Meerspektive: DLRG-Rettungsschwimmer Tobias Wilke

Innerhalb der Reihe „Meerspektiven“ stellen wir Euch vielseitige Berufe und Berufungen rund um die Meere vor. Egal ob eine Ausbildung, ein Studium oder ein Quereinstieg den Weg dorthin ermöglichen kann, egal ob große Karriere oder nebenberufliches Engagement, Ehrenamt oder Hauptjob. Wer sucht, findet zahlreiche Wege zum Meer. Dazu möchten wir Euch mit unseren Interviews und Infos inspirieren. Im folgenden Interview lernt Ihr den Rettungsschwimmer Tobias Wilke kennen.  Tobias ist Lehrer und zudem Vorsitzender der DLRG-Ortsgruppe Kiel. Er hat 1991 bei der DLRG Schwimmen gelernt und ist der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft seitdem treu geblieben. Kaum zu glauben, dass dieses ganz besondere  Ehrenamt trotz seiner zahlreichen verschiedenen Aufgaben und Herausforderungen „nur“ ein Ehrenamt und kein Vollzeitjob ist.  Im Interview erfahrt Ihr unter anderem mehr über Tobias konkrete Aufgaben und darüber wie er selbst im Urlaub im Einsatz für das Ehrenamt ist. Tobias blickt mit Euch außerdem auf einen ganz besonderen Rettungseinsatz zurück und erzählt zudem über eine zentrale und aktuell schwierige Aufgabe der DLRG-Engagierten – dem Schwimmunterricht. Viel Spaß mit dieser Meerspektive!

Moin Tobias, bitte stelle Dich einmal kurz vor!
Moin mein Name ist Tobias Wilke. Im wirklichen Leben bin ich Lehrer an einer großen Gemeinschaftsschule und im anderen wirklichen Leben stecke ich als Vorsitzender der DLRG Kiel natürlich sehr tief im Ehrenamt, arbeite viel auf allen Ebenen mit und verbringe hier meine Freizeit. Ich nenne die DLRG auch gerne mal meine zweite Familie.

Was verbindet Dich mit dem Meer?
Ich bin an der Küste großgeworden und schon immer sehr Wasser affin gewesen. Habe schon als kleiner Junge am Strand Muscheln und Müll gesammelt und Fische gefangen und das Bootfahren für mich entdeckt.

Und was bedeutet Schwimmen für dich?
Schwimmen bedeutet zum Teil Sport, zum Teil Entspannung, zum Teil einfach Spaß und Auseinandersetzung mit dem Element Wasser. Meine weitere Leidenschaft ist Schnorcheltauchen.

Wie lange bist du schon bei der bei der DLRG und was hat dich dazu motiviert?
Angefangen hat das mit Schwimmen lernen. Meine Eltern haben mich 1991 bei der DLRG angemeldet, damit ich schwimmen lernen kann. Ich habe dann die ganz klassischen Schwimm-Abzeichen durchlaufen, vom Seepferdchen bis zum Freischwimmer, Silber-Abzeichen und so weiter. Und irgendwann fragte ein Ausbilder, da ich ja so viel Spaß am Wasser habe, ob ich nicht auch Lust hätte weiter zu machen, den Rettungsschwimmerkurs zu machen und in die Rettungsschwimmer Riege aufzusteigen.

1997 wurde ich dann das erste Mal zum Rettungsschwimmer ausgebildet, damals noch in der Ortsgruppe Quickborn. Seitdem bin ich als Rettungsschwimmer immer im Freibad aktiv gewesen, habe Wachdienst gemacht und auf die Badegäste aufgepasst, bin an die Küste gefahren, habe an Küstenwachen teilgenommen und auf dem Wachturm gesessen. Ganz klassisch, wie man das kennt. Später bin ich dann fürs Studium nach Kiel gezogen und engagiere mit seitdem bei der DLRG in Kiel. Jetzt bin ich seit mehreren Jahren Vorsitzender der DLRG in Kiel und über das Amt des stellvertretenden Vorsitzenden dorthin aufgestiegen.

Was genau sind Deine Aufgaben bei der DLRG?
Zunächst einmal die Vorstandsarbeit, also als Vorsitzender den Verein zu leiten und Aufgaben zu verteilen, mit den einzelnen Ressorts die Kontakte zu halten und Kontakt auch zur Politik, Presse sowie anderen Vereinen und Verbänden. Aber ansonsten bin ich auch ganz normaler Schwimmer und Ausbilder in der Schwimmhalle. Ich gebe Erste-Hilfe-Kurse, Rettungsschwimmerkurse und nehme Abzeichen ab. Und ich sitze in meiner Freizeit auf dem Wachturm. Im Urlaub verbringe ich auch mal zwei, drei Wochen Urlaub an der Küste. Bei Regatten bin ich tätig als Bootsführer.  Zudem bin ich Ausbilder für den Bereich Bootswesen, also ich bringe Rettungsschwimmern bei, Rettungsboot zu fahren.

Dein Ehrenamt klingt eher wie ein Vollzeitjob!
Manchmal kommt es dem recht nahe. Die Freizeit und Urlaubszeit sind schon sehr verplant. Von sieben Tagen bin ich mindestens vier Tage die Woche mit der DLRG unterwegs. Oder ich tue irgendwas für die DLRG, schreibe irgendwelche Listen, E-Mails führe Telefonate. Da ist immer irgendwas zu tun und in der Sommersaison natürlich noch mehr. Dann stehen die ganzen Wassersport-Veranstaltungen wie Regatten oder Langstreckenschwimmen an, die wir mit unseren Booten absichern.

>> Es ist viel Zeit, die da bei draufgeht, die ich aber auch sehr gerne investiere, weil die DLRG für mich einfach eine zweite Familie ist. Ich habe hier viele Freunde gefunden. Und: Ich habe meine Ehefrau im Verein kennengelernt. <<

Da bin ich natürlich auch dabei. Es ist viel Zeit, die da bei draufgeht, die ich aber auch sehr gerne investiere, weil die DLRG für mich einfach, wie ich vorhin schon sagte, eine zweite Familie ist. Ich habe hier viele Freunde gefunden. Ich habe meine Ehefrau im Verein kennengelernt, die auch sehr aktiv dabei ist. Es macht einfach unglaublich viel Spaß. Man knüpft wahnsinnig viele Kontakte. Ich glaube, es gibt kein Bundesland, in dem ich nicht irgendwelche Freunde habe.

Ja, klingt großartig. Du hast eben angesprochen, dass wenn du im Urlaub bist, oft an den Küsten eingesetzt wirst – das heißt Du verbindest Urlaub und Wachdienst?
Ja, ich opfere meinen Urlaub für die Strandwacht. Es gibt über 100 Stationen an den Küsten Mecklenburg-Vorpommerns und Schleswig-Holsteins. Man sich dort bewerben, um dort Wachdienst zu machen. Man bekommt dann dort Unterkunft und Verpflegung gestellt. Und dann macht man von morgens um neun bis nachmittags oder abends um 18 Uhr den Wachdienst – also auf dem Wachturm sitzen, Rettungsboot fahren oder am Strand Streife laufen. Inzwischen bin ich so weit, dass ich natürlich auch mal die Leitung übernehme.

Aber nur weil man auf dem Turm sitzt, heißt das nicht, dass man die Sonne und das Meer nicht genießen darf. Nur man hat eben noch eine Aufgabe dabei. Man sitzt nicht langweilig im Strandkorb und lernt dabei wieder neue Leute kennen, hat abends Spaß zusammen, kann feiern, mal zusammen grillen, mal ein Bierchen trinken. Das ist schon eine wirklich tolle Gemeinschaft, die wir da haben, weil alle auch irgendwo die gleichen Werte haben und alle irgendwo die gleichen Einstellungen mitbringen.

Was sind die größten Herausforderungen in deiner Tätigkeit bei der DLRG?
Da könnte ich jetzt für jeden der einzelnen Bereich irgendwas antworten. Ich nehme mal die Vorstands-Tätigkeit, da ist es wirklich das Zusammenhalten der verschiedenen Ressorts und das Abdecken der verschiedenen Bedürfnisse. Natürlich haben die Leute, die Schwimm-Ausbildungen machen andere Bedürfnisse als die, die Boot fahren wollen. Die einen brauchen Geld, die anderen brauchen Geld. Das muss alles verteilt werden. Es muss alles bewirtschaftet werden, so dass man dann auch niemanden irgendwie böse zurücklässt. Es gibt auch mal Streitigkeiten, das ist in jeder Familie so, da dann die Streitigkeiten zu schlichten, die manchmal auch etwas verbohrter sind, dann zum Beispiel, wenn alte und neue Ideen, ja Generationen aufeinandertreffen. Diese Konflikte zu lösen ist nicht einfach.

Einen großen Teil meiner Vorstandsarbeit, die mir Gott sei Dank auch sehr erleichtert wird durch meine stellvertretenden Vorsitzenden Dirk Bohner und Sebastian Beck, ist die Finanzierung des Vereins. Wir sind ein Verein, der sich durch Mitgliedsbeiträge und Spenden finanziert. Und wenn keine Spenden und keine Mitgliedsbeiträge reinkommen, dann können wie eben auch nichts bezahlen. Aktuell zum Beispiel hat unser Sprinter einen Motorschaden, aber wir haben Schwierigkeiten, ein neues Auto zu kaufen. Aber wir brauchen es, um Boote zu ihren Einsätzen zu bringen oder um die Schwimmer*innen in die Schwimmhalle zu fahren. Und da kämpfen wir um jeden Cent. Das ist schon fordernd und anstrengend.

Was zählt zu deinen schönsten Erlebnissen in Deiner langen Zeit bei der DLRG?
Selbstverständlich das Kennenlernen meiner Frau. Und: Ich habe eine Situation erlebt, in der beinahe ein Kind ertrunken ist. Damals war ich als Besatzungsmitglied auf einem Rettungsboot unterwegs und war erst 16 Jahre alt. Das ist also auch schon eine Weile her. Das Kind schwamm in der Elbe ein kleines Stück zu weit raus, kam dann in die Strömung und ging einfach unter und war weg. Das Wasser war relativ trüb und das Kind war weg und ich war schon dabei, meine Weste aufzumachen, meine Rettungsweste, um hinterher zu springen.

Und dann kam noch einmal diese kleine Kinderhand nach oben. Wirklich nur die die Hand. In dem Moment, wo es neben dem Boot war, konnte ich diese Hand greifen und ich hatte so viel Adrenalin, dass ich das Kind am langen Arm wie mit einem Kram ins Boot gehoben habe, ich habe einfach nur noch funktioniert und diesen Jungen aus dem Wasser gezogen. In den Moment habe ich überhaupt gar nicht drüber nachgedacht und auch gar keine Gefühlsregung gehabt. Wir haben den Jungen dann versorgt und an den Rettungsdienst übergeben. Und dann bin ich mit dem Bootsführer zu unserer Station zurückgefahren. Wir sind also alleine einfach über den Fluss gefahren. Es fing an zu schütten wie aus Eimern und wir haben uns einfach die ganze Zeit nur angelacht und uns gefreut, dass es jetzt regnet und gefreut, dass das alles funktioniert hat und wir unserer Aufgabe nachgekommen sind. Und dieses Gefühl, jemandem etwas Gutes getan zu haben, das war für mich unglaublich und bestimmt auch ein Punkt, der mir gezeigt hat: In dem Verein bist du richtig!

Das glaube ich, ein wirklich sehr bewegendes Erlebnis. Kommen wir einmal DLRG Ortsgruppe Kiel, bzw. wie Ihr es nennt der DLRG Gliederung Kiel. Wie viele Mitglieder*innen habt Ihr hier?
Also Mitglieder*innen hat der Verein aktuell ungefähr 680, das schwankt natürlich immer etwas. In Corona-Zeiten kommen leider weniger Mitglieder*innen dazu, weil auch weniger Kinder Schwimmkurs machen und in den Verein eintreten. Aber irgendwo zwischen 650 und 700 bewegen wir uns. Das sind die, die offiziell auf dem Papier Mitglied sind. Damit sind wir in Kiel glaube ich der viert oder fünft größte Verein – an den THW Kiel und Holstein Kiel kommen nicht ran, auch der Kieler Yachtclub hat wesentlich mehr Mitglieder*innen als wir.

Die Anzahl der Aktiven kann man nicht so einfach beziffern, weil wir ja jede Sparte für sich angucken müssen. Wir haben ganz viele Mitglieder*innen, die sind zweimal die Woche in der Schwimmhalle, geben eine Stunde Schwimmkurs und fahren wieder nach Hause. Und das ist ihre DLRG-Arbeit, die wir sehr schätzen und die wir auch brauchen, die total toll ist. Wir haben aber auch Leute, die quasi hier in unserer Halle wohnen und sich um die Boote, Technik, Fahrzeuge und Trailer kümmern, sie pflegen, warten, reparieren und somit natürlich wesentlich mehr Stunden hier rein investieren.

Also, Leute, die auch aktiv mit Boot fahren und mit an den Fahrzeugen und Booten schrauben, würde ich jetzt mal sagen sind wir so etwa 30 Aktive. Und in der Schwimm-Ausbildung kommen wir bestimmt so an die 80 Aktive insgesamt, die zumindest einmal pro Woche einen Schwimmkurs geben.

Du hast eben schon von den Ressorts gesprochen. Kannst du das ganz kurz erläutern, welche Ressorts es so bei der DLRG gibt?
Wir in Kiel haben uns auf die Schwimm-Ausbildung und das Bootswesen konzentriert. Das sind unsere Hauptbeschäftigungen. Es gibt noch Ortsgruppen oder Gliederungen, die sich mit Tauchen beschäftigen, die Einsatz-Gruppen haben oder die sehr viel Jugend- und Kindergruppenarbeit betreiben. Es gibt Ortsgruppen, die sich auf das Sanitäts- und Erste-Hilfe-Wesen konzentrieren. Und es gibt inzwischen neue Bereiche wie zum Beispiel Wasserrettung mit Hilfe von Drohnen.

Aber wie gesagt, der Fokus der DLRG Kiel liegt beim  Bootswesen und der Schwimm-Ausbildung. Unsere Jugendabteilung hat außerdem eine kleine Wettkampf-Gruppe, die auch Rettungsschwimm-Wettkämpfe mitmachen und ein Jugend-Einsatzteam betreut, das nachwächst, um dann irgendwann den Einsatzbereich wieder zu verstärken. Also so etwas wie es bei der Jugendfeuerwehr gibt, gibt es bei uns im Prinzip auch.

Wie oft müsst ihr spontan zu einem Einsatz aufbrechen oder müsst ihr das gar nicht?
In Kiel müssen wir es nicht. Es gibt viele Ortsgruppen, die eine sogenannte schnelle Einsatzgruppe haben, die im Notfall wie bei der Feuerwehr per Pieper alarmiert werden und dann schnell losfahren müssen. Die gibt es zum Beispiel in Flensburg oder in Stormarn. Aber in Kiel haben wir das nicht, weil wir auch sehr weit verteilt sind, durch das Ost- und Westufer. Da wir aber in Kiel die Berufsfeuerwehr haben, die natürlich sehr, sehr viel abdeckt und auch abdecken will, sind wir da etwas noch zurückhaltender.

Aber gerade jetzt wieder im Zuge der der Flutkatastrophen in Süddeutschland sind natürlich wieder Fragen aufgekommen wie „Was ist denn Katastrophenschutz? Wo sind wir denn da eigentlich eingebracht? Gibt es Katastrophenschutz in Schleswig-Holstein und wo kann der vielleicht auch von der DLRG unterstützt werden?“ Katastrophenschutz ist eine große Sparte, die in Süddeutschland und in Nordrhein-Westfalen sehr aktiv betrieben wird von den Ortsgruppen.

Ihr arbeitet in Kiel ja auch öfter mit der Wasserwacht zusammen. Kannst Du Außenstehenden erklären, wo der Unterschied zwischen der Wasserwacht und der DLRG ist und an welchen Punkten ihr zusammenarbeitet?
Ich glaube, für denjenigen, der gerettet wird, ist es völlig egal, ob das der DLRG Adler und Rotes Kreuz drauf ist, wie im Falle der Wasserwacht. Wir machen beide die gleiche Arbeit. Es sind einfach zwei Organisationen, die sich dem Gleichen verschrieben haben. Wir beide haben Rettungsschwimmer*innen, die werden alle nach den gleichen Standards ausgebildet, bei der Wasserwacht genauso wie bei uns. Nur dass wir unter dem Deckmantel DLRG firmieren und die unter dem Deckmantel Rotes Kreuz. Aber das heißt nicht, dass wir deswegen wir in Konkurrenz zueinanderstehen, sondern ganz im Gegenteil.

Wir versuchen die Synergieeffekte zu nutzen. Und die Wasserwacht ist seit 40, 50 Jahren hier in Kiel an den Stränden aktiv und macht den Waser-Rettungsdienst. Und da wir als Gliederung Kiel natürlich sagen, wir möchten, wenn wir etwas bewachen, natürlich auch gerne an Kieler Stränden unterwegs sein und hier ein bisschen Flagge zeigen, sind wir eine Kooperation mit der Wasserwacht eingegangen. Und jetzt kann es einem in Falkenstein oder in Strande oder am Strand passieren, dass man entweder von jemandem in rot oder von jemanden in weiß gerettet wird – oder von beiden gleichzeitig.

An den Küsten und vor allem in den Sommermonaten bekommen die Ortsgruppen oft Unterstützung von Rettungsschwimmer*innen aus der ganzen Republik. Werden diese Kolleginnen für ihren Einsatz am und im Meer noch mal besonders geschult?
Eine Voraussetzung ist, dass man mindestens 16 Jahre alt sein und das deutsche Rettungsschwimmer Abzeichen in Silber abgelegt haben muss. Das wird allerdings in der Schwimmhalle meistens ausgebildet. Insofern ist das die einzige Vorbildung. In der Station findet dann noch mal eine Gebiets-Einweisung statt.

Was wir zusätzlich noch haben, ist die sogenannte Basisausbildung. Das ist im Prinzip so was wie eine Grundausbildung bei der Bundeswehr oder bei der Feuerwehr gibt es das auch. Und da gibt es Elemente, die eben auch mit Revierkunde, also mit Schwimmen in strömenden Gewässern oder Gefahren an der Küste zu tun haben und so weiter. Und Leute, die diese Basisausbildung gemacht haben, kriegen auch ein klein bisschen mehr Pauschale pro Tag. Das ist schon ein Anreiz, auch wenn es insgesamt natürlich nicht viel ist – je nach Ausbildung bekommen wir eine Aufwandsentschädigung zwischen 8 und 12 Euro am Tag

Inwiefern spielt das Thema Meeresschutz eine Rolle in eurer Arbeit bzw. hat sich das in den vergangenen Jahren etwas geändert?
Es hat sich insofern geändert, als dass wir schon mehr darauf achten. Wenn wir zum Beispiel unsere Rettungsboote anschauen: Die fahren ja alle mit Benzin getriebenen Motoren rum. Früher war es egal, da hat man einfach viel schluckende Motoren genommen und dann kam halt mal ein Tropfen Öl ins Wasser. Aber das Bewusstsein ist schon um vieles, vieles besser geworden. Wir achten darauf, dass wir Sprit sparende Motoren nehmen und die höhere Umweltstandards einhalten und wir nicht mit dem alten billigen Zweitakter durchs Naturschutzgebiet brettern. Wir nehmen auch regelmäßig an Beach-Clean-Ups teil. Und wenn wir auf der Regatta waren, rumfahren und Plastikbecher sehen, dann sammeln wir die auf.

Kommen wir zu einem Eurer Kernthemen – der Schwimmausbildung. Der Anteil an Nichtschwimmern unter Kindern ist bedenklich hoch – hat das Thema Schwimmen lernen einen zu niedrigen Stellenwert?
Hm, ich glaube, das Interesse ist durchaus da. Aber oft fehlen die Möglichkeiten. Also es gibt massive Schließungen von Schwimmbädern, z.B. weil diese einfach von den Kommunen nicht kostendeckend betrieben werden können. Da haben wir in Kiel natürlich eine ganz nette Situation, dass wir jetzt gerade eine neue Schwimmhalle gekriegt haben in den letzten Jahren. Dafür sind aber auch wieder welche geschlossen worden. Also wir sind da wenigstens auf dem Stand geblieben. Aber in vielen Bereichen werden Schwimmbäder geschlossen und dort, wo Schwimmbäder geschlossen werden, kann eben kein Schwimmunterricht stattfinden.

Natürlich wünschen wir uns mehr auch mehr qualifizierte Mitarbeiter*innen, die Spaß an der Geschichte haben und Lust, auch ein bisschen dieses Selbstlose im Bereich Ehrenamt aufrechtzuerhalten. Und das haben wir auch schon gemerkt in den letzten Jahren, dass dieses Selbstlose, dass für die Gemeinschaft da zu sein, dass das allgemein ein bisschen nachgelassen hat.

Mal abgesehen von den oft fehlenden Finanzmitteln der Kommunen, an welchen Stellschrauben könnte noch gedreht werden, um mehr Schwimmunterricht zu realisieren?
Es müssten flächendeckend Zeiten in den Schwimmhallen vorhanden sein, in denen wir als Ehrenamtler*innen auch arbeiten können. Es bringt mir nichts, wenn man mir morgens um 10 Uhr eine Bahn gibt. Da habe ich keine Zeit, da arbeite ich. Ich mache das eben nicht hauptberuflich und ich brauche im Nachmittagsbereich Möglichkeiten, Schwimmkurse anzubieten, die für alle gut erreichbar ist, wo vielleicht auch mal Fahrtkosten übernommen werden oder Bildungsgutscheine eingelöst werden können.

Und gerade für Kinder, deren Familien finanziell schwächer aufgestellt sind, würde es helfen, wenn die Schwimmausbildung auch in den Schulen ein bisschen mehr forciert wird. Es gibt viele Schulen, die einfach gar nicht schwimmen gehen, weil die Lehrer*innen teilweise auch mangelhaft ausgebildet sind oder zu wenige Lehrer*innen da sind, die das können oder dürfen. Da könnte zum Beispiel die Landesregierung in die in die Richtung Lehrer und Schulen einwirken. Und es würde uns zum Beispiel auch schon was bringen, wenn die Bahn pro Schwimmtag nicht 25, sondern nur 23 Euro kosten würde… Solche Sachen sind Kleinigkeiten, die da dann aber am Ende die große Summe ausmachen!

Die Pandemie hat das Problem mit den Schwimm-Ausbildungen weiter erschwert, gibt es da mittlerweile Pläne und Ideen, wie man diesem Vakuum begegnen könnte?
Es gibt immer wieder Ideen oder Pläne, die aber nicht richtig Hand und Fuß haben. Da müssten wirklich alle Akteure miteinander zusammenarbeiten – die Kommunen, die Schwimmvereine und auch ganz wichtig – die Schulen. Die müssten alle an einem Strang ziehen aber dieses an-einem -Strang-ziehen ist in einer bürokratischen Welt einfach schwierig und unglaublich anstrengend. Und wir versuchen alles, was wir können, um vielleicht auch noch mal doppelt Kurse anzubieten und mehr Kinder dazu zu bringen, ins Wasser zu kommen. Aber auch unsere personellen Kapazitäten sind halt begrenzt.

Welchen Tipp kannst Eltern geben, die verzweifelt nach einem Schwimmkurs für ihre Kinder suchen?
Das richtige Schwimmen lernen an sich ist zwar wichtig, aber man kann ganz, ganz viel selber schon vorbereiten. Für Schwimmer-Ausbilder*innen bringt es zum Beispiel ganz viel, wenn ein Kind die Augen unter Wasser schon aufmachen kann, wenn es keine Angst davor hat, zwischen kaltem und warmen Wasser hin und her zu tauschen. Wenn es keine Angst vor Wasser hat, das von oben kommt und ins Gesicht spritzt. Diese ganzen Geschichten kann man zu Hause, im Waschbecken und in der Badewanne schon üben. Wenn das gekonnt wird, dann dauert der Schwimmkurs oft nur noch halb so lang. Also das ist schon mal etwas, was man zu Hause auf jeden Fall üben kann. Schwimmbewegungen beibringen wiederum ist immer so eine Geschichte. Das sollte man schon denen überlassen, die es dann auch wirklich können.

Wir kriegen auch ganz oft Kinder, die sagen Ich kann schon schwimmen und dann sieht das aus wie Kraut und Rüben. Und man denkt ja auch, die fangen wieder von vorne an, was dann wieder Zeit kostet. Aber sich im Wasser bewegen und sich im Wasser sicher fühlen und Respekt vor dem Wasser auch zu lernen, das ist etwas, was man definitiv zu Hause schon machen kann. Das würde ich allen Eltern auch raten, so viel wie möglich mit den Kindern am Wasser zu machen. Das kommt irgendwann der Augenblick, wo das Kind vom Steg ins Wasser fällt. Und wenn es dann ins Wasser fällt, kommt die Panik des Fallens zur Panik des Wassers im Gesicht Wenn wir eine von diesen Parksituationen schon ausschalten können, ist die ganze Situation nur noch halb so schlimm.

Apropos: Wie erkennt man, wenn jemand im Wasser in Gefahr ist?
Nimm vor allem Abstand von Dingen, die wir aus Funk und Fernsehen kennen. Es wird selten der Fall sein, dass ein in Not-Geratener anfängt, laut zu rufen und zu winken und um Hilfe zu brüllen. Es ist nicht so, dass jemand wirklich laut um Hilfe schreit, die meisten Leute werden eher ruhig und versinken einfach, bevor sie dann trinken.

Dazu zählen leider auch ganz häufig auch Kinder, weil Eltern sie nicht im Blick haben. Da ist das Smartphone wichtiger als das Kind. Es ertrinken mehr Kinder im knietiefen Wasser, als man sich vorstellen kann. Diese Gefahr verstehen die meisten einfach gar nicht. Für die ist die Ostsee einfach nett und ruhig. Doch die Strömungen die dazu kommen, die sieht man ja oft gar nicht sieht. Und dann zack, ist es passiert. Kurz gesagt: Die Kinder sollen im Wasser spielen, bitte! Und sie sollen im Schlamm buddeln und sie sollen machen, worauf sie Lust haben. Aber sie sollen dabei bitte beaufsichtigt werden.

Es gibt zehn Baderegeln, die meisten von uns kennen ein paar davon – nicht mit vollem Magen schwimmen, bei Gewitter nicht ins Wasser gehen –  bestimmt aber nicht alle auf Anhieb. Was wäre denn so die Ober-Ober-Baderegel? Etwas, was sich echt jede*r einprägen sollte fürs Leben?
Jede einzelne Baderegel für sich ist wichtig, und sie alle zehn zusammen bilden ein Gesamtgefüge. Aber etwas ganz grundlegend Wichtiges beim Baden, was man ernst nehmen sollte ist: Gehe niemals alleine schwimmen.

Danke Tobias für das Interview und Deine Zeit und danke auch an Jasmin Walter – die Euch im Feld unten noch mehr zur DLRG Kiel verrät!

Ein Interview von Katharina Troch

Interesse an einem vielseitigen Ehrenamt mit allzeit Wasser in der Nähe? Hier findet Ihr mehr Infos zur DLRG:

Du hast Interesse, bei der DLRG mitzumachen? Jasmin Walter, dank ihres Großvaters seit Geburt an Vereinsmitglied bei der DLRG,  ist Referentin für Öffentlichkeitsarbeit bei der DLRG Kiel und verrät Euch mehr:

Liebe Jasmin, was muss man können, um bei Euch mitzumachen?
„Man muss nichts können, nur motiviert sollte man sein, um Neues zu lernen und sich mit einzubringen. Um mehr zu erfahren, ruft uns gerne in unserer Geschäftsstelle an, kontaktiert uns über Instagram/Facebook, schreibt uns eine Mail – oder  sprecht uns gerne auch direkt an.“

Die DLRG bietet ein breites Feld an Einsatzmöglichkeiten. Welche Fort- und Ausbildungen können Eure Mitglieder*innen absolvieren?
„Zu unseren Angeboten zählen unter anderem: das Rettungsschwimmabzeichen, Erste-Hilfe-Kurse sowie Fortbildungen zum / zur Schwimmausbilder*in, Bootsführer*in oder Sprechfunker*in.“

Mehr Angebote zu Schwimm- und anderen Kursen findet Ihr auf www.kiel.dlrg.de Folgt der DLRG Kiel gerne auch bei Instagram und Facebook

Anschrift: Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft // Ortsgruppe Kiel e.V. // Zum Kesselort 73-75 //| 24149 Kiel