Meerspektive: Künstlerin Lis Kortmann

Innerhalb der Reihe „Meerspektiven“ stellen wir Euch vielseitige Berufe und Berufungen rund um die Meere vor. Egal ob eine Ausbildung, ein Studium oder ein Quereinstieg den Weg dorthin ermöglichen kann, egal ob große Karriere oder nebenberufliches Engagement, Ehrenamt oder Hauptjob. Wer sucht, findet zahlreiche Wege zum Meer. Dazu möchten wir Euch mit unseren Interviews und Infos inspirieren. Im folgenden Interview lernt Ihr die Künstlerin und Fotografin Lis Kortmann kennen, die sich dem Meer verbunden fühlt und bereits verschiedene Ausstellungen rund um unsere Ozeane und deren Gefährdung gestaltet hat. Viel Spaß mit dieser Meerspektive!

Moin Lis,
Vielen Dank, dass du Zeit für ein Interview nimmst, obwohl du gerade mitten im Ausstellungsstress bist! Möchtest du einmal kurz beschreiben, wer du bist und was du so machst?

Hallo ich bin Lis Kortmann und ich lebe und arbeite als freie Künstlerin und Fotografin in Schleswig-Holstein.

Wo hast du denn Fotografie studiert?

Mein Fotografie, Film und TV-Studium habe ich 1998 an der Napier University in Edinburgh (Schottland) begonnen und dort 2001 mit dem Bachelor of Arts (Hons.) abgeschlossen.

Wolltest du schon immer Fotografin werden oder gab es ein bestimmtes Schlüsselerlebnis, das dir klar gemacht hat, dass dies dein Weg ist?

Ich bin bereits sehr früh durch meinen Großvater mit der Fotografie in Berührung gekommen: Seit ich mit 13 Jahren sein Dunkelkammerequipment geerbt habe, habe ich viel Zeit meiner Jugend im umfunktionierten Waschkeller meiner Eltern bei Rotlicht und dem Duft von Entwickler- und Fixiererflüssigkeiten verbracht. Es hat mich fasziniert, mit Licht und verschiedenen Materialien zu experimentieren und dabei eigene Welten sichtbar zu machen.

Was begeistert dich an deinem Beruf und was sind eher Tätigkeiten, auf die du verzichten könntest?

Besonders schätze ich an meinem Beruf die Vielfalt der Tätigkeiten und die Abwechslung. Sich einem Thema von vielen verschiedenen Seiten zu nähern, immer wieder neue inhaltliche und technische Wege zu suchen und zu beschreiten entspricht genau meinem Wesen. Zudem lerne ich die unterschiedlichsten
und interessantesten Menschen kennen. Es gibt natürlich auch banale, organisatorische Aufgaben, denen ich mich weniger gerne stelle. Doch oft sind es gerade diese Herausforderungen, die wieder neue Perspektiven ermöglichen, und das Große erst „ganz“ werden lassen.

Deine neue Ausstellung “FLUT” beschäftigt sich mit der Beziehung zwischen Mensch und Meer, indem du Landschaften aus angespültem Plastik nachgebaut hast. Was genau verbindet dich denn mit dem Meer?
Ich liebe das Meer. Ich liebe es, es zu beobachten und mich dabei seinem ständigen Spiel zwischen den Polen hinzugeben. Ich bin inspiriert von seiner Ursprünglichkeit, der Weite und der endlosen Tiefe. Das Meer bewegt mich, es rüttelt mich auf. Oft scheint es, als würde die stetige Regung der Meeresoberfläche meine Gefühls- und Gedankenwelt widerspiegeln. Und doch scheint es in seiner Tiefe eine kraftvolle Stille zu tragen, aus der ich Energie schöpfe und an der ich mich orientieren kann. Und damit bin ich sicher nicht allein: Das Meer ist für mich eine Metapher für den stetigen Wandel des Lebens. Alles ist ist ständig in Bewegung. Keine Welle gleicht der anderen, alles ist unendliche Vielfalt. Nichts und niemand gleicht dem anderen, nichts und niemand existiert isoliert.

Wie genau bist du eigentlich auf die Idee gekommen, eine Ausstellung rund ums Thema Meer zu machen? Bislang kennt man dich in Kiel ja vor allem durch deine Afghanistan-Ausstellung während des Corona-Lockdowns.
Während der harten Phase des Corona-Lockdwowns konnte ich – wie so viele – nicht ans Meer fahren. Das hat mich fast verrückt gemacht! Die Sehnsucht war so groß, dass ich anfing aus alltäglichen Dingen wie Bettwäsche, Kleidungsstücken, Putzlappen fantastische Meereskulissen zu bauen und diese zu fotografieren Als ich mich dann endlich wieder aus meinem 10 Kilometerradius und somit aus meiner Fantasiewelt bis an die Nordseeküste herausbewegen durfte, wurde ich regelrecht von der bitteren Realität überflutet.

Der Strand war von Plastikmüll übersät. Das war mir vorher nie so aufgefallen. Vielleicht lag es daran, dass die Strände während des Lockdowns nicht gereinigt wurden, oder vielleicht hatte sich das Meeresbild in meiner Corona-Phantasie einfach zu sehr verzerrt – es stand fest, dass die Klimakrise sichtbar an unsere Küsten gespült wurde. Also fing ich an, den Müll aufzusammeln. Dabei sind mir einige Menschen sehr kritisch begegnet mit Kommentaren wie: „Was machen Sie denn da? Tut das jetzt wirklich Not? Also so schlimm ist das bei uns ja nun wirklich noch nicht.“ Das hat mich geärgert. Ich fragte mich: Sind wir wirklich so blind? Und wenn ja, warum?

Was passiert, wenn das Meer als Projektionsfläche unserer tiefsten Sehnsüchte nach einer kraftvollen und intakten Welt ausgedient hat? Was sehen wir dann noch, wenn wir aufs Meer schauen? Was sehen wir nicht? Wieviel Blindheit oder Ignoranz bedarf es heutzutage, aufs Meer zu blicken und zu träumen? Ich begann mit diesen Fragen zu arbeiten und entwarf kleinste Meereslandschaften aus dem von mir gesammelten Strandmüll. Ich habe insbesondere mit der Teifenschärfe als Parameter für unsere Blindheit und für unseren „Weitblick“ gespielt. Die Ergebnisse haben mich selbst überrascht. Interessant war auch die „Mimikry“ des Plastiks, welches sich durch Reibung, Salzwasser und Sonnenlicht so verändert hatte, dass es schon fast mit „Naturmaterial“ verwechselbar war.

Fotografie © Lis Kortmann

Und ganz grundsätzlich: Was erhoffst du dir durch deine Ausstellung in den Menschen anzustoßen?
FLUT hinterfragt die ambivalente Beziehung zwischen Mensch und Natur und unsere Rolle zwischen Naturverehrung und -zerstörung. Wir können das „(Zer-)Störende“ als Chance aufgreifen, unseren Blickwinkel zu ändern und es aktiv verwandeln. Wie der Künstler Theaster Gates sagt: “Akten der Zerstörung muss man Akte der Schöpfung entgegensetzen.“ Es wäre wünschenswert, wenn in den Köpfen angestoßen wird, dass auch wenn wir alle nur ein Tropfen im Ozean sind, wir mit unseren Entscheidungen und Handlungen etwas ändern und andere inspirieren können. Wir alle gestalten unsere Welt mit, im Positiven, wie im Negativen.

Wann und wo kann man deine Ausstellung denn ansehen?
Die Ausstellung wird im Anscharpark Kiel in Haus 3,  einem der letzten unrenovierten Häuser im Viertel, zu sehen sein. Die Vernissage ist am 13. August 2021 um 19 Uhr. Ab Samstag, den 14. August kann die Ausstellung dann bis zum 12. September 2021 jeden Freitag und Samstag von 16-19 Uhr und Sonntags von 12-18 Uhr besucht werden.

Im kreativen Bereich gibt es ja häufiger Quereinsteiger als in anderen Berufszweigen. Welche Vorteile, würdest du sagen, hat eine formelle Ausbildung?
Ich denke, es ist immer ganz individuell, welcher Weg für jeden einzelnen der wertvollere ist. In meinem Fall kann ich sagen, dass es mich bereichert hat, mich für die Zeit des Studiums in einer „geschützten“, überschaubaren, kreativen Blase und im engen Austausch mit anderen neugierigen, suchenden Menschen ausprobieren und finden zu können. Zudem habe ich durch die unterschiedlichsten Dozent*innen und Professor*innen in relativ kurzer Zeit Einblick in eine Vielzahl theoretischer und technischer Bereiche bekommen, von denen einige vielleicht bis heute nicht auf meinem Weg gelegen hätten.

Ein Interview von Kirsten Müller

Fotografie © Lis Kortmann

 

Das braucht ihr, um selbst Künstler*in oder Fotograph*in zu werden?

Das braucht ihr, um selbst Künstler*in oder Fotograf*in zu werden?

Natürlich kann man in künstlerische Berufe immer auch über das eigene Hobby quereinsteigen. Zur Inspiration haben wir Euch aber dennoch mal ein paar Infos zusammengestellt, wie ihr auf „regulärem“ Weg eine künstlerische Laufbahn einschlagen könntet:

  • Man kann sowohl Kunst als auch Fotografie an diversen deutschen Hochschulen studieren. Zugangsvoraussetzung dafür ist idR eine Hochschulzugangsberechtigung, etwa das Abitur. Für einige Kunststudiengänge reicht aber auch ein Realschulabschluss (bspw. Uni Mainz).
  • Das Bewerbungsverfahren für den Studiengang Fotografie umfasst meist das Einreichen einer Fotomappe mit deinen bisherigen fotografischen Werken. Diese muss oft deutlich vor Studienbeginn abgegeben werden, informiere dich also rechtzeitig.
  • Bei der Bewerbung auf ein Kunststudium´muss meist ebenfalls eine Mappe mit deinen Kunstwerken eingereicht werden, oft müsst ihr zudem einen Eignungstest durchlaufen.
  • Noten zählen nur bedingt, wenn ihr Kunst oder Fotografie studieren wollt, worauf es in dieser Laufbahn ankommt ist euer künstlerisches Können und eure Kreativität.
  • Falls ihr ein Studium in Kiel anstrebt, findet ihr auf der Webseite der Muthesius Kunsthochschule umfassende Infos.