Meerspektive: Segelmacherin Nathali Feldhusen

Innerhalb der Reihe „Meerspektiven“ stellen wir Euch vielseitige Berufe und Berufungen rund um die Meere vor. Egal ob eine Ausbildung, ein Studium oder ein Quereinstieg den Weg dorthin ermöglichen kann, egal ob große Karriere oder nebenberufliches Engagement, Ehrenamt oder Hauptjob. Wer möchte, findet viele Wege zu Meer. Dazu möchten wir Euch mit unseren Interviews und Infos inspirieren. Im folgenden Interview lernt Ihr die Kieler Segelmacherin Nathali Feldhusen kennen. Viel Spaß mit dieser Meerspektive!

Moin liebe Nathalie Feldhusen, du bist Segelmacherin in Kiel. Wenn du morgens in die Werkstatt gehst, was ist das Erste, das du normalerweise tust?
Als erstes schaue ich in den Briefkasten, dann ziehe ich die Schuhe aus, damit der Boden in der Werkstatt schön sauber bleibt, die Segel und auch die anderen Werkstücke werden häufig auf dem Boden bearbeitet und die sollen ja auch sauber bleiben. Bei einem Kaffee checke ich die Mails , bevor es an die Maschine geht.

Die Nähmaschine – wichtig, aber nicht die einzige Maschine in einer Segelmacherwerkstatt


ein Blick in die Werkstatt

Du bist mittlerweile selbstständig und arbeitest in einer eigenen Werkstatt in Kiel. Wo und wie hast du deinen beruflichen Werdegang gestartet, wie verlief dein Weg und wie gelang dir schließlich der Schritt in die Selbstständigkeit?
Ich bin in Schilksee und mit Segeln groß geworden, meine Großeltern hatten ein Boot und da ging es mit der ganzen Familie in jedem Urlaub und fast jedes Wochenende auf die Ostsee. Als Kind bin ich dann selbst zunächst Opti und später Laser gesegelt, für mich war klar, der Beruf sollte irgendwas mit Segeln zu tun haben und so habe ich mich um einen Ausbildungsplatz als Segelmacherin beworben.

>> Für mich war klar, der Beruf sollte irgendwas mit Segeln zu tun haben und so habe ich mich um einen Ausbildungsplatz als Segelmacherin beworben. <<

Nach meiner dreijährigen Ausbildung habe ich sieben Jahre als Segelmacherin gearbeitet. Die nächsten Jahre habe ich bei einem Yachtausrüster im kaufmännischen Bereich gearbeitet, hier konnte ich meine Kenntnisse noch im Bereich Decksbeschläge, Steuersysteme und Tauwerk erweitern und vertiefen. Die kaufmännischen Erfahrungen, die ich hier sammeln konnte, waren für meine Selbstständigkeit natürlich sehr hilfreich. Den Traum von einer eigenen Werkstatt hatte ich schon seit meiner Ausbildung und 2014 ergab sich dann die Gelegenheit eine Segelmacherei direkt in der Nachbarschaft zu übernehmen, die Chance habe ich dann ergriffen.

Das klingt wirklich nach einer guten Gelegenheit! Was war eines deiner schönsten beruflichen Erlebnisse bisher?
Der Ragatta- oder auch Trainingsgruppenmodus ist für mich immer wieder eines der schönsten Erlebnisse. Da geht es einfach zur Sache und ich kann den Seglern helfen, indem ich kurzfristig außerhalb der Öffnungszeiten die Segel repariere, sodass die Segler am nächsten Tag wieder auf die Bahn können. Zudem liebe ich es sehr, früh morgens, bei gutem Wetter in den Hafen zu fahren, um bei Kunden an Bord etwas anzubauen oder auszumessen, diese Stimmung ist einfach fantastisch und gibt mir Schwung für den Tag.

>> Der Ragattamodus ist für mich immer wieder eines der schönsten Erlebnisse. Da geht es einfach zur Sache und ich kann den Seglern helfen, indem ich kurzfristig außerhalb der Öffnungszeiten die Segel repariere, sodass die Segler am nächsten Tag wieder auf die Bahn können. <<

Vor sechs Jahre drehte der NDR einen kurzen Beitrag über dich. Damals warst du noch allein in deinem Betrieb und hattest vor zu wachsen. Was hat sich seitdem verändert?
Ohje, seitdem hat sich so vieles verändert, wir entwickeln uns ständig weiter, bauen die Werkstatt aus, um Arbeitsabläufe zu optimieren, im letzten Herbst konnten wir noch weitere Lagerfläche bei uns im Gebäude gewinnen, damit wir die ganzen Winterarbeiten irgendwo
lassen können und letzte Woche haben wir gerade unseren Hochhubwagen bekommen, damit wir die Segel einfacher bewegen können. Zur Zeit sind wir mit mir vier Frauen in der Segelmacherei, eine fest Angestellte und zwei Aushilfen auf Minijobbasis. Der Kundenzuspruch ist weitergewachsen und auch Corona hat noch einmal zu mehr Nachfrage in allen Bereichen geführt.

Wenn wir schon über Veränderungen sprechen: Inwiefern denkst Du, es ist noch angemessen, von der Segelmacherei als männerdominiertem Handwerk zu sprechen?
Eigentlich sollte das in der heutigen Zeit kein Thema mehr sein. Jeder kann doch alles machen, unabhängig vom Geschlecht. Bei uns waren nicht nur der NDR, auch andere Fernseh- und Radiosender waren zu Gast bei uns, wir haben schon einige Interviews gegeben, immer mit dem Hintergrund zum traditionellen Handwerk und weil ich eine Frau bin in diesem Beruf bin. Das erstaunt mich immer wieder. Da es aber nach wie vor mehr Männer als Frauen in diesem Beruf gibt, wird das sicher noch lange eine Frage in jedem Interview sein, das mag auch an der Kraft liegen, die man für diesen Beruf aufwenden muss.

>> Eigentlich sollte das in der heutigen Zeit kein Thema mehr sein. Jeder kann doch alles machen, unabhängig vom Geschlecht.>>

Verrate uns bitte etwas mehr darüber, wie ein typischer Arbeitstag für dich aussieht.
Einen typischen Arbeitsalltag gibt es bei mir nicht, jeder Tag ist anders. Wenn ich morgens in die Werkstatt komme, gucke ich zunächst die Mails durch und beatworte sie, vielleicht muss ich noch Material bestellen oder Angebote für Kunden erstellen, also erstmal den Schreibkram.

Jetzt kann ich an die Handarbeit, eine Segeländerung, dann muss ich noch einiges vermessen und zuschneiden oder auftrennen, bevor ich es wieder zusammenklebe und vernähe. Manchmal kommt ein Kunde und möchte etwas abholen oder etwas zur Reparatur bringen oder etwas neu anfertigen lassen. Dann sprechen wir darüber und ich berate den Kunden. Oder ich mache noch ein Rigging, dafür muss ich Draht abmessen und Terminals mit der Walzmaschine aufwalzen.

Immer wieder klingelt das Telefon , weil ein Kunde Beratung braucht und fragt ob ich eine Reparatur oder eine Neuanfertigung machen kann, er möchte einen Preis wissen und wann er es bekommen kann. Es stehen Reparaturen an, zum Beispiel die einer Sprayhood, hier muss ein Fenster ausgetauscht werden und die Nähte sind nachzunähen. Ein Skiffsegler steht vorne und möchte eine maßangefertigte Trapezhose haben, ich nehme die Maße und wir besprechen Farbe und Ausführung.

Ein Großfall muss angefertigt werden, ich vermesse das Tauwerk und spleiße auf der einen Seite ein flämisches Auge und auf der anderen Seite ein Auge ein. Nun tausche ich bei einer Strandkorbabdeckung noch die Reißverschlüsse aus, bevor ich bei einem Surfsegel einen Stecksaum aufsetze. Bevor ich Feierabend mache versehe ich alle heute neu abgegebenen Aufträge mit Auftragszetteln, packe sie ordentlich und bringe sie ins Lager. Nun sichte ich noch die Aufträge für den morgigen Tag und ordne sie den einzelnen Mitarbeitern zu. Noch aufräumen und jetzt Feierabend!

Gibt es Aufgaben die du besonders magst? Welche sind das?
Es kommen Kunden, die sich etwas ausgedacht haben, was es bisher so nicht gibt oder das zu Kaufende ist nicht zufriedenstellend. Ich mag es hier zusammen mit dem Kunden etwas Neues zu erarbeiten, passende Materialien und Befestigungen zu ermitteln, ausprobieren, ändern noch mal überdenken bis es funktioniert. Die Aufgaben eines Segelmachers sind wirklich vielfältig und machen alle Spaß, naja, bis auf Trennen. Dabei müssen die alten Nähte aufgetrennt werden, um an die schadhafte Stelle im Stoff zu kommen. Das ist mühsam.

Was ist besonders herausfordernd an deinem Beruf? Und wie meisterst du diese Herausforderungen?
Gerade zum Saisonstart im Frühjahr arbeiten wir unter enormen Zeitdruck und immer alles auf den Punkt fertig zu haben, ist trotz guter Planung, nicht immer einfach. Dann kommen Kunden, die spontan noch etwas gemacht haben möchten und die müssen wir dann auf einen späteren Zeitpunkt vertrösten, das fällt mir persönlich immer schwer. Ich möchte jeden Kunden glücklich machen.

>> Im besten Fall segelt man selbst, das erleichtert das Grundverständnis erheblich. Man braucht natürlich handwerkliches Geschick und technisches Verständnis und auch einiges an Kraft. <<

Welche Voraussetzungen sollte man idealerweise mitbringen, wenn man als Segelmacher*in anfangen will?
Im besten Fall segelt man selbst, das erleichtert das Grundverständnis erheblich. Man braucht natürlich handwerkliches Geschick und technisches Verständnis und auch einiges an Kraft, denn die Materialien sind schwer.

Bei dir im Betrieb ist zurzeit eine Stelle frei. Wie und wer kann sich bei dir bewerben, um bei der Segelmacherei Feldhusen anzufangen?
Wir suchen einen ausgebildeten Segelmacher mit Berufserfahrung im Bereich Persenninge. Wir bieten zurzeit keine Neuanfertigungen von Sprayhoods und Kuchenbuden an, da wir das personell gerade nicht schaffen, die Nachfrage ist aber groß und wir würden diesen Bereich
auch allzu gerne mit abdecken. Wir freuen uns also auf Bewerbungen!

Und welche Möglichkeiten gibt es für noch nicht fertig Ausgebildete? Ist es möglich ins Segelmacherhandwerk reinzuschnuppern? Also in Form eines Praktikums oder ähnlichen?
Wir hatten schon Schülerpraktikanten, allerdings sind die Praktika häufig im Frühjahr, also genau in der Zeit, wo wir am meisten zu tun haben. Unser Anspruch ist es, den Praktikanten aber wirklich einen Einblick in den Beruf des Segelmachers zu bieten und ihn auch vieles
selbst machen zu lassen und das ist für uns im Frühjahr einfach nicht möglich. Es kommt also auf die Zeit an, in der das Praktikum stattfinden soll und auf unser Arbeitsaufkommen.

Danke für diesen Hinweis! Zum Schluss noch die Frage welchen Tipp du für angehende Segelmacher*innen hast.
Was soll ich sagen, ich liebe meinen Beruf und für mich ist er Berufung! Ich habe mir gleich zu Beginn meiner Ausbildung eine sehr gute Schere und einen Segelmacherhandschuh zugelegt, beides benutze ich heute noch. Gutes Werkzeug erleichtert die Arbeit sehr und daran sollte man nicht sparen.

an gutem Werkzeug sollte man nicht sparen!

VIELEN DANK NATHALI FÜR DEINE AUFSCHLUSSREICHEN, INTERESSANTEN ANTWORTEN. WIR WÜNSCHEN EINE GUTE SAISON UND WEITERHIN ALLES GUTE!

Ein Interview von Ciara Fischer

SEGELMACHER*IN: DEIN JOB? DEINE INFOS!

Segelmacherei Feldhusen: www.segelmacherei-feldhusen.de

Du fragt dich, wo du weitere Infos zum Beruf „Segelmacher*in“ und zu Ausbildungsmöglichkeiten findest? Die folgenden Links sollten dir weiterhelfen:

Anlaufstelle Nummer eins ist die Berufsschule der Handelskammer in Lübeck Travemünde. Angehende Segelmacher*innen verbringen hier während ihrer Ausbildung 36 Wochen, in denen sie in 12 Lernmodulen die Grundlagen des Segelmacherberufes vermittelt bekommen. Auf der Internetseite der Berufsschule findet ihr weitreichende Infos zu Ausbildungsmöglichkeiten, den Lehrplan, Eindrücke von Auszubildenden und vieles mehr. Klickt hier!

Ganz allgemein zum Beruf informiert u.a. auch Das Handwerk unter diesem Link.

Nach bestandener Gesell*innen Prüfung und einiger Zeit Berufserfahrung ist für Segelmacher*innen eine Weiterbildung zur Segelmachermeister*in möglich, auch ein Studium in Bereich Textil- oder Bekleidungstechnik kommt als Weiterbildungsmöglichkeit in Frage.