Im Meeresgespräch: Humangeographin Prof. Dr. Silja Klepp

Wer steckt eigentlich hinter den Partnerorganisationen und Institutionen vom Ocean Summit? Lernt in unseren Interviews die Hintergründe und Missionen der Ocean Summit Meeresmenschen kennen. Heute mit Prof. Dr. Silja Klepp, Professorin am Geographischen Institut der CAU Kiel.

Wie bist du zum Meer gekommen?
Silja Klepp: Man muss wahrscheinlich erstmal betonen, dass ich mich mit Küsten und Ozeanen vor allen Dingen aus einer human- oder sozialwissenschaftlichen Perspektive beschäftige. Das bedeutet, dass ich tatsächlich zum Meer gekommen bin über das Thema Mittelmeermigration und Flüchtlinge auf dem Mittelmeer. Meine Doktorarbeit habe ich geschrieben über Flüchtlingen zwischen Italien und Libyen. Ich habe dort auch viel ethnographische Forschung gemacht, mit Flüchtlingen, mit Flüchtlingsanwälten und auch viel mit Frontex und Sicherheitskräften. Und das war eigentlich der Weg, wo ich zum ersten Mal wirklich mit dem Meer von der Küste aus das Migrationsgeschehen auf dem Mittelmeer erforscht habe.

An was arbeitest du gerade?
Nach zehn Jahren Mittelmeermigration, was ein Thema war, das emotional sehr anspruchsvoll war, habe ich mich dann ein bisschen neu orientiert. Ich bin zum Thema Klimawandel und Mensch-Umwelt Beziehungen gekommen, aber immer noch aus einer sozialwissenschaftlichen Sicht. Dann habe ich tatsächlich angefangen mit Klimamigration und Klimamobilität zu arbeiten, vor allen Dingen in Ozeanien. In Ozeanien haben wir ja sehr viele Pazifik Staaten, die eben sehr vom Klimawandel bedroht sind und wo das Thema Migration wirklich sehr aktuell ist. Dann habe ich angefangen, mich dort mit den Aushandlungsprozessen zu beschäftigen: Wo gehen die Menschen hin? Wer kann sie aufnehmen? Was kann es vielleicht anderes geben, da sie keine Flüchtlinge werden wollen? Wir haben zum Beispiel gemeinsam mit Menschen aus Kiribati neue Konzepte von Staatsbürgerschaft entwickelt.

Und an was arbeitest du noch?
Außerdem beschäftige ich mich gerade intensiv mit dem Aufbau eines Netzwerks, das wir „Enjust“ genannt haben, ein Netzwerk zu Umweltgerechtigkeit. In diesem Netzwerk, das auch offen ist für alle, die Lust haben, versuchen wir, über die Perspektive der Umwelt- und Klimagerechtigkeit eben auch diese Mensch-Umwelt Konflikte, den Klimawandel und insgesamt die sozial-ökologische Krise zu thematisieren.

Wo siehst du für dich die größten Herausforderungen im Bereich Meeresschutz?
Also ich glaube es gibt zwei große Herausforderungen, die ich auch immer wieder diskutiere mit meinen Studierenden. Einmal diskutiere ich immer sehr gerne insgesamt Mensch-Umwelt Beziehungen. Wie denken wir über die Umwelt? Wie stehen wir selbst als Menschen in der Natur und in der Umwelt? Da muss man natürlich schon sehen, dass wir gerade in der westlich geprägten Welt, uns immer noch sehr stark abgeschnitten sehen von der Natur Hier ist der Mensch, hier ist die Natur. Wir dominieren vermutlich noch die Natur.

Die andere große Herausforderung ist die Meeres Governance. Wir haben eine sehr, sehr fragmentierte Meeresgesetzgebung. Es braucht natürlich im Meer, das diese fließenden Grenzen hat, unbedingt ganz viel Zusammenarbeit zwischen den Staaten. Aber das ist sehr schwierig und wird leider auch gerade eher noch schwieriger anstatt leichter. Eigentlich bräuchten wir gerade ganz viel Zusammenarbeit, aber wir haben gerade leider auch viele Staaten, die eher wieder zum Nationalismus tendieren, auch in der Meeres Governance. Ich denke, das ist eine sehr große Herausforderung, abgesehen davon, dass der Fokus auch nicht immer auf dem Ozean liegt, sondern vielleicht oft auch eher außerhalb des Ozeans, an Land.

Welche Erfolge siehst du?
Ach da gibt es auch eine ganze Reihe. Also ich denke, eine Herausforderung ist auch immer die interdisziplinäre Zusammenarbeit. Andererseits habe ich ganz oft auch ganz viel Spaß in der interdisziplinären Zusammenarbeit, weil man dort natürlich noch mal ganz andere Horizonte, Perspektiven und Fachkulturen kennenlernt. Das finde ich immer ganz großartig, auch wenn es immer wieder schwierig ist und man sich reibt, aber daraus entsteht oft auch wieder was. Außerdem möchte ich hier auch unbedingt das ganze Arbeitsfeld der künstlerischen Forschung nennen, das ich in den letzten Jahren entdecken durfte. Ganz stark gemeinsam mit Barbara Dombrowski, mit der wir ein Projekt aufgesetzt haben zu Klimagerechtigkeit in Kiribati. Das sind einfach noch mal ganz andere Einblicke und Dimensionen, die mir unglaublich Spaß machen und wo ich ganz andere Erkenntnisse gewinne. Da habe ich auch das Gefühl, dass ich in der Wissenschaftskommunikation und in der Zusammenarbeit mit der Gesellschaft noch mal ganz anders agieren kann.

Warum bist du beim Ocean Summit dabei?
Der Ocean Summit ist eigentlich auch etwas, das super an all meine Arbeiten, die immer sehr stark über die Uni hinausreichen sollen, anschließt. Der Ocean Summit bringt ganz viele verschiedene Akteure zusammen, denn es kommen ganz viele junge Menschen. Und ich habe total Lust in diesem Kontext zu diskutieren und gemeinsam über neue Lösungen nachzudenken. Ich finde es auch immer unglaublich wichtig, dass wir versuchen, out of the box zu denken. Junge Menschen und Menschen, die eben zum Ocean Summit kommen, sind nämlich auch offen für Themen der Nachhaltigkeit und der sozial-ökologischen Transformation. Da habe ich natürlich total Lust drauf.

Mehr Infos, konkrete Veranstaltungen, weiterführende Links:

Dr. Silja Klepp im Web www.siljaklepp.de
Marine Social Science
Kiel Marine Science (KMS)

Hier geht es zu den gemeinsamen Ocean Summit Veranstaltungen mit Silja Klepp:

Wissenschaft trifft Kunst: Fotoausstellung „Tropic Ice – Climate Justice“

Podiumsdiskussion: Klimawandel und Migration – der Umgang mit der Klimakrise in Europa und seine Auswirkungen auf pazifische Inselstaaten

Lieber schauen oder hören statt lesen?
Kein Problem: Das Ocean Summit Interview mit Silja Klepp gibt es hier als Video:
https://vimeo.com/436370990