Seegras an Land

Ähnlich wie Bäume wirft Seegras im Herbst und Winter seine Blätter ab und erneuert sie. Das „Laub“ wird mit der Strömung an Land gespült und dort häufig aufwendig entsorgt – bisher. Denn immer mehr Unternehmen entdecken Seegras für sich und finden allerlei Einsatzmöglichkeiten für das Naturprodukt – von Wärmedämmungen und Stopfwolle über Dünger bis hin zu Wundheilung erlebt die Seegras-Branche eine Renaissance.

Als vertrocknete, piksende und vermeintlich stinkende Halme sind sie bei vielen Strandbesucher*innen ungern gesehen: bis zu 200.000 Tonnen Seegras werden allein an der Ostseeküste Schleswig-Holsteins jährlich angespült¹. Es ist das Resultat eines natürlichen Prozesses, denn ähnlich zu Bäumen regeneriert sich Seegras regelmäßig, je nach Art und Lebensraum teilweise auch jährlich.

Seegras, das zusammen mit Algen und anderem Treibgut angeschwemmt wird, erfüllt am Strand eine wichtige Funktion im Ökosystem. Es beugt Sandabtragungen durch den Wind vor und bietet Unterschlupf für Küstenlebewesen wie Fliegen, Käfer oder Krebstiere. Diese helfen, das Seegras an Land abzubauen. Dadurch werden auch Seevögel angelockt, die sich von den kleinen Lebewesen ernähren. Außerdem ernähren sich Landsäugetiere wie Eichhörnchen, Biberratten und sogar Bären direkt von Seegras. Studien haben zudem ergeben, dass die Nährstoffe im abgebauten Seegras im Sand verbleiben und dort von kleinen Ruderfußkrebsen aufgenommen werden, die wiederum auf der Speisekarte von Fischen stehen². So unterstützt das angespülte Seegras indirekt die Fischbestände an der Küste.

An touristisch genutzten Stränden wird Seegras und anderes Treibgut wegen seiner Unbeliebtheit von den zuständigen Gemeinden und Kommunen regelmäßig entsorgt. In Eckernförde fallen so etwa 80.000 Euro pro Jahr an Kosten an, in Laboe etwa 60.000 Euro pro Jahr³.

Dass es auch anders geht, zeigen immer mehr Start-ups und Privatpersonen, die in Seegras einen nützlichen und natürlichen Rohstoff sehen. Seegras gilt als hitze- und verrottungsbeständig sowie feuchtigkeitsregulierend. Es ist schimmel- und milbenfrei, atmungsaktiv, keimfrei und besitzt eine wundheilende Wirkung. Außerdem eignet es sich gut als Schallschutz und ist schwer entflammbar. Daher findet Seegras auf verschiedenste Weise Verwendung.

Auch in Schleswig-Holstein wird Seegras genutzt. In der Nähe von Eckernförde werden mit Seegras allergikerfreundliche Kissen hergestellt und bei Lübeck wird daran gearbeitet, Seegras als Dämmmaterial in den Hausbau zu integrieren4. Aber auch bei der Gartengestaltung und in der Kosmetik findet Seegras immer mehr Anwendung. Doch für den großen Durchbruch fehlt es noch an Infrastruktur und daran, mehr Seegras zu sammeln und aufzuarbeiten, damit auch größere Betriebe einsteigen.

Auf unserer Vernetzungsseite findet ihr zahlreiche Projekte, die sich mit Seegras als Ressource auseinandersetzen. Schaut gerne mal rein!