Mikroplastik: Vom Kuschel-Fleece in die Kieler Förde
Anlässlich der diesjährigen Abfallvermeidungswoche der ABK, die unter dem Motto: „Invisible waste: Abfälle, die wir nicht sehen-schau genau hin!“ steht, sprechen die beiden Meeresexpert*innen Stefanie Sudhaus vom Ocean Summit und Dr. Mark Lenz vom GEOMAR in einem Online-Vortrag am Donnerstag, 26. November 2020, ab 17.15 Uhr, über das Vorkommen von Mikroplastik in der Kieler Förde It´s a Zoom – den Zugangs-Link findet Ihr hier
Als kleinen Vorgeschmack erfahrt Ihr hier in einem kurzen Interview mit Steffi und Mark schon mal etwas mehr über das Vorkommen von Mikroplastik in der Kieler Förde, darüber was genau Mikroplastik eigentlich ist, wo es sich in unserem Alltag versteckt und wie es schließlich in den Meeren landet.
Inwiefern hat die Kieler Förde ein Problem mit Mikroplastik?
Dr.
Mark Lenz: Mittlerweile finden sich mikroskopisch kleine Plastikpartikel (Fasern, Fragmente, Pellets) so gut wie überall auf der Welt. Selbst im Schnee der Arktis, in Gebirgsseen und im offenen Ozean ist Mikroplastik nachweisbar. Und auch die Kieler Förde ist von dieser Verschmutzung betroffen. Die Belastung beispielsweise der Strände mit Mikroplastik ist, soweit wir sie aus unseren Studien kennen, verglichen mit anderen Gebieten auf der Welt zwar gering, aber dennoch ist unsere Küste nicht frei von dem Material. Ob das Mikroplastik ein Umweltproblem für die Kieler Förde darstellt, ist noch nicht abschließend geklärt. Gegenwärtig gibt es keine Befunde, die darauf hindeuten. Dennoch: Mikroplastik ist eine Facette der fortschreitenden Verschmutzung der Meere, auch der Nord- und Ostsee, mit Plastikabfällen, und diese sollte schnellstmöglich gestoppt werden.
Was genau versteht man unter Mikroplastik?
Lenz: Es sind mikroskopisch kleine Kunststoffpartikel, deren Größe der gängigsten Definition folgend zwischen 1 Mikrometer und 5 Millimetern liegt. Mikroplastik ist sehr divers zusammengesetzt und die verschiedenen Fraktionen können aus sehr unterschiedlichen Quellen stammen. Ein wesentlicher Teil entsteht beim Zerfall von großen Plastikteilen, die als Müll unsere Umwelt verschmutzen. Dieses sekundäre Mikroplastik entsteht, wenn zum Beispiel eine Flasche oder ein Kunststoff-Kaffeebecher-Deckel unter dem Einfluss von Licht, Wärme und Witterung zerkleinert wird.
Mikroplastik kann aber auch aus dem Abrieb von Reifen stammen, aus der Abnutzung von Kunststoffoberflächen (Stichwort: Kunstrasen), aus unserer Kleidung oder es wird frei, wenn beim Transport von Rohplastikpellets Teile der Fracht verloren gehen. Letzteres nennt man dann primäres Mikroplastik, weil es schon so klein in die Umwelt gelangt und nicht erst durch Zerkleinerung entsteht. Mikroplastik reichert sich in der Umwelt an und wird von vielen Tieren aufgenommen. Ob dies schädliche Auswirkungen auf die Tiere hat, wird zurzeit noch untersucht. Jedoch muss davon ausgegangen werden, dass das leider so ist.
Stefanie Sudhaus: Man weiß zum Beispiel, dass sich an der Oberfläche von Plastik besonders viele Gifte wie DDT oder PCB anlagern. Diese können über das als Nahrung aufgenommene Plastik in die Körper der Tiere und damit in den Nahrungskreislauf gelangen – und damit auch bei uns auf dem Teller.
Wo versteckt sich Mikroplastik im Alltag und wie können wir dieses reduzieren?
Sudhaus: Der Großteil des Mikroplastiks stammt aus der Zerkleinerung von großen Plastikteilen. Das bedeutet, dass vor allem der Eintrag dieses Mülls in unsere Umwelt vermieden werden muss. Dafür ist einerseits eine Reduktion von Umverpackungen nötig- Deutschland ist in Europa trauriger Spitzenreiter, was Verpackungen angeht. Andererseits sollte jeder selbst sein Einkaufsverhalten prüfen, sinnlos und übermäßig verpackte Produkte vermeiden und auf korrekte Entsorgung achten, vor allem in der freien Natur. Auch Zigarettenkippen sind übrigens eine Quelle für Mikroplastik!
Es gelangen aber auch jede Menge kleine Plastikpartikel direkt in die Umwelt: Neben Reifenabrieb, der über die Kanalisation in die Gewässer gelangt, sind Hauptquellen dafür Körperpflege- und Reinigungsmittel sowie Kunststoffkleidung wie Fleece. Apps wie ToxFox oder CodeCheck helfen, mit Hilfe des Barcodes die Produkte auf unerwünschte Inhaltsstoffe zu prüfen und sich bewusst für ungiftige und umweltfreundlichere Produkte zu entscheiden.
Zu den Personen
Dr. Mark Lenz forscht als Meeresbiologe am Geomar in Kiel unter anderem an den ökologischen Folgen von Mikroplastik für Meereslebewesen. Im internationalen Projekt „HOTMIC“ (Horizontal and vertical oceanic distribution, transport, and impact of microplastics) der Frage nach, wo die riesigen Mengen an Plastikmüll bleiben, die jährlich in die Meere gelangen. Denn nur ein winziger Teil davon treibt sichtbar im Wasser.
Stefanie Sudhaus arbeitet seit 2012 als Meeresschutzreferentin für den BUND SH und Mitorganisatorin des Ocean Summit. Nach ihrem Studium der Meeresbiologie in Kiel und Odense forschte sie am GEOMAR an den Folgen der Klimaveränderung auf diazotrophe Bakterien (auch Blaualgen genannt), bevor sie in den Meeresschutz wechselte. Müll im Meer ist eines der Themen, mit denen sie sich seither beschäftigt.