Segeln fürs Meer: Citizen Science mit Rolf, Lars und Manta-Trawl
Welche Rolle kann Wassersport, insbesondere das Segeln, für den Meeresschutz spielen? Diese Frage stellen sich auch Lars und Rolf. Für die beiden ist eins klar: Segeln auf Kosten der Umwelt, oder Segeln nur um des Segelns Willen ist in Zeiten der vielfältigen ökologischen Krisen nicht mehr drin. Es braucht Aktion und es braucht eine Vision!
„Das Universum hat uns zusammengebracht“ antwortet Lars auf die Frage, wie Rolf und er sich kennenlernten. Anfang diesen Jahres startete Lars über eine Online-Plattform zur Vermittlung von Mitsegelgelegenheiten einen Aufruf, wer gemeinsam Segeln und Meeresschutz in einer Graswurzelinitiative verbinden möchte. Rolf war der Erste, der sich zurückmeldete und die Chemie stimmte sofort. Gemeinsam schmiedeten die beiden einen Plan, wie sie parallel zu Arved Fuchs großer Expedition eine kleinere, regionale Aktion starten und auch dabei auf den Schutz der Meere hinweisen könnten. Heraus kam „Segeln für‘s Meer – Expedition Zero“.
Segeln für das Meer bedeutet für die beiden Ozeanliebhaber, dass sie ausgerüstet mit Bannern von Ocean Summit und Deepwave auf Rolfs Boot, der „Zero“, für eine Woche von Kiel Richtung Osten bis nach Wismar und zurück segeln und dabei ein eigenes Citizen Science Projekt zum Thema Mikroplastik in der Ostsee in Zusammenarbeit mit „One Earth – One Ocean“ (OEOO) verfolgen. Ein von „weniger ist meer“ zur Verfügung gestellter Manta-Trawl ist die Grundlage für die regelmäßige Probennahme, mit der sie ihrem Segeltörn eine wissenschaftliche Komponente verleihen. Ein Citizen Science Projekt par excellence – wir freuen uns sehr über diese tolle Eigeninitiative.
Der tägliche Hol mit dem Manta-Trawl zählt definitiv zu den Highlights jedes Segeltags. „Expedition Zero“ nennen die beiden ihre Unternehmung spaßeshalber, angelehnt an ihren Schiffsnamen. Nach Mikroplastik zu fischen bedeutet nicht nur, den Manta-Trawl an seinem Baum neben dem Schiff herzuziehen. Ein Datenblatt muss sorgfältig ausgefüllt werden, die Geschwindigkeit während des Hols wird streng bei 2,5 Knoten gehalten und es wird für exakt 30 Minuten Mikroplastik aus dem Oberflächenwasser gefiltert. Nach der Rückkehr nach Kiel werden die Proben dem Verein OEOO Kiel übergeben, von dem sie mithilfe eines „Spectrum Two“ von Perkin Elmer, das ein so genanntes FT-IR Spektrometer ist, analysiert werden sollen. Für die geneigten (Hobby-) Wissenschaftler*innen: Bei der Fourier-Transformations-Infrarotspektroskopie (FTIR) wird ein Infrarotspektrum gemessen, dass entweder von einem Festkörper, einer Flüssigkeit oder einem Gas absorbiert oder emittiert wird. Dieses Infrarotspektrum wird im Fall von Mikroplastikproben mit einer Datenbank verglichen, in der bereits die Spektralbereiche für eine Vielzahl von Plastiksorten hinterlegt ist. So kann nicht nur festgestellt werden, ob es sich bei dem untersuchten Partikel überhaupt um Mikroplastik handelt, sondern im besten Fall direkt das Plastikpolymer bestimmt werden. Der Verein betreibt außerdem das Müllsammelschiff „Seekuh“ und erhält normalerweise Proben in 10 Liter Kanistern von Handelsschiffen, die die europäische Atlantikküste abfahren. Daher sind die Proben aus der Ostsee von der Expedition Zero auch für OEOO ziemlich interessant.
Außerdem haben Rolf und Lars auf den Konsum von Fleisch und Fisch verzichtet, sich bewusst klimaneutral ernährt und dementsprechend auch so wenig Plastikmüll wie nur irgendwie möglich erzeugt. Mit gutem Beispiel voran gehen, oder besser gesagt segeln, lautet ihre Devise. Bei ihrem Vorhaben stoßen Lars und Rolf jedoch auch immer wieder an Grenzen und Hindernisse, aus denen sie lernen wollen. Die Frage, wie man man ein Schiff ausstattet, damit es möglichst nachhaltig betrieben werden kann, steht häufig im Raum. Dabei gibt es noch viel Potential, auch wenn Rolf die Crew und sein Boot mit Wind- und Solaranlage bereits komplett mit Strom aus erneuerbaren Quellen versorgt. Segelstoff und Taue verursachen trotzdem durch Abrieb Mikroplastikpartikel und der Schiffsrumpf ist mit Antifouling bemalt, um Bewuchs zu verhindern. „Es ist wirklich schwierig, dafür eine gute Alternative zu finden. Da wäre es toll, wenn es mehr Austausch zwischen den Segler*innen gäbe, und man sich gegenseitig über Erkenntnisse und Erfahrungswerte unterrichtet“, so der erfahrene Skipper. Genau diese Herausforderungen und Wiedersprüche aufzuzeigen und sich damit auseinander zu setzen, ist ein großes Anliegen der beiden Segler.
Die Zero dient in der Woche und darüber hinaus zudem als Plattform und Botschafterschiff für den Meeresschutz: Ocean Summit trifft auf Deepwave, auf Same Oceans, auf OEOO. Mitglieder von Meeresschutzorganisationen mit unterschiedlichen Ansätzen – und einem gleichen Ziel, den Schutz der Meere vorantreiben – begegnen sich auf und rund um das Segelboot. Das ist auch Teil der großen Vision, die Lars und Rolf haben: „Wie wäre es, wenn jedes Sportboot oder Schiff, das sich auch für den Meeresschutz einsetzen will, eine kleine Flagge oder einen Wimpel mit einem gemeinsamen Symbol tragen würde? Dann könnte man sich gegenseitig erkennen und sich über das, was man macht austauschen.“
Als nächste Schritte nach diesem Auftakttörn ist geplant, weitere Schiffe und Segler*innen für Meeresschutzthemen zu sensibilisieren und mit der Idee nicht nur auf, sondern auch für das Meer zu segeln, vertraut zu machen. So soll ein Netzwerk aus Booten entstehen, die entweder gemeinsam größere Aktionen starten, oder individuell über das ganze Jahr verteilt auf dem Wasser und in den Häfen Präsenz zeigen könnten. „Mit etwas mehr Planung kann viel mehr Öffentlichkeitsarbeit möglich werden. Wir könnten Ausstellungen mit an Bord nehmen, die dann von Hafen zu Hafen wandern, beispielsweise zum Thema Schweinswal. Oder Kinder mit entsprechenden Programmpunkten ansprechen, Müllsammelaktionen an Land starten und vieles mehr.“ Übrigens: Ein erster Treffpunkt für begeisterte Segler*innen genauso wie für alle nicht-segelnden Meeresliebhaber*innen, die sich dem Schutz der Ozeane widmen möchten, ist unser eng verpartnertes Ehrenamtsnetzwerk „Ocean Family“.
Die Radikale Idee von „Segeln für’s Meer“ ist, dass kein Segelboot mehr in See sticht, ohne etwas für das Meer zu tun. Eine kraftvolle Idee, die aber auch abschreckend wirken kann. Wie man diese Vision inklusiv gestalten kann, auch das beschäftigt Lars und Rolf während ihrer Segelwoche. „Wir haben gelernt, dass das nicht einfach so funktioniert, trotzdem finden wir es eine wichtige Idee. Statt alles als selbstverständlich hinzunehmen und zu denken: Meere seien nur fürs Segeln da, ist es an der Zeit mal Danke zu sagen zum Meer und etwas zurückzugeben. Also: Segeln fürs Meer!“