Silja Klepp

Professorin für Sozialgeografie der Küsten und Meere CAU Kiel, Kiel Marine Science (KMS), Co-Inhaberin des
UNESCO-Lehrstuhls für integrierte Meereswissenschaften, Kiel

>> Wir haben auch Forschungen im Bereich der Ostsee, zum Beispiel im Bereich der Marina Wentdorf bei Stein. Das ist ein klassisches Gebiet, wo wir viele Prozesse und Konflikte haben, um Neubaugebiete direkt an der Küste, um Küstenschutz, um Naturschutz. Dort versuchen wir erstmal, die unterschiedlichen Interessen und Perspektiven zu verstehen. (…) Wir schauen also, was sind unterschiedliche Vorstellungen von Nachhaltigkeit in diesen Gebieten, um diese zu erforschen und besser zu verstehen. <<

Meeresmenschen-Audios

Darum geht´s: Forschung, Küstenschutz, Klimawandel

Hört rein, was Silja Klepp zur Forschung der Sozialgeografie, zu Konflikten im Küstenschutz und zu Mensch-Meer-Beziehungen zu sagen hat:

Meeresmenschen-Talk mit Prof. Dr. Silja Klepp: Mensch-Meer-Beziehungen in Schleswig-Holstein und weltweit

Stell dich doch zunächst einmal vor. Wer bist Du und was machst Du?
Mein Name ist Silja Klepp. Ich bin Sozialgeografin an der Universität Kiel und Professorin für Sozialgeografie der Küsten und Meere.

Die Humangeografie arbeitet in vielen verschiedenen Bereichen. Bei mir im Fokus stehen die Mensch-Umwelt-Beziehung im Anthropozän, also in der sozialökologischen Krise, der Biodiversitätskrise und anderen Krisen, die wir jetzt durch den Klimawandel haben.

Als Humangeografin arbeite ich zu gesellschaftlichen Prozessen, aber auch zur Entwicklung des Individuums in der Gesellschaft, und was es da für unterschiedliche sozialen Dynamiken und Prozesse gibt. Wir arbeiten sehr sozialwissenschaftlich, das heißt wir fundieren unsere Arbeit mit Sozialtheorien, die wir aus der Soziologie oder Ethnologie entleihen, und wo es einen sehr großen, interdisziplinären Austausch mit anderen Sozialwissenschaftler*innen gibt.

Mit anderen Worten ist die Humangeografie eine Sozialwissenschaft mit dem stetigen Ziel, interdisziplinäre Brücken zu schlagen. Das ist auch das tolle an meinem Job. Ich arbeite sehr viel mit Naturwissenschaftler*innen zusammen, dieser interdisziplinäre Dialog ist Teil meiner Arbeit, also Teil meiner Forschung.

Ich versuche somit auch interdisziplinäre Methoden zu entwickeln. Wir haben in meiner Arbeitsgruppe beispielsweise ein Spiel entwickelt, welches „COLLAB“ heißt, und die interdisziplinäre Kommunikation verbessern soll. Also ich habe versucht, die Herausforderung der interdisziplinären Kommunikation zum Teil meiner Arbeit zu machen, um dies auf einer Metaebene zu bearbeiten und zu reflektieren.

Was sind Deine Forschungsthemen?
Ich arbeite schon mehr als zehn Jahren zum Thema Klimawandelanpassung, vor allem auf Inseln und in Küstengebieten. Ich habe lange in Ozeanien gearbeitet, nun arbeite ich viel in Sizilien, aber auch in Schleswig-Holstein. Es geht sehr stark um die Fragen Erosion, unsere Antworten auf Erosion und auf Küstenschutz insgesamt. Hierbei geht es aber eben weniger um die technischen Fragen, sondern um die Mensch-Umwelt-Beziehungen. Also, wie wird das in der Gesellschaft verhandelt, welche politischen, sozialen und kulturellen Dimensionen bringt das mit sich.

In Sizilien werden immer wieder unglaubliche Summen an öffentlichen Geldern für den Küstenschutz ausgegeben, vor allen Dingen für den „harten Küstenschutz“.  Also zum Beispiel Wälle aus Beton. Diese Maßnahmen führen jedoch nur zu einer Verlagerung des Problems, sodass sich die Erosion nur verlagert und im nächsten Küstenort mehr Erosion entsteht.

Es geht sehr stark um die Fragen Erosion, unsere Antworten auf Erosion und auf Küstenschutz insgesamt. Hierbei geht es aber eben weniger um die technischen Fragen, sondern um die Mensch-Umwelt-Beziehungen. Also, wie wird das in der Gesellschaft verhandelt, welche politischen, sozialen und kulturellen Dimensionen bringt das mit sich.

Eines meiner Themen ist dann, wie wir diese, ja nennen wir sie ruhig Teufelskreisläufe, durchbrechen können, ist eines meiner Aufgabengebiete. Auch die politischen Dimensionen des Themas Küstenschutz, die sonst oft ja einfach nur als Ingenieursthema, als naturwissenschaftliches Thema, behandelt wird spielt in meiner Arbeit eine große Rolle.

Möchten wir diese Art von Entwicklung wirklich weiterverfolgen? Oder sollten wir uns in Zeiten der sozial-ökologischen Krisen und der sozial-ökologischen Transformationen nicht ganz anders aufstellen, auch in unseren Küstengebieten.

Was auch ganz wichtig ist, ist die sogenannte Entwicklung der Küsten. Also die immer weiter fortschreitende Bebauung der Küsten, die zu nahe Bebauung an der Küste in Bezug auf den steigenden Meeresspiegel, aber auch im Sinne von Zersiedelung und Versiegelung – Küstengemeinden, die immer weiter wachsen. Also Entwicklungen, wo wir uns fragen müssen: Möchten wir diese Art von Entwicklung wirklich weiterverfolgen? Oder sollten wir uns in Zeiten der sozial-ökologischen Krisen und der sozial-ökologischen Transformationen nicht ganz anders aufstellen, auch in unseren Küstengebieten.

Welche Beispiele für eine Mensch-Meer-Beziehung gibt es in Schleswig-Holstein?
Also es gibt da viele Beispiele, von oben in Sylt bis in den Süden Schleswig-Holsteins. Da ist zum Beispiel die historische Entwicklung sehr interessant, vor allen in Nordfriesland und an der Nordseeküste hat sich die Gesellschaft schon seit tausenden von Jahren immer entlang der Auseinandersetzung mit dem Meer entwickelt. Hier kann man wirklich im engsten Sinne von einer Mensch-Meer-Beziehung sprechen, weil sich die gesellschaftlichen Institutionen in Antwort auf die Auseinandersetzung mit dem Meer entwickelt haben.

Wir haben in Schleswig-Holstein sehr unterschiedliche Küstenlandschaften und sehr unterschiedliche Meere. Das Wattenmeer und die Ostsee sind ja fundamental unterschiedlich. An der Nordseeküste haben wir sehr viel Land eingedeicht und dem Meer quasi weggenommen. Das beinhaltet natürlich viele Implikationen, zumal wir auch teilweise weiter bauen in diesen Gebieten.

Gerade in Marina Wendtorf prallen sehr viele Interessen aufeinander, was ganz typisch ist für ein Küstengebiet.

Wir haben auch Forschungen im Bereich der Ostsee, zum Beispiel im Bereich der Marina Wentdorf bei Stein. Das ist ein klassisches Gebiet, wo wir viele Prozesse und Konflikte haben, um Neubaugebiete direkt an der Küste, um Küstenschutz, um Naturschutz. Dort versuchen wir erstmal, die unterschiedlichen Interessen und Perspektiven zu verstehen. Und dann auch aufeinander zu beziehen und zu schauen, was dort die Entwicklungs-Narrative sind. Also, wir schauen, was sind unterschiedliche Vorstellungen von Nachhaltigkeit in diesen Gebieten, um diese zu erforschen und besser zu verstehen.

Welche Rolle spielt Deine Arbeit in den Küstengebieten?
Es komm immer darauf an. Gerade in Marina Wendtorf prallen sehr viele Interessen aufeinander, was ganz typisch ist für ein Küstengebiet. Wir haben dort ganz viele unterschiedliche Interessen und Ansprüche an das Küstengebiet, da versuchen wir das wir das Zusammenspiel von verschiedenen Akteur*innen zu untersuchen. Dann gibt es aber auch natürlich wieder Forschungen, die sich auf eine spezielle Berufsgruppe beziehen.

Und welche Rolle spielen Interessenkonflikte in Deiner Forschung?
Das ist der Fokus unserer Forschung. Es geht uns darum, diese Konflikte besser zu verstehen. Die unterschiedlichen Interessen und Vorstellungen dahinter besser zu verstehen und diese auch wirklich herauszuarbeiten.

In meiner Forschung in Sizilien war für mich erstmal interessant, dass obwohl ein riesiges Problem besteht, weil dieser gesamte Küstenraum immer wieder im Notfallmodus regiert wird, immer wieder der Notfall ausgerufen wird und immer wieder Millionen Euro in einen offensichtlich und bekanntermaßen nicht nachhaltigen Küstenschutz fließen, diese politischen und sozialen Fragen trotzdem nicht gestellt wurden.

Und da finde ich es natürlich interessant zu fragen: Warum werden diese Fragen nicht gestellt? Und was könnten denn diese politischen Fragen sein? Also Fragen, die sich zum Beispiel beziehen könnten auf Gerechtigkeit: Was sind das für öffentliche Gelder? Wer verdient daran, dass so viele öffentliche Gelder in dieser nicht nachhaltigen Weise ausgegeben werden? Wer entscheidet da mit? Wie kommt es, dass immer wieder die gleichen Lösungen vorgeschlagen werden, obwohl diese nicht funktionieren?

Daran schließen sich dann außerdem viele Governance-Fragen an. In Sizilien ist es sehr auffällig, dass die unterschiedlichen Küstengemeinden nicht zusammen arbeiten und dass die gesamte Gesetzeslage extrem fragmentiert ist.

Da ist es Teil meiner Forschung, diesen Prozess zu begleiten, und zu überlegen, wie man das vielleicht ändern könnte. Es gibt natürlich auch Ansätze vor Ort und Akteure, die sehr konstruktiv versuchen auf die Meeres- und Küstenpolitiken einwirken.

WEITERLESEN:
https://www.marinesocialscience.uni-kiel.de/de/team/prof-dr-silja-klepp/prof-dr-silja-klepp
https://de.interdisciplinarygames.net/about

Anmerkung der Redaktion: Das Gespräch wurde aufgezeichnet am 01.08.2021. Zur besseren Lesbarkeit wurde das Interview teilweise gekürzt, strukturiert und redigiert.