Harald Förster

Geschäftsführer der Naturschutzorganisation „Schutzstation Wattenmeer“, Husum

>> Die Widerstände gegen den Nationalpark Wattenmeer waren enorm. Auch aus der Bevölkerung, von den Fischern, von den Jägern. Jeder befürchtete Einschränkungen. Es gab brennende Autoreifen, zerstochene Autoreifen und richtig großen Widerstand. Aus dem Widerstand haben sich auch kleine Naturschutzvereine gegründet, die dann auch jetzt heute im Nationalpark Gebiete betreuen, so wie wir. Aber das ist alles Geschichte. Jetzt arbeiten wir Hand in Hand, wir treffen uns und tauschen uns aus. Die Leute auf den Halligen leben davon, dass sie Biosphäre sind, sie verkaufen sich als Nationalparkpartner. Wir haben über 200 Nationalparkpartner.  <<

Meeresmenschen-Audios

Darum geht´s: Natur- und Artenschutz, Wattenmeer, Erfassungsauftrag, Umweltbildung, Klimawandel, Nationalpark

Hört rein, was Harald Förster zur Bedeutung des Nationalparks, zu den Auswirkungen des Klimawandels auf das Watt und der Besonderheit des Wattenmeers zu sagen hat:

Meeresmenschen-Talk mit Harald Förster: Mit Umweltbildung für das Watt der Zukunft

Wer bist Du und was machst Du?
Also ich bin Harald Förster. Ich bin der Geschäftsführer der Naturschutzgesellschaft Meeresschutzstation-Wattenmeer aus Husum in Nordfriesland.

Welche Aufgaben hat die Schutzstation Wattenmeer?
Verschiedene Sachen. Wir erfüllen in unserem Nationalpark sehr intensiv den Betreuungsauftrag. Die ganzen Erfassungen von den Brutvogeldaten, von den Rastvogeldaten, von den Störungen die im Nationalpark sind. Die melden wir dann weiter. Also wir erfassen verschiedene Parameter. Und dann machen wir Umweltbildung.

Wir haben uns damals vor 60 Jahren gründeten, als sagen wir mal – Opposition zu den traditionellen Naturschutzvereinen. Die wollten nämlich nur Artenschutz machen und wir haben gesagt, wir müssen die Menschen in die Natur reinführen damit sie das kennen und schätzen lernen, was wir schützen wollen. Und so machen wir im Jahr fast 8 000 Exkursionen. Wattwanderungen, literarische Wanderungen, ornithologische Exkursionen…. Damit sind wir im Prinzip der größte Umweltweiterbildungsanbieter in Schleswig-Holstein. Artenschutz und Naturschutz ist das eine, aber der Bildungsaspekt ist mit der Größte bei uns im Verein.

Was hat die Schutzstation mit dem Nationalpark zu tun?
Wir sind einer der sieben betreuenden Naturschutzverbände im Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer. Das ist ein ziemlich einmaliges Gebilde in Deutschland, normalerweise werden die Nationalparke von den Landesbehörden verwaltet und betreut- aber hier in Schleswig-Holstein gibt es diesen Verbund der Zusammenarbeit mit dem Land durch die Nationalparkverwaltung und den betreuenden Verbänden. Wir sind sieben Verbände, wir sind dabei der größte Verband. Wir haben 17 Stationen entlang der Westküste, 35 hauptamtliche Mitarbeiter*innen und über 100 Freiwillige aus dem BFD und FÖJ die für uns draußen arbeiten.

Wir sind im Prinzip der größte Umweltweiterbildungsanbieter in Schleswig-Holstein. Artenschutz und Naturschutz ist das eine, aber der Bildungsaspekt ist mit der größte bei uns im Verein.

Was macht das Wattenmeer so besonders?
Das Wattenmeer ist tatsächlich so ein einzigartiges Ökosystem. Deshalb ist es auch nicht umsonst Weltnaturerbe geworden. Wir haben das ja auch trilateral. Dänemark, Deutschland mit den Bundesländern Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen, und dann noch die Niederlande. Das ist ein einmaliges System, einmal vom Ökosystem selber, von den Stoffumsätzen auf dieser Schlick- und Matschfläche, was man gar nicht denkt. Aber das ist durch Kieselalgen so intensiv, man kann bald sagen es ist intensiver als der Regenwald.

Und dann natürlich als zentraler Hotspot im Ostatlantischen Vogelzug. Also alles was von der Arktis kommt, von Grönland, von Sibirien geht hier durch das Wattenmeer, frisst sich hier wieder die Mägen voll und geht dann im Winter in die Rast- und Ruhegebiete Richtung Afrika, Frankreich, bis hin nach Südafrika. Und dann im Frühjahr wieder die gleiche Route zurück. Also von daher, wenn das hier nicht wäre, würden diese ganzen Vogelzugsysteme gar nicht mehr funktionieren.

Wie betrifft der Klimawandel das Wattenmeer?
Der Klimawandel stellt für das Wattenmeer eine extreme Bedrohung da. Durch den Klimawandel gibt es die Erderwärmung, es gibt ein Abschmelzen der Polkappen und das führt dann zum Meeresspiegelanstieg. Man muss das sich hier vorstellen wie eine Badewanne. Es ist ja alles eingedeicht. Wenn ich jetzt einen Meter oder 1,5 Meter Meer mehr habe, ist die trockenfallende Wattfläche natürlich immer geringer. Das, was vorher bis zu drei Kilometer trockenfiel, fällt dann nur noch bis 500 Meter trocken, weil es ja nicht weiter zurück geht. Wir haben hier drei Meter Tidenhub und wenn das in Zukunft nur noch 1,5 Meter sind, dann fehlen hier riesengroße Wattflächen.

Der Klimawandel stellt für das Wattenmeer eine extreme Bedrohung da.

Welche Auswirkungen hat der Klimawandel auf die Tiere im Watt?
Wichtig ist, dass durch den Klimawandel die verfügbare Nahrungsfläche für die Rastvögel immer kleiner wird. Da wird immer weniger bleiben. Durch den Klimawandel verzerrt sich ja auch die Brutzeit, die gekoppelt ist mit den Insekten die fliegen, in Russland zum Beispiel. Das heißt, die Tiere brüten immer Ende Mai, die Insekten durch die Erwärmung sind aber schon Anfang April fertig.

Das heißt wenn die Küken dann ausgeschlüpft sind, gibt es keine Insekten mehr. Die sind dann viel zu schwach, um den Weg zurück anzutreten. Da hat sich über Jahrtausende so eine Balance gebildet zwischen Schlupf der Insekten und Schlupf der kleinen Küken. Und das ist alles aus den Fugen geraten. Das merken wir auch an bestimmten Zugvogelarten. Da kommt nur noch die Hälfte wieder zurück.

Wie sieht die Zukunft des Watts im Klimawandel aus?
Es gibt eine Studie, eine Zusammenarbeit verschiedener Universitäten, die Wattenmeerstrategie 2100. Da haben wir verschiedene Sachen mal zusammengepackt, Naturschutzverbände, Universitäten, Ministerien und Mal geguckt: Wo geht’s hin?

Und je nachdem wie sich das entwickelt, gibt es einen Meeresanstieg zwischen 40 cm und einem Meter, mittlerweile revidiert man das schon und geht von einem „worst case“ von 1,5 Metern aus. Und wenn ich das im Moment so betrachte, wird es schon in diese Richtung gehen, wenn wir jetzt nicht massiv unser CO2 reduzieren. Aber grade jetzt durch den Ukraine Krieg haben wir natürlich Sachen, die alles wieder in Frage stellen, die alles wieder ein paar Jahre zurückdrehen. Das ist schon alles ganz schön schlimm. Also wir erhöhen ja die Deiche, machen Klimadeiche, wo theoretisch auch nochmal 1,5 Meter drauf gehen. Aber das wird nichts ändern.

Da gibt es natürlich auch Ideen, dass man Sand reinbringt in den Nationalpark, damit es schneller aufwächst. Aber ob das alles funktioniert? Mit welchen Kosten das verbunden ist? Das ist alles noch ein großes Fragezeichen.

Das Wattenmeer wächst normalerweise auch auf. Es sedimentiert. Theoretisch könnte das mithalten mit dem Meeresspiegelanstieg. Also es könnte jedes Jahr einen Millimeter aufschlicken und der Meeresspiegel könnte einen Millimeter ansteigen. Es könnte sich die Balance halten. Da gibt es natürlich auch Ideen, dass man Sand reinbringt in den Nationalpark, damit es schneller aufwächst. Aber ob das alles funktioniert? Mit welchen Kosten das verbunden ist? Das ist alles noch ein großes Fragezeichen.

Wie ist der Nationalpark Wattenmeer entstanden?
Ich weiß, dass es verschiedenen Bestrebungen gab, dieses Wattenmeer hier weiter zu schützen. Es gab von der Schutzstation schon 1963 eine Art Schrift, wo wir gesagt haben „Großreservat Halligmeer“. Die erste deutsch Naturschutzkonferenz, der Naturschutztag, war 1972 in Husum. Da gab es dann Besuch von Grzimek, dem damaligen Naturschutzbeauftragten, auf Hooge. Dort wurde dann der Nationalpark Wattenmeer vorgestellt. Der ist dann aber erst 1985 gekommen.

Die Widerstände waren enorm. Auch aus der Bevölkerung, auch gerade hier von den Fischern, von den Jägern. Jeder befürchtete Einschränkungen von der lokalen Bevölkerung. Letzendlich aber es ist  dazu gekommen. Aber es gab brennende Autoreifen, zerstochene Autoreifen und richtig groß Widerstand.

Die Widerstände waren enorm. Auch aus der Bevölkerung, auch gerade hier von den Fischern, von den Jägern. Jeder befürchtete Einschränkungen von der lokalen Bevölkerung.

Aus dem Widerstand haben sich auch kleine Naturschutzvereine gegründet, die dann auch jetzt heute im Nationalpark Gebiete betreuen, so wie wir. Aber das ist alles Geschichte. Jetzt arbeiten wir Hand in Hand, wir treffen uns und tauschen uns aus. Die Leute auf den Halligen leben davon, dass sie Biosphäre sind, sie verkaufen sich als Nationalparkpartner. Wir haben über 200 Nationalparkpartner. Gästebetrieb, Restauration. Wir treffen uns auch ein Mal im Jahr und tauschen uns aus.

WEITERLESEN:

https://www.schutzstation-wattenmeer.de/

Anmerkung der Redaktion: Das Gespräch wurde aufgezeichnet am 28.06.2022. Zur besseren Lesbarkeit wurde das Interview teilweise gekürzt, strukturiert und redigiert.