Crashkurs Regenerative Aquakultur: Alles was du wissen musst

Das Frühjahr ist eine herrliche Zeit zum Anbauen von Gemüse und Pflanzen, doch was geht den Ocean Summit das Gärtner*innenleben an? Nun, wenn es Farmen unter Wasser betrifft, so einiges: Dieser Artikel enthält alles zur Kultivierung von Muscheln und Algen im Wasser, was du dich noch nie gefragt hast, aber unbedingt wissen solltest.

Aquakultur? Das ist doch nicht nachhaltig!
Wenn man den Begriff Aquakultur hört, denkt man oft an Fische und andere aquatische Lebewesen, die in kontrollierten Umgebungen gezüchtet werden. Regenerative Aquakultur geht jedoch einen Schritt weiter und zielt darauf ab, nachhaltige und umweltfreundliche Systeme zu schaffen, die die natürlichen Ressourcen schonen und gleichzeitig eine hohe Produktionskapazität aufweisen. Umweltbelastungen sollen dabei minimiert werden. 

Herkömmliche Fischzucht Aquakulturanlage (Canva)

Herkömmliche Formen der Aquakultur setzen häufig Antibiotika und chemischen Düngemittel ein, deren Produktion enorm viel Energie verschlingt und die zusätzlich schädlich fürs Ökosystem sind. Die regenerative Aquakultur setzt auf natürliche Methoden zur Erhaltung und Verbesserung der Wasserqualität und zur Förderung des Wachstums der Aquakultur-Organismen. Hierbei werden weder Düngemittel, Antibiotika, Frischwasser oder Pestizide eingesetzt. Alles was die Muscheln und Algen zum Wachsen brauchen, befindet sich schon im Wasser. Man spricht hierbei auch von Zero-Input Farming. Dass zusätzlich keine Landfläche verbraucht wird, macht die Produkte aus regenerativer Aquakultur zu den nachhaltigsten Lebensmitteln überhaupt.

Ein einziger Hektar Regenerativer Aquakulturanlagen bringt viele wertvolle Ökosystemdiensleistungen mit sich (The Nature Conservancy)

Muscheln:
Schon gewusst? Miesmuscheln werden häufig mit Schleppkörben gefischt. Bei dieser Methode wird der Meeresboden nachhaltig zerstört und es hinterbleibt eine Schlammwüste. 

„Grauenhaft! Aber doch nicht in Deutschland, oder?”. Leider doch. Bis vor wenigen Jahren war diese Methode sogar noch in der Flensburger Förde erlaubt. Unsere Nachbarn in Dänemark praktizieren sie bis heute.

Aber es geht auch nachhaltig. Die Miesmuschellarven schweben im Frühjahr im Wasser und suchen sich einen Ort, an dem sie sich niederlassen können. Mit ihren Rezeptoren können sie Licht erkennen. Von hellen Flächen werden sie besonders stark angezogen. Wenn man in diesem Zeitraum zum Beispiel weiße Gurtbänder ins Wasser hängt, hat man nach ca. 18 Monaten essbare Miesmuscheln.

Viele kleine Miesmuscheln wachsen auf weißem Gurtband im Flensburger Hafen (Mats Heitzmann)

Obacht bei der Standortwahl! Da Miesmuscheln Filtrierer sind, filtern sie auch Schadstoffe aus dem Wasser. Vom Verzehr von Muscheln in Hafen- oder Straßennähe ist daher abzuraten. Generell gilt: Miesmuscheln nur in Monaten mir „R” essen, also von September bis April. Das liegt unter anderem daran, dass sie sich von Mikroalgen ernähren, zu denen auch die Blaualge zählt. Von denen gibt es in den Sommermonaten besonders viele in unseren Gewässern. Die meisten davon sind harmlos, einige aber auch giftig. Muscheln aus regenerativer Aquakultur können bedenkenlos verzehrt werden, da sie regelmäßig toxikologisch untersucht werden. 

Eine einzige Miesmuschel kann bis zu zwei Liter Wasser pro Stunde filtern. Biologen sprechen hier von einer Ökosystemdienstleistung, die die Muschel für uns übernimmt. Sie wirkt quasi wie ein Biofilter. Durch die vielen Muscheln wird das Wasser lokal klarer und überschüssige Nährstoffe aus der Landwirtschaft werden organisch aufgenommen.

In Flensburg gibt es sogar ein Projekt, dass Miesmuscheln und Herzmuscheln in einer Polykultur kultiviert. 

Muschelernte 2023 im Flensburger Hafen (Flensborg Avis/FjordFruits)

Algen:
Schleimig & nutzlos? Heute räumen wir mit den gängigen Vorurteilen über Algen auf. 

Bei Algen unterscheidet man zwischen Makroalgen und Mikroalgen. Mikroalgen sind z.B. Spirulina oder Cholorella, die zum Plankton gehören und damit im Wasser schweben.
In diesem Artikel geht es ausschließlich um Makroalgen (auch Seetang genannt), die an Hartsubstrat wie Steinen wachsen und sich deshalb auch zur Kultivierung an Seilen eignen.

Zuckertang Ernte (Saccharina latissima) an der Westküste der USA (Greenwave)

Die Algen Aquakultur ist eine aufstrebende Industrie. Algen sind in der Tat sehr vielseitige Organismen, die in vielen Bereichen verwendet werden können, darunter Lebensmittel, Biokraftstoffe, Düngemittel und Kosmetika. In diesem Artikel werden wir uns auf die verschiedenen Anwendungen von Algen und ihre Bedeutung für die Umwelt konzentrieren.

Algen sind in der Tat eine sehr nachhaltige Ressource, die sich durch schnelles Wachstum und geringen Platzbedarf auszeichnet.

Eine wichtige Anwendungen von Algen aus Aquakultur ist die Herstellung von Bioenergie. Algen können zur Herstellung von Biokraftstoffen verwendet werden, die als Alternative zu fossilen Brennstoffen dienen können. Die Algen werden geerntet und durch verschiedene Prozesse, wie zum Beispiel Fermentation, in Biokraftstoffe umgewandelt. Diese Methode ist sehr vielversprechend, da Algen eine höhere Ausbeute an Biomasse pro Fläche bieten als andere Nutzpflanzen.

Algen haben auch Potenzial als Nahrungsmittelquelle. Einige Arten von Algen werden bereits in der Lebensmittelindustrie verwendet. Sie sind reich an Nährstoffen wie Proteinen, Vitaminen und Mineralien und können somit eine wichtige Rolle bei der Ernährung spielen. Tatsächlich werden Algen in einigen Ländern bereits als Teil der traditionellen Küche verwendet, wie zum Beispiel in Japan und Korea. Besonders interessant sind sie auch für die Herstellung von vegetarischen und veganen Fleischersatzprodukten. Give it a try!

Dulse (Palmaria palmata) ist eine Rotalge und wird auch „Bacon of the Sea“ genannt. (Canva)

Auch zur Herstellung von ökologischen Düngemitteln können Algen verwendet werden. Sie sind reich an Nährstoffen wie Stickstoff, Phosphor und Kalium, die für das Pflanzenwachstum wichtig sind. Durch die Verwendung von Algen können herkömmliche Düngemittel ersetzt und somit die Umweltbelastung reduziert werden.

Schließlich können Algen auch in der Kosmetikindustrie verwendet werden. Algenextrakte werden häufig in Hautpflegeprodukten und Shampoos eingesetzt, da sie aufgrund ihres hohen Gehalts an Nährstoffen und Antioxidantien eine Vielzahl von Haut- und Haarvorteilen bieten können.

Insgesamt bietet die Algen Aquakultur eine Vielzahl von Anwendungen und Vorteilen für die Umwelt. Die Algen sind eine nachhaltige, effiziente Ressource, die dabei helfen kann, eine regenerative und umweltfreundliche Zukunft zu gestalten.

3D Ocean Farming Model von GreenWave. Hierbei werden Muscheln und Algen vertikal in der Wassersäule kultiviert. Dies bietet neben viel Ertrag auch enorme Vorteile für das Ökosystem. (GreenWave)

WEITERE INFOS ZU DEN GRÜNEN WUNDERN AUS DEM MEER:

Falls du mehr über regenerative Aquakultur erfahren möchtest schaue mal hier bei Greenwave vorbei, einem gloablen Netzwerk von regenerativen Aquakulturen.

Stöber-Beitrag „Alles Alge?! Wissen zur vielseitigen Meerespflanze in Nord- und Ostsee“ >>>

Stöber-Beitrag „Krass, krasser, Seegras – 5 Fakten zur Allrounder-Pflanze aus dem Meer

Stöber-Seite: Willkommen auf den Wunderwiesen

SPOILER: In der nächsten Folge Frutti di Mare geht es auch um Aquakultur. Das Release der Folge erfahrt ihr wie gewohnt auf unsere Kanälen. Stay tuned!
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Ein Beitrag von Mats Heitzmann (Praktikant beim Ocean Summit)

Titelbild (c) Algenfarm Tango Seaweed in Norwegen / Mats Heitzmann