OceanUp SH: Mit weniger ist meer auf der Jagd nach Mikroplastik

Unter dem Motto OceanUp SH stellt Euch der Ocean Summit Kiel regelmäßig StartUps und Projekte aus Schleswig-Holstein vor, die sich mit ihren Ideen, Aktionen und Innovationen für die Meere engagieren. Diesmal sind Caro und Lauren aus Flensburg im Interview. Die beiden sorgen mit ihrem Projekt „weniger ist meer“ dafür, dass Anfang Juni 2021 zwölf Traditionsschiffe ausgestattet mit Manta Trawls lossegeln können, um mit ihren Gruppen an Bord Mikroplastik in der Nord- und Ostsee zu untersuchen. Manta Trawls tragen diesen Namen, weil ihre Form an die eines Mantarochens erinnert. Mit einem sehr feinen Netz ausgestattet, sind sie in der Lage auch Mikroplastikpartikel aus dem Wasser zu filtern. In der Plastikforschung finden sie schon seit einigen Jahren Anwendung. Doch ihr großflächiger Einsatz im Rahmen von Citizen Science auf Traditionsschiffen ist eine neue Idee mit Potential.

Hey Caro, hey Lauren, ihr habt „weniger ist meer“ gegründet – erzählt uns doch ein wenig von euch und wie ihr auf diese spannende Projektidee gekommen seid!

Lauren und Caro: Wir wohnen in Flensburg und setzen uns aktiv für mehr Umweltschutz ein. Wir sind leidenschaftliche Seglerinnen und lieben das Meer.

Lauren ist Wirtschaftsingenieurin für Energie- und Umweltmanagement, aber seit einigen Jahren dem Meer verfallen und war die letzten Jahre meistens auf Seglern vor allem in der Arktis unterwegs. Hier hat sie viele Strandsammlungen in Kooperation mit dem Alfred-Wegener-Institut durchgeführt.

Caro ist mit Leib und Seele Biologin und erarbeitet im Berufsleben Umweltgutachten und Schutzkonzepte insbesondere im Bereich der Nord- und Ostsee. Am liebsten verbindet sie Tier- und Naturbeobachtung sowie -erfassung mit dem Segeln auf alten Schiffen.

„Es entstand die Frage, wie es wohl in den Meeren vor unserer Haustüre aussieht. Finden wir hier auch etwas? Finden wir viel Mikroplastik? Wir sind neugierig und haben die Idee weitergesponnen.“

Die Idee zu „weniger ist meer“ wurde auf der Expedition Ocean Change 2019 auf der Dagmar Aaen, dem 88-jährigen dänischen Holzsegelschiff von Arved Fuchs, geboren. Dort haben wir ein selbstgebautes Manta Trawl eingesetzt und in den entlegensten Ecken der Arktis Mikroplastik im Netz gefunden. Dabei entstand die Frage, wie es wohl in den Meeren vor unserer Haustüre aussieht. Finden wir hier auch etwas? Finden wir viel Mikroplastik? Wir sind neugierig und haben die Idee weitergesponnen: Die Traditionssegelschiffe sind im Sommer mit ihren Gruppen sowieso unterwegs.

Wir kennen beide das Leben an Bord solcher Schiffe sehr gut und schätzen diesen tollen und unkomplizierten Wissensaustausch. Deshalb war irgendwann klar, wir wollen die Traditionssegelschiffe als Vehikel für die Beprobung mit den Manta Trawls in Nord- und Ostsee nutzen, um zeitgleich eine flächige Abdeckung zu gewährleisten. Wir erhielten große Zustimmung für eine solche gemeinsame Aktion.

Manta ausgebaumt in Grönland auf der Dagmar Aaen mit Caro und Lauren (2019)

Und wie ist so der Wissensstand über Plastik und Mikroplastikverschmutzungen in der Nord- und Ostsee?
Bisher ist der Wissensstand nicht so groß. An den Stränden wird schon einiges zu Makroplastik untersucht. Da sind sehr gute Ansätze, so dass es gar nicht erst im Meer landen kann und durch die verschiedenen Prozesse immer stärker zerkleinert wird. Die Forschung zu Plastik ist allgemein eine sehr junge Forschung. Da ist noch einiges zu analysieren. Es gibt wissenschaftliche Veröffentlichungen zu Untersuchungen von Makroplastik als Treibgut, aber auch am Meeresboden. Bisher ist uns keine Erfassung bekannt, die sich so flächendeckend mit Mikroplastik in Nord- und Ostsee beschäftigt hat.

Warum ist euch das Thema Mikroplastik für euch (und hoffentlich viele andere) denn eigentlich so wichtig?
Tja, Mikroplastik ist nicht mehr aus dem System Meer zu bekommen. Allein diese Gewissheit sollte wirklich jede*n animieren, dass nichts, auf welchem Wege auch immer durch unser Verhalten, in die Umwelt eingetragen wird. Ist das Plastik einmal unkontrolliert dort, dann ist der Zerfall von desselbigen unaufhaltbar. Und: Alle Wege führen ins Meer. Wir haben eine Generationenverantwortung, und wir können es besser mit all dem Wissen was wir bis heute schon erlangt haben.

Mikroplastik im Glas, gesammelt vom Steg im Flensburger Hafen (2021)

„Mikroplastik ist nicht mehr aus dem System Meer zu bekommen. Allein diese Gewissheit sollte wirklich jede*n animieren, dass nichts, auf welchem Wege auch immer durch unser Verhalten, in die Umwelt eingetragen wird.“

Holt uns mal ab und erzählt uns von dem aktuellen Stand des Projekts. Ihr hattet gerade eine gelungene Auftaktveranstaltung, ist das richtig? Was sind jetzt die nächsten Schritte bei „weniger ist meer“?
Ja, am 22.04.2021, passend zum World Earth Day – Tag der Erde, um die Wertschätzung und das Handeln gegenüberüber unserer Erde zu verbessern – hatten wir unsere digitale Auftaktveranstaltung. Dort haben wir unser Projekt, dessen Ablauf sowie unser Ziel vorgestellt. Wir wollten unser Citizen Science Projekt in den wissenschaftlichen Standard und die geschichtliche Herkunft einbetten und hatten aus diesem Grund den Klimabotschafter Arved Fuchs und die Wissenschaftlerin Thea Hamm vom Geomar zu Gast gehabt. Unser Publikum war sehr divers, so wie es eben in einem Citizen Science Projekt ist. Wir haben nettes Feedback bekommen. Unter anderem, dass unsere Zuschauer*innen einige Zusammenhänge nicht kannten, sie jedoch dadurch motiviert wurden, z.B. beim Anblick ihres Küchenschranks, ihr Einkaufsverhalten zu überdenken.

Weiter ging es am 24.04.2021 mit dem Bau der Manta Trawls. Anders als geplant nur in kleinstem Kreis, denn eigentlich sollte dies eine öffentliche Veranstaltung mit mindestens einer Person von jedem Traditionsschiff werden, die Lust hat das Manta Trawl mitzubauen. Aufgrund von Corona, haben wir eine kleine Produktionskette gestartet, in der wir alle Holzbauteile für die 12 Manta Trawls zugesägt, vorgebohrt und behandelt haben. In etwa drei Wochen wollen wir die Manta Trawls mit den dazugehörigen Materialien zu den teilnehmenden Schiffen bringen.

Dafür sind noch einige Vorbereitungen zu treffen und Anleitungen fertig zu stellen. Denn vom 29.05. – 05.06.2021 werden zwölf Traditionssegelschiffe auf Nord- und Ostsee unterwegs sein und einmal täglich das Manta Trawl für 30 Minuten neben dem Schiff herziehen, um das Oberflächenwasser nach Mikroplastik zu untersuchen. Die Mikroplastikfunde sollen auf jedem Schiff vorsortiert werden und kommen danach zu uns, damit wir sie später mit dem FT-IR Spektrometer im Schülerlabor auf Helgoland auswerten können.

12 Schiffe werden bald mit Citizen Science Gruppen u.a. auf der Ostsee unterwegs sein, um sie auf Mikroplastik zu untersuchen.

„Traditionssegelschiffe bieten eine perfekte Plattform: Es können viele Menschen an Bord sein, man kann sich austauschen, dem Element Wasser sehr nahe sein und selber erfahren, so dass es jeder*m noch begreiflicher wird, warum es das Meer zu schützen gilt.“

Welche Vorteile bietet diese Art und Weise Mikroplastik zu beforschen? Also der Einsatz von Traditionssegelschiffen, Manta Trawls und Citizen Science?
Die Manta Trawls sind eine gängige Methode in der relativ neuen Forschung zu Plastik. Unsere Manta Trawls sind einfach nachzubauen. Der große Vorteil von Citizen Science: Die Anzahl der Probennahme und die zeitgleiche flächige Abdeckung der Nord- und Ostsee ist viel größer, als wenn nur ein Institut mit dem Manta Trawl eine Transektlinie entlangfährt.

So beschäftigen sich viel mehr Menschen mit dem Thema und können Multiplikatore*innen für einen nachhaltigeren Umgang mit Plastik sein. Die Traditionssegelschiffe bieten eine perfekte Plattform: Es können viele Menschen an Bord sein, man kann sich austauschen, dem Element Wasser sehr nahe sein und selber erfahren, so dass es jeder*m noch begreiflicher wird, warum es das Meer zu schützen gilt.

Prototyp des „weniger ist meer“ Manta Trawls (2019)


Manta Trawl mit Holzrahmen (2020)

Was war der kurioseste Fund, den ihr bei euren Probennahmen bisher aus dem Wasser gefischt habt?
Zum Glück noch nichts Kurioses. Wir hatten Fäden und kleine bunte Teilchen mit rauer Oberfläche, an welchen man erkannt hat, dass sie sich schon eine Zeit lang abgeschubbert haben. Der Gedanke ist dann „Wie lang warst du wohl schon im Wasser und wo kommst du her, was waren deine Strecken?“

Mikroplastik auf mmPapier (2019)

Was wollt ihr mit dem Projekt im besten Fall erreichen? Und glaubt ihr, dass sich auch politisch etwas durch die Initiative bewegen lässt?
Wir wollen die Aufmerksamkeit und ein daraus resultierendes Handeln einer breiten Masse erreichen, am liebsten viele Menschen, die sich bisher noch nicht so viele Gedanken dazu gemacht haben. Wir können uns vorstellen, dass wir lokal politisch etwas bewegen können, für alles Größere vermögen wir uns das gerade noch nicht vorzustellen. Aber wer weiß, was die Ergebnisse so aufzeigen werden. Unser innerer Antrieb ist jedenfalls sehr groß und eigentlich kann die Reichweite nicht groß genug sein.

Wer kann alles bei eurem Projekt mitmachen und braucht ihr noch Verstärkung bei der Mikroplastikfischerei?
Jede*r kann mitmachen. Ob uns mit Ideen unterstützen, uns medial verfolgen und das Projekt teilen, unsere Message weitertragen und ja, wer Lust hat, kann auch noch auf einem der Traditionssegelschiffe in der Trawl Woche vom 29.05. – 05.06. 2021 mitfahren. Einfach bei uns melden unter wenigeristmeer(at)posteo.de.

„Wir mögen die Weite, Tiefe, Wildnis, Rauheit, Freiheit und die beständige Veränderlichkeit.“

Und zu guter Letzt möchten wir natürlich auch von euch, wie von all unseren Interviewgästen, wissen: Was verbindet euch mit dem Meer und macht es so besonders für euch?
Es ist einfach das allerschönste Ökosystem mit all seinen Arten darin und darauf. Wir sind fasziniert von all den schönen Facetten, die es abbildet. Wir mögen die Weite, Tiefe, Wildnis, Rauheit, Freiheit und die beständige Veränderlichkeit.

Lauren und Caro mit dem jetzigen Manta Trawl Typ (2021) – bald geht’s los!

Vielen Dank für das Interview, ihr beiden!

Auf der Website von „weniger ist meer“ findet ihr weiter spannende Infos, zum Beispiel zu den teilnehmenden Schiffen: https://www.weniger-ist-meer.com/

Außerdem ist „weniger ist meer“ auch bei Instagram: https://www.instagram.com/wenigeristmeer_2020/