Meerspektive: Anwalt für Schiffsrecht Henning Babiel
Innerhalb der Reihe „Meerspektiven“ stellen wir Euch vielseitige Berufe und Berufungen rund um die Meere vor. Egal ob eine Ausbildung, ein Studium oder ein Quereinstieg den Weg dorthin ermöglichen kann, egal ob große Karriere oder nebenberufliches Engagement, Ehrenamt oder Hauptjob. Wer möchte, findet viele Wege zu Meer. Dazu möchten wir Euch mit unseren Interviews und Infos inspirieren. Im folgenden Interview lernt Ihr den Anwalt für Schiffsrecht Henning Babiel kennen. Viel Spaß mit dieser Meerspektive!
Moin Henning – Du arbeitest bei ADM, besser gesagt Archer Daniels Midland Company, als Anwalt für Schiffsrecht – wie würdest du selbst dein Job denn beschreiben?
Problemlöser…! Meine Kollegen aus dem Operation der Schiffe die wir mieten kommen zu mir mit allen möglichen Problemen die sie gerade haben in bestimmten Situationen. Da werden Schiffe von Behörden festgehalten weil der Ladungsempfänger sich über eine Fehlmenge beklagt (shortage), da weigert sich ein Charterer Miete zu bezahlen, da läuft ein Schiff auf Grund… Für all das soll ich Antworten parat haben. Sehr abwechslungsreich und interessant, manchmal stressig…
Und wie bist du auf den Job gekommen? Also war das schon immer dein Traumberuf oder hast du davor was anderes gemacht?
Zu Schulzeiten war mein Traumberuf Kapitän auf einem Bananenfrachter zu werden (ich habe fast jeden Tag eine Banane als Pausenbrot mit in die Schule genommen und kannte alle Marken auswendig). Die Verbindung zum Wasser kam über die DLRG und Wachdienst an der Küste (aufgewachsen bin ich im tiefsten Oberfranken). Nach dem Abi bin ich vier Jahre zur Marine, wovon ich zwei Jahre als Wachoffizier auf einem Versorger gefahren bin. Danach habe ich zivil Nautik studiert und bin zur See gefahren, haben dann aber gedacht, dass es vielleicht doch nicht die beste Idee ist, bis zur Seemannsrente zur See zu fahren, so kam das Jurastudium ins Spiel. Naja, nach dem ersten Staatsexamen habe ich mein Patent ausgefahren, habe das zweite Staatsexamen gemacht und bin dann über eine kurze Station bei einem Versicherungsmakler für Schiffsversicherungen bei meinem jetzigen Arbeitgeber gelandet.
Was macht du genau in dem Job – Ist es ein Büro Job oder eher ein aktiver Job?
Leider ist es eher ein Bürojob. Wie oben schon gesagt, ich berate die Firma in seerechtlichen Angelegenheiten. Ich bin ein sogenannter Syndikusanwalt, ein bei einer Firma angestellter Anwalt („inhouse“), der die Firma in allen Belangen berät. Bei uns bin ich zusammen mit einem kleinen Team verantwortlich für die seerechtlichen, maritimen Probleme und Verträge. Wir geben Rat zu unseren Charterverträgen (Mietverträge für Schiffe), analysieren neue Klauseln, sagen den Kollegen, wie Verträge oder Klauseln auszulegen sind. Aber wir machen auch ausstehende Forderungen geltend und betreiben Schiedsverfahren oder sogar Gerichtsverfahren, wenn wir uns mit unseren Geschäftspartnern nicht einigen können.
Wir beschäftigen uns auch mit der Kreditwürdigkeit unserer Geschäftspartner und haben ein Auge darauf, dass wir nicht mit Geschäftspartnern Verträge abschließen, die von der EU, oder der UNO mit Sanktionen belegt sind.
Da wir uns mit vielen verschiedenen Risiken beschäftigen, die einer „Inhouse“-Reederei begegnen, heißt unsere kleine Abteilung „Ship Risk Management“.
Was ist denn der Unterschied zwischen einem „normalen“ Anwalt und einem wie dir?
Ein „normaler“ Anwalt beschäftigt sich mit dem deutschen Zivil-, Straf- oder Verwaltungsrecht und den dazugehörigen Prozessordnungen, in allen möglichen Ausprägungen und Spezialisierungsgraden.
Im Unterschied dazu bin ich ausschließlich auf Seerecht spezialisiert und arbeite in einem multinationalen Unternehmen in einem internationalen Umfeld. Ich arbeite fast ausschließlich auf English und mit dem englischen Seerecht, welches Grundlage fast aller Charterverträge weltweit ist.
Und was kann man jetzt genau unter Schiffsrecht verstehen?
Seerecht ist der Überbegriff für alle Vorschriften, die sich in irgendeiner Weise mit dem Meer oder der Schifffahrt beschäftigen. Das sind zum einen die großen internationalen Abkommen (Verträge zwischen den Staaten die die Meere nutzen), meist über Umweltschutzthemen (z.B. Marpol), oder Sicherheit in der Schifffahrt (SOLAS), oder über seehandelsrechtliche Fragen, aber auch Fragen wie Seegrenzen zwischen den Ländern, oder die Frage, wer die Meere wirtschaftlich nutzen (oder ausbeuten) darf. Dann gibt es das Seehandelsrecht, das den internationalen Handel über See regelt, ein Bereich des Seerechts, der sehr alt ist und schon bei den Römern existierte. Einige seerechtliche Besonderheiten haben sich von damals bis heute erhalten. All das wird unter „Maritime Law“ – Seerecht zusammengefasst.
Brauch man für den Beruf eine Ausbildung oder hast du studiert? Wenn ja was?
Man benötigt nicht unbedingt ein Studium, eine Ausbildung kann auch reichen (z.B. zum Schiffahrtskaufmann/-frau) mit anschließendem Training on the Job und viel Erfahrung. Aber ein Jurastudium hilft schon viel, genau wie ein Nautikstudium sehr hilfreich ist für all die technischen Problemstellungen, die auf einem Schiff so auftreten können. Aber die meisten meiner Berufskollegen sind tatsächlich spezialisierte Anwälte.
Noch eine letzte Frage– Damals als die Ever Given im Suezkanal auf Grund gelaufen ist, hattest du doch dann bestimmt viel zu tun – Kannst du uns davon vielleicht ein bisschen erzählen?
Tatsächlich hat dieser Megaunfall kaum Auswirkungen auf meine Arbeit gehabt. Die Handelsrouten unserer Schiffe liegen anders, auch mieten wir fast ausschließlich Massengutschiffe (Bulker). Wir hatten nur vier von uns gemietete Schiffe, die warten mussten, was nicht so problematisch war.
Allerdings hat die Ever Given mit dem Suezkanal DAS Nadelöhr des internationalen Seehandels lange blockiert. Fast der gesamte Handel zwischen Europa und Fernost muss durch den Suezkanal, und das zum überwiegenden Teil auf Containerschiffen. Die Folge war eine Unterbrechung der weltweiten Lieferketten mit Auswirkungen, die wir, coronabedingt, bis heute spüren. Viele hundert Container- und andere Schiffe haben sich vor dem Kanal gestaut, als er wieder frei war kam es in den europäischen Häfen zu sehr langen Abfertigungsstaus, da so viele Schiffe gleichzeitig ankamen und nicht alle auf einmal gelöscht werden konnten. Waren kamen nicht rechtzeitig an, Leercontainer nicht rechtzeitig zurück, es kam zu Containerknappheit in Fernost, hier platzen die Lagerflächen für Leercontainer aus allen Nähten, weil diese nicht rechtzeitig nach China zurückgebracht werden können, eine weltweite Kettenreaktion, die bis heute nicht wirklich behoben ist. Und Corona hat dieses Ungleichgewicht noch verstärkt.
Hier erfahrt ihr noch mehr zum Thema Ever Given und der Suezkanal – Blockade>>
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Interview: Henri Babiel I Schülerpraktikant Ocean Summit