben die Jungvögel Schwierigkeiten heranzuwachsen, bleiben schwächer und das hat natürlich Auswirkungen.
Foto © Barbara Dombrowski
Auch das, was wir hier bei den Brutvögeln erleben. Es kommt leider immer häufiger zu Hochwasserereignissen in der Brutsaison, also im Sommer, was ja eher ungewöhnlich ist. Klassischerweise findet eine Sturmflut im Winter statt. Wenn ein Hochwasser in der Brutzeit passiert wird ein Großteil der Gelege überspült. Die Vögel, die hier im Nationalpark brüten, sitzen eben nicht auf Bäumen, sondern auf der Wiese. Wenn das Hochwasser früh im Sommer ist können Sie noch einmal ein Gelege versuchen, aber ein Großteil der Brut geht dann eben verloren. Vögel erreichen ein gewisses Alter. Darum fällt es nicht so früh auf, dass die Population langsam bröckelt. Irgendwann, wenn die Altvögel sterben, wird es einen ordentlichen Knick in der Populationskurve geben und das bereitet natürlich Sorge.
Hat das Wattenmeer eine touristische Relevanz?
Es ist einfach ein unglaublich faszinierender Lebensraum. Die touristischen Zahlen entwickeln sich nach oben. Es hat sich herumgesprochen, dass dieses Wattenmeer einen Besuch wert ist, auch wenn man nicht immer baden kann. Während des Niedrigwassers kann man ja im Watt herumlaufen, entweder auf eigene Faust oder besser noch, geführt. Es gibt wahnsinnig viele Führungen, die man hier wahrnehmen kann. Dort bekommt man das Wattenmeer von A bis Z gezeigt und auch die ganzen kleinen Lebewesen, denn hier laufen natürlich keine großen Tiere herum.
Man muss schon mal in die Knie gehen, so eine Grabegabel in die Hand nehmen und ein bisschen nach den Tieren suchen. Es ist wirklich eine ganz eigene Welt, die sich einem erschließt. Das ist spektakulär und das stellen die Besucher fest. Und für uns ist es natürlich auch toll, die Faszination zu wecken und den Leuten das Wattenmeer näher zu bringen, bei den bei den Urlaubern, aber auch gerade bei den bei den Einheimischen.
Was ist sonst noch wichtig?
Wir arbeiten inzwischen viel mit Schulen zusammen und da ist noch deutlich Luft nach oben bei den Kindern. Man merkt schon, dass die Schüler, obwohl sie hier quasi alle hinterm Deich wohnen, gar nicht so viel über das Watt wissen. Und da sehe ich auch unsere Aufgabe für die Zukunft, die Kinder generell für die Umwelt zu begeistern.
Man sieht ja, was im Moment auf der Welt passiert und dass Klima- und Naturschutz wieder in den Hintergrund gerät aufgrund der ganzen anderen großen Krisen auf der Welt. Da ist es wichtig am Ball zu bleiben und sich um die Jugend zu kümmern, weil ja, das ist für die Zukunft einfach wichtig.
WEITERLESEN:
https://www.nationalpark-wattenmeer.de/sh/
https://www.nationalpark-wattenmeer.de/wissensbeitrag/ranger-christian/
Doku: Frutti di Mare Folge Wattenmeer >>>
Anmerkung der Redaktion: Das Gespräch wurde aufgezeichnet am 19.02.2025. Zur besseren Lesbarkeit wurde das Interview teilweise gekürzt, strukturiert und redigiert.